Gesicherte Zukunft für ein Schloss

Alle zwei Jahre herrscht rund ums Schloss Horst mittelalterliches Treiben beim Gaudium. Dann kann man sich über das Leben zu Zeiten Rutgers von der Horst informieren und im Feldlager hautnah das Leben erleben.Foto: Gerd Kaemper
  • Alle zwei Jahre herrscht rund ums Schloss Horst mittelalterliches Treiben beim Gaudium. Dann kann man sich über das Leben zu Zeiten Rutgers von der Horst informieren und im Feldlager hautnah das Leben erleben.Foto: Gerd Kaemper
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Vor 30 Jahren wurde die Stadt Gelsenkirchen Besitzerin des maroden Schlosses Horst - der Stadtspiegel war dabei. Das Schloss Horst ist nicht nur eines der ältesten Gebäude in Gelsenkirchen und eines der bedeutendsten Renaissanceschlösser Westfalens - es ist auch ein lebendiges Kultur- und Bürgerzentrum mit vielen verschiedenen Angeboten.

Das Schloss beherbergt die Stadtteilbibliothek Horst und das zentrale Standesamt der Stadt, so wird im Kaminzimmer und Rittersaal das Ja-Wort in romantischer Atmosphäre besiegelt. Außerdem finden in den stilvollen Räumen - insbesondere in der außergewöhnlichen Glashalle - regelmäßig Konzerte und andere Veranstaltungen statt.
Das Museum Schloss Horst nimmt die Besucher mit auf eine Zeitreise in die Renaissance - Ausprobieren und Anfassen ausdrücklich erwünscht. Die historische Druckwerkstatt in der Vorburg lädt ein, einmal selbst eine mächtige historische Druckerpresse zu bedienen.
Eine Gastronomie sowie ein schöner Park mit benachbartem Spielplatz runden das Angebot ab - und außredem ist Schloss Horst alle zwei Jahre Schauplatz für das große Mittelalter-Spektakel "Gaudium", das zuletzt in diesem Sommer stattgefunden hat.

Erhalt des Schlosses als Gemeinschaftsaufgabe

Dass das Schloss Horst für die Bürger als Kultur- und Veranstaltungszentrum ausgebaut werden konnte, ist dem Förderverein des Schlosses zu verdanken, der sich Mitte der 1980er Jahre für den Erhalt des vom Verfall bedrohten Schlosses einsetzte. 1988 ging das Gebäude in den Besitz der Stadt Gelsenkirchen über und eine sinnvolle, denkmalgerechte Nutzung wurde gefunden.
Durch den unermüdlichen Einsatz engagierter Horster wieder hergerichtet, gilt Schloss Horst heute als wichtigster Renaissancebau des Ruhrgebietes und ist darüber hinaus einer der ältesten und bedeutendsten Renaissancebauten Westfalens.
Die äußerst interessante Burgengeschichte reicht weit über den Schlossbau in das zwölfte Jahrhundert zurück. Über die Gestalt der Vorgängerburgen ist man dank archäologischer Grabungen im Schlosshof informiert, bei denen Überreste aller dem Schlossbau vorangegangenen Bauphasen zutage kamen.

Das Renaissanceschloss und sein Bauherr

Die Absicht, einen zeitgemäßen Neubau zu errichten, verwundert umso weniger, als der vermutlich 1519 geborene Bauherr Rutger von der Horst den von humanistischer Bildung sowie politischer und ökonomischer Sach- und Fachkenntnis geprägten neuen Typ des Ministerialadeligen verkörperte.
Nach dem Tod der Eltern kamen er und seine Geschwister in Vormundschaft: Anna ging als Novizin ins Zisterzienserinnenkloster Sterkrade, Heinrich nach Kleve, Rutger und sein jüngster Bruder Dietrich ins traditionsreiche, humanistisch geprägte Stiftsgymnasium von Emmerich am Niederrhein.
1548/49 heiratete er Anna von Palandt, die Witwe des klevischen Amtmanns Heinrichs von Wylich. Möglicherweise hat ihn seine Verbindung mit der wohlhabenden Anna in seinem Neubauvorhaben bestärkt. 1559 wurde er Amtmann im kurkölnischen Rheinberg, es folgten Titel und Amtsbefugnis eines Marschalls. Als Berater und in verschiedensten diplomatischen Missionen diente er bis zu seinem Tod fünf Kölner Kurfürsten. Den Zenit seiner Karriere bildete die Erteilung der vestischen Statthalterwürde durch Kurfürst Salentin von Isenburg. Rutger starb am 10. März 1582.


Der Schlossbau war echte „Chefsache“

Rutger von der Horst setzte ab 1554 seine Neubaupläne als Ausdruck eines neuen individuellen Selbstbewusstseins um. Als leitender Baumeister konnte ab 1556 Arnt Johannsen to Boecop aus Arnheim unter Vertrag genommen werden.
Bezüglich der reichen Dekoration von Außenbau und Innenräumen verpflichtete der Bauherr befähigte Bildhauer, Schnitzer, Bildkachelhersteller, Eisengießer und Maler aus Köln, den vereinigten Herzogtümern Jülich-Kleve-Berg sowie dem Herzogtum Geldern. Insbesondere die Bildhauer Heinrich und Wilhelm Vernukken aus Kalkar wie auch Laurentz von Brachum aus Wesel trugen entscheidend dazu bei, diesem Renaissancebau die unverwechselbaren Züge zu geben.
Über das Bau- und Ausstattungsgeschehen ist man durch zwei in Pergament gebundene Foliobände mit handschriftlichen baubezogenen Aufzeichnungen des Bauherrn (über 600 Seiten) und eine später zusammengeheftete Sammlung von rund vierzig Verträgen mit Baumeistern, Künstlern und Handwerkern sowie Zulieferern, die sich im Fürstenbergschen Archiv auf Schloss Hugenpoet über die Jahrhunderte erhalten haben, recht gut informiert.
In einer Kernbauzeit von 15 bis 20 Jahren entstand um die alte Burg herum eine regelmäßige quadratische Anlage von rund 53 Metern Länge mit vier vorgeschobenen Ecktürmen unter „welschen“ Hauben. Zwei hohe Gebäude, über Eck nach Norden angeordnet, sowie zwei schmale eingeschossige Galeriegänge, ebenfalls über Eck nach Süden, umfassten den Hof.
Der aus Ziegelmauerwerk errichtete Bau war reich mit Sandsteinornamentik dekoriert, verputzt, bemalt und teilvergoldet. Die Dächer waren mit hochwertigem Moselschiefer gedeckt. Das Innere schmückten Wand- und Deckenmalereien, aus Ton gebackene Friese und Bildmedaillons. Zur Innenausstattung gehörten auch mit Bildkacheln verzierte eiserne Öfen und prächtige Bildkamine aus Baumberger Sandstein.

Der Verfall lässt sich nicht aufhalten

Bereits früh wurden erste Anzeichen eines sich ankündigenden Verfalls sichtbar. Der ungeeignete Baugrund in der Emscherniederung mit einer Vielzahl kleiner Bachläufe und Gräben trug ebenso dazu bei wie die unzureichende Fundamentierung des Schlosses. Hinzu kam die wechselnde Erbfolge, die nach Rutgers und Anna von Palandts Tod den Besitz in den beiden folgenden Generationen jeweils über Töchter in andere westfälische Adelsfamilien einbrachte.
Selbst die umfangreichen Reparatur- und Sanierungsarbeiten der Familie von Fürstenberg, die 1706 die Herrlichkeit nebst Schloss gekauft und letzteres bis 1988 in Besitz hatte, konnten den immer rascher fortschreitenden Verfall nicht aufhalten. Kurz vor 1830 stürzte der Westturm am Hofzugang ein und riss den westlichen Teil des Nordwestflügels mit.
Die offene Flanke des Gebäudes schloss man mit einer schlichten Fassade und ordnete die baulichen Verhältnisse im Innern. Im Frühjahr 1833 fielen der Nordturm und zehn Jahre später der Südturm in sich zusammen. In jener Zeit dürften auch die beiden eingeschossigen Galeriegebäude im Südosten und -westen niedergelegt worden sein. Eine 1850 datierte Zeichnung, die den Schlosskomplex von Süden zeigt, dokumentiert den Einsturz des prächtigen Schaugiebels in Verlängerung der Herrenhaushoffassade vor dem Ostturm.

Umnutzung als Volkserholungsstätte

Schließlich erfolgte 1853/54 auf Anordnung des preußischen Regierungspräsidenten in Münster der Abbruch des Ostturmes und des Nordostflügels. So blieben von der ehedem stolzen Anlage lediglich der größte Teil des Eingangsflügels in ursprünglicher Höhe, nicht einmal das gesamte Sockelgeschoss und nur ein Saal im Erdgeschoss des Herrenhauses erhalten.
Den wertvollen Bauschmuck bis hin zu den großen Prachtkaminen hat man sorgfältig behandelt, sodass vieles davon bis heute bewahrt geblieben ist. 1925 wurde das Untergeschoss des Schlosses zu einem Restaurant ausgebaut, das bis 1929 um Garten- und Terrassenanlagen, einen Ruderbootbetrieb in der Gräfte und eine gastronomische Nutzbarmachung des Rittersaals und des Nordturmsockels erweitert wurde.
Diese „Volkserholungsstätte“ wurde zu einem beliebten Ausflugsziel, dessen wirtschaftlicher Erfolg bis in die 50er Jahre anhielt. Mitte der 1970er Jahre reduzierte sich die gastronomische Nutzung auf eine Diskothek im Sockelgeschoss. Der Verfall nahm beängstigend zu.

Die Restaurierung schreitet voran

Angesichts des drohenden endgültigen Verfalls gründeten 1985 Horster Bürger den Förderverein Schloss Horst, um das Schloss zu retten. 1988 ging das Gebäude in den Besitz der Stadt Gelsenkirchen über und eine sinnvolle, denkmalgerechte Nutzung wurde gefunden.
Dem mit dem Um- und Neubau des Schlosses beauftragten Professor Jochem Jourdan (Frankfurt) gelang es, nach Maßgabe der Denkmalpflege historische Bausubstanz unverfälscht zu erhalten und mit modernen Bauteilen zu einem harmonischen Ganzen ästhetisch zu verbinden.
Im August 1999 wurde es als das heute bekannte städtisches Kultur- und Bürgerzentrum wieder eröffnet.

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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