Heimat, was ist das
Sicher hat der Begriff Heimat für jeden eine andere Bedeutung; für die Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, wahrscheinlich einen höheren Wert. Doch gerade in der Zeit von Globalisierung und Wertewandel ist es wichtig, dass man sich irgendwo zuhause fühlt.
Wenn ich an Heimat denke fallen mir Ludwig Ganghofer ein und Hermann Löns, die Heimatdichter. Was für den einen die Hütte im Gebirge ist, mag für den anderen das Watt an der Nordseeküste sein, der Ort mit den reedgedeckten Häusern hinter dem Deich. Für den einen ist es die Kreuzberger Mietskaserne mit vier Hinterhöfen mitten im Großstadtgewühl von Berlin, der andere hat seine Heimat in einem Zechenhaus in einer Siedlung im Ruhrrevier. Doch es gibt noch viel mehr Beispiele die man anführen kann, um den Ort Heimat zu beschreiben. Aber kann man Heimat nur durch die „rosa Brille“ sehen? Sicher nicht. Heimat gehört zu den Menschen.
Heimat kann man fühlen, ganz tief in einem drinnen im Herz und in der Seele, aber manchmal ist sie unerreichbar wie ein Traum. Heimat kann man riechen, kann man spüren, kann man sehen, kann man hören. Es sind die Erinnerungen, die sich in unser Unterbewusstsein eingebrannt haben. Eine Komposition aus dem Duft von Bratwurst, Sauerbraten und Rotkohl, dem Geschrei der Möwen, dem Gurren der Tauben, der Duft der salzigen See, dem Dialekt der Sprache in der Kindheit, die taunasse Wiese am frühen Morgen, das Aroma eines Nadelwalds nach dem Regen, der Geruch von Heu auf einer abgemähten Wiese im Hochsommer, die Spannung am Weihnachtsabend vor der Bescherung, Wind auf der Haut, die Lieblingsmusik der Eltern, die Rituale beim Essen, das Gebet mit der Mutter am Abend vor dem Schlafen gehen.
Andrerseits gab es in Deutschland eine Zeit, da war der Begriff Heimat etwas negatives. Man brachte ihn in Verbindung mit nationalem Pathos und dem deutschen Wesen, das die Welt heilen sollte. Heimat, das wurde hämisch belächelt – was einige progressive Weltbürger heute noch machen -, war Krachlederne und Schuhplattler, Trachtengruppen, Blasmusik, Schützenfest und Spießigkeit.
Doch Heimat ist auch da, wo man sich wohlfühlt, wo es einem gut geht, wo man Freunde hat. Heimat hat nicht unbedingt immer nur mit Vergangenheit zu tun. Heimat ist auch Hier und Jetzt. Wenn ich an dieser Stelle Paul Watzlawick (Professor für Psychotherapie) zitieren darf, so wird derjenige, der seine Vergangenheit und Kindheit sehnsüchtig glorifiziert und darin nur das Gute sieht, im Hier und Jetzt nichts gutes finden und unglücklich sein. Es gibt einige Individuen, die um sich eine Mauer aus Erinnerungen bauen und erkennen so nicht, was um sie herum an neue Werte existieren.
Zum Thema Heimat fällt mir aber auch Giuseppe Verdi ein und sein bekannter Chor der gefangenen Hebräer aus Nabucco: Flieg, Gedanke, getragen von Sehnsucht, lass'dich nieder in jenen Gefilden, wo in Freiheit wir glücklich einst lebten, wo die Heimat uns'rer Seele - ist. Wenn ich die Intension der dritten Zeile – wo in Freiheit wir glücklich einst lebten -, als Kindheit ansehe, wo noch Unbeschwertheit und keine Verantwortung tragen müssen, das Dasein einengten, so wird doch hier der Terminus Heimat treffend beschrieben bzw. besungen. Dieses Gefühl will ich keinem und mir auch nicht absprechen.
Aber den „ewig Gestrigen“ sei gesagt, dass Früher nicht unbedingt alles besser war. Als der Kohle-Bergbau noch florierte, war das Ruhrgebiet und Gelsenkirchen bestimmt kein Luftkurort. Schwarz war keine Farbe des Gefühls, sondern eine Tatsache, die man auf der Fensterbank finden konnte. In der Nähe der Stahlwerke dann ein leichter roter Rost-Ton. Kam man von der Reise mit dem Auto wieder heim, so war das Kohle-Revier schon an seiner Dunstglocke zu erkennen und den rauchenden Schloten. Computer und Internet waren Fremdwörter. Die Medizin war noch nicht auf dem Stand wie in heutiger Zeit. Die 39Stunden-Woche Utopie. Wenn ich meinen Kindern erzähle, dass ich samstags auch noch zur Schule musste, ernte ich nur Kopf schütteln und Staunen. Sicherlich gab es auch Vollbeschäftigung und Wirtschaftswunder. Aber auch Steinstaublungen bei den Bergleuten vom Pütt, die unter Tage schuften mussten.Grubenunglücke bei denen etliche Kumpel ihr Leben lassen mussten, sprechen eine Sprache für sich. Auch die Arbeit im Stahlwerk war kein Zucker schlecken. Die unerträgliche Hitze an den Hochöfen und eine Arbeitssicherheit die heutzutage undeknbar wäre, produzierte so einige Invalieden. Man könnte die Liste noch um etliche Aspekte weiterführen, aber ich möchte jedem die Gelegenheit geben, sein Pferd der Gedanken zu satteln und eine Reise in die Vergangenheit zu machen, um festzustellen, was denn Früher wahrlich alles besser war.
Wie ich ja schon festgestellt habe, ist Heimat auch im Hier und Jetzt. Der Ort ist der gleiche wie vor etlichen Jahren, aber im Wandel der Zeit haben auch Veränderungen stattgefunden, was ja auch nachvollziehbar ist. Die Zechen sind verschwunden, ebenso die Stahlwerke. Es ist alles etwas moderner geworden. Der alte Bahnhof von Rotthausen, ist einem Haltepunkt für die S-Bahn gewichen. Keine Schalterhalle mehr, ein Fahrkartenautomat ist Ersatz dafür geworden. Aber die Anbindung zur City und nach Essen ist im Stundentakt zu erreichen. Eine Straßenbahn fährt schon lange nicht mehr. Früher war es die Linie 4, jetzt ist es der Bus mit der Nummer 340. Andrerseits sind aber auch Orte verschwunden, an denen glückliche Erinnerungen hängen. Auch der Modernisierungswut der Sozialdemokraten in den Sechzigern, fielen einige Denkmäler aus der Gründerzeit des Kohlereviers der Abrissbirne zum Opfer: das alte Rathaus am Machensplatz – später Polizeiwache -, der Bahnhof, das alte Hallenbad. Dafür entstanden dann etliche Hässlichkeiten aus Beton, die wohl für den Büroalltag pragmatisch sind, aber ebenso unpersönlich sind wie die Bürokratie die sie beherbergen.
Es hat aber noch ein Wandel stattgefunden. So kamen in der Zeit und in der Zeit danach viele Fremde in unsere Heimat. Zuerst Italiener, Spanier, Portugiesen, Griechen und aus anderen südlichen Ländern. Später waren es die Türken und andere Menschen mit muslimen Glauben. Dann kamen Osteuropäer und etliche Menschen aus anderen Staaten. So unterschiedlich wie ihre Herkunft auch sein mag, so haben sie doch eins gemein und das ist, dass sie jetzt hier bei uns ihre Heimat haben.
Wenn sich europäische Migranten in unsere Gesellschaft schon lange ganz und gar integriert haben, so ist es die Mentalität, die muslimen Bürgern anhaftet und zwei Kulturen aufeinander treffen lässt – die westlich, christliche Kultur und die südöstlich, muslime Kultur - , die dann oft zu Intoleranz auf beiden Seiten führt. Natürlich ist es wichtig, Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen und gegenseitige Toleranz im kulturellen, religiösen und soziologischen Bereich zu fordern. Dabei sollte man allerdings eins nicht außer acht lassen und das ist die Integrität unserer Nation; ohne dabei rechtspopulistisch zu agieren. Ein gesundes Mittelmaß an Verständnis für einander, tut unserer multikulturellen Gesellschaft sicher gut und sorgt für ein entspanntes Klima zwischen den Kulturen.
Autor:Uwe Müller aus Gelsenkirchen |
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