Jan Dvoraks „Frankenstein“ sorgt für beeindruckende Momente
Eine Erzähloper über Liebe und Leid

Der Kreatur bleibt nur ein Moment mit der für ihn geschaffenen Gefährtin, ehe sie von Viktor Frankenstein getötet wird. Ein Moment, in dem es seine Liebe, die es zu geben hat, verdeutlichen kann. Evi Arnsbjerg Brygmann spielt die Puppe, Eileen von Hoyningen Huene die Gefährtin. Foto: Monika und Karl Forster
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  • Der Kreatur bleibt nur ein Moment mit der für ihn geschaffenen Gefährtin, ehe sie von Viktor Frankenstein getötet wird. Ein Moment, in dem es seine Liebe, die es zu geben hat, verdeutlichen kann. Evi Arnsbjerg Brygmann spielt die Puppe, Eileen von Hoyningen Huene die Gefährtin. Foto: Monika und Karl Forster
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Mit der Oper „Frankenstein“ feiert die neue Puppenspielsparte am Musiktheater im Revier ihr Debüt und sorgt damit gleich für große Gefühle, denn die Puppenspielerinnen Evi Arnsbjerg Brygmann, Bianka Drozdik und Eileen von Hoyningen Huene verleihen dem von ihnen gespielten und gesprochenen Monster eine Seele. Damit ziehen sie von der ersten Minute an das Publikum in den Bann des Monsters, das in der Oper seine Geschichte erzählt.

Anders als Mary Shelley in ihrem Roman „Frankenstein oder der moderne Prometheus“ erzählt in Jan Dvoraks Oper nicht Viktor Frankenstein, der Erschaffer der Kreatur, die Geschichte in Form eines Tagesbuches, sondern die Kreatur selbst berichtet von dem, was sie erlebt hat und sich rund um sie herum ereignet.
Obwohl sich Viktor Frankenstein mit der Erschaffung einer Kreatur in, sagen wir einmal, menschenähnlicher Gestalt eigentlich seinen Wunschtraum erfüllt hat, überlässt er sein Werk sich selbst, weil er sich abgestoßen fühlt von der Hässlichkeit des von seinen Händen Erschaffenen. Doch in diesem Monster gibt es ein Herz, wie es ein jeder Mensch in seiner Brust trägt und dieses Herz verlangt nach Liebe.
So sucht das Monster, nachdem es zum Leben erwacht, nach der Nähe anderer Menschen, weil er sich ihnen zugehörig fühlt. Ein unvoreingenommenes Kind lädt ihn zum Ball spielen ein, doch die Dorfbewohner jagen die furchteinflößende Gestalt davon. Diese Zurückweisung ist für die Kreatur kaum zu ertragen, weil es wie jeder andere Mensch nach der Gemeinschaft unter seinesgleichen sucht.
Und so führt Jan Dvorak die Zuschauer durch die Gefühlswelten des Monsters, dessen große Liebe zu den Menschen aus lauter Verzweiflung und Vereinsamung schließlich in Hass umschlägt, der sich vor allem gegen seinen Erschaffer richtet. Wie bei Mary Shelley bieten sich Viktor Frankenstein und seine Kreatur eine Hetzjagd um die Welt, bei der am Ende für beide der Tod steht.
Dank des herausragenden Spieles der drei Puppenspielerinnen entwickeln die Zuschauer Verständnis für das und sogar Mitgefühl mit dem Monster, das auf seiner Suche nach Liebe ob seines Aussehens immer wieder zurückgewiesen wird.
Die Inszenierung von Sebastian Schwab ist derart fesselnd, dass ein Donnergrollen des von Jan Dvoraks vorgeschriebenen Geräuschemachers das Publikum in seinen Sitzen vor Schreck erbeben lässt. Bei der Fahrt des Forschungsschiffes von Kapitän Walton mitten durch einen Sturm bläst die Windmaschine dem Publikum kalt entgegen und vermittelt einen Eindruck dessen, was die Besatzung und Viktor Frankenstein gerade erleben.
Das Bühnenbild von Britta Tönne bedarf keiner Wechsel, um die verschiedenen Örtlichkeiten und Situationen verständlich zu machen, es lässt der Phantasie freien Lauf und manch ein Besucher stellt erst am Ende fest, dass es sich tatsächlich zweieinhalb Stunden lang nur um ein einziges Bühnenbild gehandelt hat.
Die Kostüme von Rebekka Dornhege Reyes beflügeln ähnlich wie das Bühnenbild die Phantasie, auch wenn sie zum Teil schon deutlicher zur Schau stellen, was gesagt werden soll. Die Kostüme der Puppenspielerinnen lassen diese mitunter in den Hintergrund treten, weil die Puppe der Star ist, sorgen aber in anderen Szenen und Outfits auch dafür, dass die Kraft und Macht des Monsters deutlich wird.
Neben den Puppenspielerinnen brilliert Piotr Prochera als Viktor Frankenstein mit seiner Stimmgewalt, wie auch dem Spiel des Verzweifelten, der angesichts der Gräuel droht den Verstand zu verlieren. Bele Kumberger sorgt mit ihrer Darbietung der Verlobten von Viktor, Elisabeth Delacey, für die einerseits bodenständigen Töne, weil sie nichts von den Experimenten ihres Bräutigams weiß, und zum anderen die mitfühlenden und herzerwärmenden Partien, die sich auch in der Zerrissenheit des Monsters spiegeln.
Die Neue Philharmonie Westfalen begeistert unter der Leitung des musikalischen Leiters Giuliano Betta durch ihre je nach Vorgabe kraftvollen wie auch feinfühligen Einsätze und bietet eine große Bandbreite an Klängen.
Alles in allem sollte man sich die als Erzähloper konzipierte Oper Frankenstein nicht entgehen lassen, auch wenn man nicht der typische Opernfan ist oder vielleicht sogar gerade dann. Das Puppenspiel macht Lust auf mehr davon im MiR.
Weitere Vorstellungstermine für „Frankenstein“ sind am Sonntag, 27. Oktober, um 18 Uhr, Freitag, 1. November, um 18 Uhr, Samstag, 16. November, um 19.30 Uhr, Sonntag, 1. Dezember, um 18 Uhr, Freitag, 20. Dezember, um 19.30 Uhr und Sonntag, 5. Januar, um 18 Uhr. Eintrittskarten gibt es wie immer an der Theaterkasse und unter Telefon 4097-200.

Der Kreatur bleibt nur ein Moment mit der für ihn geschaffenen Gefährtin, ehe sie von Viktor Frankenstein getötet wird. Ein Moment, in dem es seine Liebe, die es zu geben hat, verdeutlichen kann. Evi Arnsbjerg Brygmann spielt die Puppe, Eileen von Hoyningen Huene die Gefährtin. Foto: Monika und Karl Forster
So groß die positiven Gefühle für die Menschen und seine Gefährtin sein mögen, seinen Erschaffer Viktor Frankenstein hasst das Monster ebenso von ganzem Herzen. Die Szene zeigt die Puppenspielerinnen Bianka Drozdik, Evi Arnsbjerg Brygmann und Eileen von Hoyningen Huene sowie Piotr Prochera als Viktor Frankenstein in den Fängen seines Geschöpfes. Foto: Monika und Karl Forster
Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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