„Ist das Saxophon nicht etwas laut für das Akkordeon?“

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Lokalkompass-Reporter Ralf Kaupenjohann im Gespräch mit dem Organisator des Festivals „akkordeonherbst“ in Gelsenkirchen-Buer im Herbst 2016.

Lokalkompass: Herr Kaupenjohann, wieso eine Reihe mit Akkordeonmusik in Gelsenkirchen?

RK: Das ist eine längere Geschichte, bei der eine Situation die andere ergab. Ausgangspunkt ist wohl die Bekehrung des Vorsitzenden der Buer'schen „werkstatt“, Wolfgang Ullrich. Als Kind litt er unter den Darbietungen seines Vaters am Akkordeon – das mag am konkreten Instrument gelegen haben, sicherlich auch an der Musik, die gespielt wurde und an den Umständen. Dann hörte Wolfgang Ullrich Claudia Buder und wurde geheilt. Und weil bereits andere Konzertreihen – beispielsweise mit dem Gitarristen Christian Hammer – sehr gut laufen, klingelte eines Tages bei mir das Telefon und man fragte nach, ob ich Lust und Zeit hätte, eine Konzertreihe in Buer zu organisieren.

Lokalkompass: Und das war dann ganz einfach?

RK: Grundsätzlich ja, aber nur weil ich durch meine verschiedenen Aktivitäten auch in der Akkordeonszene ganz gut vernetzt bin.

Lokalkompass: Was darf man denn nun erwarten?

RK: Zum einen einen sehr ungewöhnlichen, aber schönen Konzertraum. Die „werkstatt“ ist ein altes Ladengeschäft und ähnelt durchaus dem Ruhrorter „Lokal Harmonie“ in Duisburg. Man ist sehr nah bei den Musikerinnen und Musikern, die Atmosphäre ist also intim, auch durch die Platzbegrenzung auf 50 Personen.

Lokalkompass: Gut, aber eigentlich galt die Frage der programmatischen Konzeption.

RK: Das ist ganz einfach: Das Akkordeon wird in guter Qualität vorgeführt, aber eben nicht nur als Konzertinstrument im klassischen Sinne.

Lokalkompass: Was meinen Sie damit?

RK: An den Musikhochschulen, nicht nur in Deutschland und Europa, sondern mittlerweile weltweit, befassen angehende Akkordeonistinnen und Akkordeonisten sich vor allem mit dem Einzeltonakkordeon.

Lokalkompass: Was ist denn das?

RK: Ein Akkordeontyp, der für die linke Hand einzelne Töne über mehrere Oktaven bereithält, also nicht nur die Grundbässe und Akkorde, mit dem beim traditionellen Akkordeon seit dem 19. Jahrhundert die Begleitung zur Melodie, die mit der rechten Hand gespielt wird, erzeugt wird.

Lokalkompass: Und was spielt man nun alles auf dem Einzeltonakkordeon?

RK: Im Studium, um nochmal diesen Gedanken aufzugreifen, geht es neben Übertragungen von Barock, Klassik und Romantik vor allem um Neue Musik. Das Akkordeon hat da in den letzten fünfzig Jahren immense Fortschritte gemacht. Sie werden keinen zeitgenössischen Komponisten und auch keine zeitgenössische Komponistin finden, die sich mit den Möglichkeiten des modernen Akkordeons nicht auskennen.

Lokalkompass: Und das Publikum?

RK: Da gibt es natürlich noch Aufholbedarf, so etwas braucht halt Zeit. Und viele Konzerte, Festivals und CDs.

Lokalkompass: Wir schweifen immer wieder mal ab. Also: Welche Musik erwartet uns nun?

RK: Um bei der Dame anzufangen, die auch der Auslöser des „akkordeonherbstes“ war: Claudia Buder lebt und arbeitet in Weimar. Als Musikerin ist sie unglaublich vielseitig und hat mit bedeutenden Ensembles und Orchestern gespielt. Für den „akkordeonherbst“ kommt sie mit einem Kammermusikpartner, der den Akkordeonklang auf ungewöhnliche Weise erweitern wird: ihr Kollege Lutz Koppetsch spielt Saxophon, auf dem Programm steht spanische Musik.

Lokalkompass: Ist das Saxophon nicht etwas laut für das Akkordeon?

RK: Oftmals ja, wenn man an Big-Bands etc. denkt, aber hier haben wir es mit einem ausgesprochen lyrischen Spieler zu tun. Das wird eine sehr reizvolle Kombination sein. Aber jetzt sind Sie ein wenig von der Frage nach der Musik abgekommen.

Lokalkompass: Pardon.

RK: Heinz Hox und Marko Kassl werden mit Trios auftreten, größere Besetzungen würde die Bühne auch nicht verkraften. Heinz Hox kommt mit einen Jazz-Trio und zeigt, was das Akkordeon in diesem Kontext zu leisten vermag, zumal in den Händen dieses fantastischen Musikers. Und Marko Kassl kommt mit Klarinettist und Kontrabassist. Mit beiden wird er verschiedene Duos und im Trio spielen. Und er hat was solistisches versprochen, ich weiß sogar schon was.

Lokalkompass: Nun?

RK: Wird nicht verraten.

Lokalkompass: Und was passiert zu Beginn des Festivals und am Ende?

RK: Zu Beginn spielt das Duo kẑrme, erweitert um den Vokalkünstler Norbert Zajac.

Lokalkompass: kẑrme? Wie spricht man das aus?

RK: kẑrme. Der Grund, warum ich selber das Festival eröffne – ich warte mal nicht ab, bis Sie diese Frage stellen - ist ein sehr banaler: alle anderen konnten zu diesem Termin nicht.

Lokalkompass: kẑrme scheint ja ein wenig aus dem Rahmen zu fallen.

RK: Ja. Mit Markus Emanuel Zaja improvisiere ich seit Jahren zu unterschiedlichsten Anlässen, warum es hier genau geht, möchte ich jetzt hier nicht vortragen, das meiste kann man der Internetseite akkordeonherbst.de entnehmen. Dort findet man auch alle Termine etc.

Lokalkompass: Und wieso kommt ein Musiker aus Kanada nach Gelsenkirchen.

RK: Joseph Petric wird im Essener Augemus Musikverlag ein umfangreiches Buch zum Thema Akkordeon veröffentlichen. Da ich mit dem Verlagsinhaber ganz gut bekannt bin, habe ich Petric gefragt, ob er nicht sowieso nach Europa kommt und ob er dann nicht gleich auch in Buer spielen könne. Das war eigentlich sehr naiv, aber es hat sich dann – auch dank weiterer Auftrittsmöglichkeiten in den Niederlanden und Deutschland – so gut weiterentwickelt, dass es eigentlich kein Problem mehr gibt, die Flüge sind gebucht.

Lokalkompass: Was macht der kanadische Akkordeonist anders als die hiesigen?

RK: Am auffälligsten ist sein Akkordeon. Es ist kein Serieninstrument, sondern wurde aus zwei Instrumenten verschiedener Hersteller zusammengebaut. Für die Fachleute: rechts Pigini, links Gola.

Lokalkompass: Das sagt mir jetzt nichts.

RK: Wie gesagt: für Fachleute. Aber so etwas habe ich noch nie gehört. Und dann hat Leo Niemi, ein kanadischer Instrumentenbauer, noch umfangreiche und teilweise verblüffende Veränderungen am Instrument vorgenommen. Joseph Petric spielt Bach und Scarlatti in der ersten Programmhälfte und im zweiten Teil wird es experimentell: er spielt zwei Werke kanadischer Komponisten für Akkordeon und Elektronik. Früher liefen solche Werke unter dem Titel „Akkordeon und Tonband“, aber heute geht das ja alles einfacher und besser mittels Klangdatei beispielsweise von der CD.

Lokalkompass: A propos CD: Es gibt das Gerücht, die Konzerte würden aufgezeichnet.

RK: Woher haben Sie denn das?

Lokalkompass: Das ist jetzt nicht so wichtig. Ist da was dran?

RK: Ja, durchaus. Grundsätzlich läuft das auf einen CD-Sampler hinaus. Wolfgang Bökelmann von den Reviertonstudios in Herne ist ein exquisiter Fachmann und hat viel Erfahrung auch mit Akkordeonaufnahmen.

Lokalkompass: Es geht nach 2016 also weiter?

RK: Grundsätzlich ja. Mir macht das alles viel Freude, die Kooperation mit den „werkstatt“-Leuten – vor allem auch mit Harald Lange, der den schönen Flyer und das Plakat gestaltet hat – ist vorzüglich. Vielleicht zieht die „werkstatt“ noch innerhalb von Buer um, aber Wolfgang Ullrich ist sehr zuversichtlich, das alles gut klappt, auch das Festival. Im nächsten Jahr wird dann ein Programmpunkt vom Publikum mitbestimmt werden.

Lokalkompass: Das klingt interessant. Wie soll das gehen?

RK: Besucher des diesjährigen Festivals können sich in eine Liste eintragen. Für einen Programmpunkt werde ich dann mehrere Vorschläge unterbreiten. Die „Publikumsjury“ hört sich dann Tonbeispiele an, das meiste wohl bei youtube. Und dann wird abgestimmt. Genaueres folgt noch.

Lokalkompass: Herr Kaupenjohann, wir danken Ihnen sehr für dieses Gespräch.

Autor:

Ralf Kaupenjohann aus Essen-Ruhr

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