Fünf Jahre neue Synagoge - Die Jüdische Gemeinde Gelsenkirchen zeigt sich neu belebt und lädt gern Gäste ein

Bezugnehmend auf die erschreckenden Ergebnisse der Antisemitismus-Studie mahnte Judith Neuwald-Tasbach an, dass man in Deutschland nicht nur an die ruhmreichen Zeiten erinnern sollte, sondern auch an die mörderischen. Foto: Gerd Kaemper
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  • Bezugnehmend auf die erschreckenden Ergebnisse der Antisemitismus-Studie mahnte Judith Neuwald-Tasbach an, dass man in Deutschland nicht nur an die ruhmreichen Zeiten erinnern sollte, sondern auch an die mörderischen. Foto: Gerd Kaemper
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Am 1. Februar 2007 wurde die Neue Synagoge in der Georgstraße 2 am Platze ihrer Vorgängerin, die in der sogenannten Reichskristallnacht gebrandschatzt wurde, feierlich eingeweiht. Seitdem fanden eine Vielzahl von Veranstaltungen in dem neuen Gebäude statt und viele Besucher fanden den Weg dorthin.

GE. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust wurde die Jüdische Gemeinde in Gelsenkirchen durch Kurt Neuwald und einige andere Bürger, die das Grauen des Nationalsozialismus überlebt hatten, zu neuem Leben erweckt.

In einem Wohnhaus in der Von-der-Recke-Straße entstand ein Betsaal, in dem sich die Gemeinde über viele Jahrzehnte zum Gebet traf. Den Neubau und die Einweihung der Neuen Synagoge erlebte Kurt Neuwald nicht mehr.

Die Einweihung der Neuen Synagoge

Am 1. Februar 2007 erlebten die Passanten in der Gelsenkirchener Innenstadt ein ganz besonderes Ereignis. Unter einem weit leuchtenden blauen Baldachin wurden die Thorarollen und das Ewige Licht aus der Synagoge in der Von-der-Recke-Straße in die neue Synagoge in der Georgstraße getragen. Laut erklang dabei die fröhliche
Musik der Klezmerband „Chidesch“ aus Berlin und lud die Passanten zum Schauen und Mitgehen ein.
Viele Menschen schlossen sich dem Zug an, darunter aus der Katholischen St. Augustinuskirche Propst Manfred Paas und aus der Evangelischen Altstadtkirche Superintendent Rüdiger Höcker. Die Glocken beider Kirchen begrüßten den Umzug und wünschten der Jüdischen Gemeinde in ihrem neuen Haus alles Gute.
Der geradlinige Bau, die nur durch einen Pförtner Einlass gewährende Tür und die häufige Präsenz eines Polizeiwagens in direkter Nähe lassen mitunter eine gewisse Distanz zwischen den Bürgern und der Gemeinde aufkommen. Doch bittet man um Einlass, so wird er gewährt und im Inneren präsentiert sich das nüchterne Gebäude als ein lebendiger und oft auch fröhlicher Ort.
Seit Januar 2008 hat die Gemeinde mit Chaim Kornblum einen Rabbiner, der neben den regelmäßigen Gottesdiensten und Feierlichkeiten auch schon Batmizwahs in der Synagoge feiern konnte.
Die Gemeinde bietet ihren Mitgliedern zahlreiche Angebote, wie eine Bibliothek, einen Chor, Kindergruppen und vieles mehr. Durch Führungen aber auch die Einladung zur Teilnahme an Gottesdiensten öffnet sich die Synagoge auch interessierten Mitbürgern anderen Glaubens.

Der Betsaal in seiner neuen Bestimmung

Die alte Synagoge in der Von-der-Recke-Straße 9 wird heute genutzt als Ort der Begegnung und der Geschichte, aber auch als moderner Seminarraum für Workshops und Tagungen in einer besonderen Atmosphäre.
Der Betraum wurde erhalten, ist aber heute kein sakraler Raum mehr. Trotzdem findet man einen Thoraschrank mit einer alten Thorarolle oder Vitrinen mit Ausstellungsstücken, wie Thorakronen, Gebetbüchern oder Leuchtern und Tafeln zur jüdischen Geschichte, vor.
Es werden Führungen angeboten und Besichtigungen, aber auch Vorträge. Es gibt aber auch die Möglichkeit, einfach die Stille und die besondere Atmosphäre auf sich wirken zu lassen.

Der Kurt-Neuwald-Saal in der Synagoge

Zum Jüdischen Neujahrsfest wurde im Oktober 2011 der Kurt-Neuwald-Saal als Gemeindesaal in der neuen Synagoge eingeweiht durch den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, und Oberbürgermeister Frank Baranowski. Am 27. Januar 2012 wurde dort der Deportationen jüdischer Frauen, Männer und Kinder aus Gelsenkirchen gedacht, die sich an diesem Tag, dem Holocaust-Gedenktag, zum 70. mal jährte.
Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen und Tochter von Kurt Neuwald, Judith Neuwald-Tasbach, gedachte in ihrer Ansprache des Ausschwitz-Befreiungstages. Sie machte aber auch deutlich, dass es Befreiung für die, welche die Schoah überlebt haben, nie geben wird.
Bürgermeister Klaus Hermandung mahnte an: „Nur durch unser Erinnern halten wir die Vergangheit in der Gegenwart lebendig.“
Er erinnerte an die Deportationen aus Gelsenkirchen und schilderte den Leidensweg der jüdischen Mitbürger auf ihrem Weg in das Ghetto von Riga und das Leben dort. Als Angehöriger einer Delegation hat der Bürgermeister im Jahr 2010 Riga besucht und zeigte sich unglaublich beeindruckt, aber auch zutiefst erschüttert von dem Ort.
Peter Rose, der ehemalige Kulturdezerent der Stadt, und einige andere Gelsenkirchener lasen aus den Erinnerungen Gelsenkirchener Juden über ihre Deportation nach Riga. Besonders makaber waren seine Schilderungen, dass das „Mitteleuropäische Reisebüro“ sowohl Urlauber transportierte als auch Juden zur Vergasung. „Dabei zahlten die Juden sogar noch für ihren Tod, denn der Transport und die Vergasung wurden aus den Mitteln finanziert, die man bei den Juden zuvor konfisziert hatte.“

Gemeindebeteiligung an Projekt mit Strahlkraft

Unter dem Titel „Mazel Tov – eine jüdische Hochzeit“ geht der Gelsenkirchener Musiker Norbert Labatzki ganz neue Wege und erweckt ein Eventformat zum Leben, das die Besucher mit in das Geschehen einbezieht. Unterstützt wird er dabei nicht nur durch die Vorsitzende der Gelsenkirchener Jüdischen Gemeinde, Judith Neuwald-Tasbach, sondern auch durch viele Mitglieder der Jüdischen Gemeinde.
Am 6. Mai wird die „Jüdische Hochzeit“ auf Zeche Zollverein, die ja gar nicht so weit entfernt ist von Gelsenkirchen, ihre Uraufführung feiern. Rund 150 Gäste können daran teilhaben und eine Hochzeit erleben, wie sie vor mehr als 100 Jahren auf dem Land in Osteuropa gefeiert wurde.
Zu einer Hochzeit gehören natürlich einige Rituale, und genau um diese geht es dem Gelsenkirchener mit seinem Projekt. Er möchte den Gästen den Jüdischen Glauben in seinen verschiedenen Facetten nahe bringen.
„Ich glaube, dass man durch die Kenntnis uns fremder Religionen seine Vorurteile gegen diese überwinden kann. Das führt zu einem besseren Miteinander der Religionen und der Menschen. Und die neuesten Erhebungen zum Antisemitismus in Deutschland zeigen uns, dass es ein Schritt in die richtige Richtung ist“, erklärt Labatzki die Intention seiner Produktion.
Der Gelsenkirchener Musiker ist seit vielen Jahren mit der Klezmer-Musik vertraut und tourt mit seiner Klezmerband Badeken di Kallah durch Deutschland und sogar Europa. In der Anatevka-Produktion des Musiktheaters im Revier spielte er die Klarinette und wird auch bei „Mazel Tov“ mit seinen Musikern dabei sein und die Veranstaltung musikalisch untermalen. Mehr dazu in einer der nächsten Stadtspiegel-Ausgaben.

Bezugnehmend auf die erschreckenden Ergebnisse der Antisemitismus-Studie mahnte Judith Neuwald-Tasbach an, dass man in Deutschland nicht nur an die ruhmreichen Zeiten erinnern sollte, sondern auch an die mörderischen. Foto: Gerd Kaemper
Die Schülerinnen und Schüler des Berufskollegs für Technik und Gestaltung haben im Rahmen eines Schulprojektes einen Flyer entworfen, der die alte Synagoge, den heutigen Betsaal an der Von-der-Recke-Straße 9 vorstellt. Foto: Gerd Kaemper
Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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