Klaus-Peter Wolfs "Ostfriesenblut" im TV
Ein mörderisches Spiel im ZDF
Der zweite Ostfriesenkrimi von Klaus-Peter Wolf kommt morgen Abend ins Fernsehen und sorgt für Spannung In diesem Sommer wurden an der Nordseeküste rund um Norden-Norddeich die Romane "Ostfriesenblut" und "Ostfriesensünde" des gebürtigen Gelsenkirchener Autors Klaus-Peter Wolf für das ZDF verfilmt. Knappe acht Wochen lang dauerten die Dreharbeiten an Originalschauplätzen aus den Krimis und auch die Einheimischen waren in diese Filmarbeiten eingebunden, als Statisten, als Verleiher von speziell dafür gesuchten Autos und mehr. Am Samstag, 29. Dezember, um 20.15 Uhr ist das Ergebnis im ZDF zu sehen.
Der Stadtspiegel sprach mit Klaus-Peter Wolf über die Dreharbeiten und das Ergebnis, das die Zuschauer morgen Abend selbst zu sehen bekommen. Ein Film, den man nicht verpassen sollte, wie der Autor verspricht.
Stadtspiegel: Ihr Roman „Ostfriesenblut“ wurde verfilmt. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Klaus-Peter Wolf: „Wenn Literatur verfilmt wird, werden hinterher manchmal mehr Rechtsanwälte als Schauspieler beschäftigt. Oft ist es für die Autoren ein großes Ärgernis. In meinem Fall ist das völlig anders. Die Schiwago-Filmproduktion hat mich von Anfang an sehr eng mit einbezogen. Ich hatte einen Beratervertrag und habe die Dreharbeiten zu „Ostfriesenkiller“, „Ostfriesenblut“ und natürlich auch „Ostfriesensünde“ begleitet."
Ihre Ostfriesenkrimis sind allein in deutscher Sprache mehr als sechs Millionen Mal verkauft worden. Es ist die erfolgreichste Krimireihe in deutscher Sprache. Lag da nicht ein schrecklicher Erwartungsdruck auf allen Beteiligten?
„Das kann man wohl sagen. Man kann einen Roman nicht einfach Seite für Seite abfilmen. Es entsteht ein neues Kunstwerk. Dies ist besonders schwierig für Schauspieler und Regie, weil ich in meinen Romanen phantasieanregend schreibe. Das heißt, alle meine Leser entwickeln eigene Vorstellungen von den Figuren. Und plötzlich kommen Schauspieler und sollen das darstellen.“
Was bedeutet für Sie, „phantasieanregend schreiben“?
„Nehmen Sie zum Beispiel Rupert. Er ist ja geradezu eine Kultfigur geworden. Viele Leserinnen stellen sich Rupert als stämmigen Mann mit Bierbauch vor, weil er in meinen Romanen gern Currywurst mit Pommes und Mayo isst und dazu Bier trinkt. Ich habe ihn aber körperlich nie beschrieben. Es ist also ihre ganz eigene Vorstellung, die beim Lesen in ihrem Kopf entsteht und sich aus seinen Sprüchen und seinen Handlungen ergibt. Viele haben einen Arbeitskollegen, der sich ähnlich wie Rupert benimmt, zum Beispiel solche Sätze raushaut wie Rupert. Für diese Menschen sieht Rupert natürlich aus wie ihr Arbeitskollege. Den hätte ich aber gar nicht beschreiben können, den kenne ich ja gar nicht. Und das geht noch viel weiter. Zum Beispiel fährt Ann Kathrin Klaasen bei mir einen froschgrünen Twingo. Da entsteht in jedem Kopf sofort das Bild eines Autos. Aber versuchen Sie mal, sich einen froschgrünen Twingo zu kaufen. Solche Fahrzeuge werden gar nicht hergestellt. Die Farbe „froschgrün“ gibt es im Autohandel nicht.“
Und dann soll plötzlich Barnaby Metschurat Rupert sein...
„Ja, und das ist für den Schauspieler natürlich nicht einfach. Er muss nun seine Vision von Rupert spielen. Ich finde, er hat diese Figur sehr gut verinnerlicht. Es kommt ja nicht darauf an, äußerlich so auszusehen, wie wir uns diese Figur vorstellen, das geht ja gar nicht, bei ein paar hunderttausend Menschen, die unterschiedliche Vorstellungen haben, sondern es kommt darauf an, herauszuspielen, was für ein Charakter Rupert ist. Und ich finde, das hat Barnaby wunderbar gemacht.
Auch Kommissar Frank Weller, gespielt von Christian Erdmann, gefällt mir sehr gut. Christian schafft es, genau auf diesem schmalen Pfad zu spielen, wo ich Weller nett finde, so verständnisvoll, immer die Ruhe bewahrend, und dann spüre ich plötzlich: Der kann auch ganz dünnhäutig sein, völlig ausrasten, Wutanfälle kriegen. Im weiteren Verlauf wird er ja sogar einmal einen Menschen erschießen. Das ist aber noch nicht in diesen beiden Filmen der Fall. Sondern erst im Roman „Ostfriesengrab“.
Mit Christiane Paul, der Hauptdarstellerin, haben meine Frau Bettina Göschl und ich lange über die Rolle diskutiert. Christiane hatte viele Fragen: „Was gefällt euch an Ostfriesland? Was ist die Eigenart der Ostfriesen? Was ist die Eigenart der Figur? Wie denkt Ann Kathrin? Wie ist Verhältnis zu ihrem Vater? Christiane Paul hatte die schwierige Aufgabe, eine Kommissarin zu spielen, die sich oft mit ihrem toten Vater unterhält, der wirklich noch Einfluss auf ihr Leben hat.“
Ein gewagtes Experiment. Der Vater taucht im Film ja richtig als lebende Figur auf. Als Vision…
„Ja, und dann dreht die Kamera und wir sehen, Ann Kathrin ist alleine. Manchmal sind das verwirrende Szenen, das soll aber auch so sein, dass die Zuschauer erst denken, die Kommissarin spricht wirklich mit ihm und dann sieht man, er ist ja gar nicht da. Im Roman kann ich solche Situationen leicht erzählen. Ann Kathrin spricht halt mit ihrem toten Vater und trinkt einen Schnaps mit ihm. Im Film muss das ja gezeigt werden. Wir sind da über dünnes Eis gegangen, aber es hat uns dank der Schauspielkunst und der sensiblen Regie von Rick Ostermann getragen …“
„Ostfriesenkiller“ war mit fast acht Millionen Zuschauern einer der meistgesehenen Spielfilme des letzten Jahres. Selbst in der Wiederholung war der Film noch Quotensieger. Heißt das, es wird weitergehen?
„Ja, „Ostfriesensünde“ haben wir bereits verfilmt. Der Ausstrahlungstermin steht noch nicht fest, vermutlich Anfang Februar, auf jeden Fall an einem Samstag um 20.15 Uhr im ZDF.“
Waren das die Dreharbeiten beim Drachenfest auf der Wiese in Norddeich?
„Genau. Dazu sind sogar viele Fans aus Gelsenkirchen angereist. Bettina Göschl gab ein Konzert, sie spielte „Ostfriesenblues“, den Titelsong ihrer CD, geschrieben und komponiert von Ulrich Maske. Während das geschieht, fragt Ann Kathrin Klassen den Maurer Peter Grendel, ob er bereit ist, sie einzumauern, weil sie in das Gefühl der Opfer kommen will, um zu verstehen, was geschieht.“
In „Ostfriesensünde“ mauert ein Täter Frauen ein. Sie sterben in dieser klaustrophobischen Situation…
„Eben deshalb haben wir dann viele Szenen draußen gedreht, zum Beispiel beim Drachenfest, um von der Enge in die Weite zu kommen. Ich suchte halt den größten Kontrast zu Ostfriesland. Und der größte Kontrast zur Weite ist Enge.“
Im nächsten Jahr wird Ihr 13. Ostfriesenkrimi, „Ostfriesennacht“, erscheinen. Ihre letzten sieben Romane sind von Null auf Platz eins in der Spiegel-Bestsellerliste eingestiegen und sind manchmal monatelang dort geblieben. Werden Sie das wieder schaffen?
„Das weiß ich natürlich nicht. Das ist ja auch immer von der Konkurrenz abhängig. Die Vorbestellungszahlen versprechen viel. Wir haben bereits über 100.000 Vorbestellungen und bis zum 20. Februar vergeht ja noch ein bisschen Zeit. Viel wichtiger aber als die Platzierung auf der Bestsellerliste ist es für mich, meine treuen Leser nicht zu enttäuschen. Ich muss es ja jedes Mal schaffen, meinen Fans die gewohnte ostfriesische Welt zu bieten, die sie so gern haben, und sie zu meinem Figurenensemble führen, das ihnen ans Herz gewachsen ist. All das wollen sie wiederfinden, aber dann muss ich sie natürlich überraschen, ja, erschrecken. Etwas völlig Neues, Unerwartetes erzählen.“
Und wie gelingt Ihnen das in „Ostfriesennacht“?
„In Norddeich und auf Borkum werden Frauen in ihren Ferienwohnungen attackiert und getötet.“
Genau dann, wenn man sich am sichersten fühlt und entspannen will?
„Ja. Er kommt immer nachts. Deswegen heißt das Buch Ostfriesennacht.“
Ihren Romanen liegt immer ein archaischer Konflikt zugrunde. Was ist es diesmal?
„Kommissar Frank Weller hat den begründeten Verdacht, dass der Serienkiller der Liebhaber seiner Tochter ist.“
Praktisch sein zukünftiger Schwiegersohn?
„Ein Alptraum für jeden Vater. Er möchte natürlich, dass seine Tochter in gute Hände kommt. Etwas Schlimmeres kann sich keiner für seine Tochter vorstellen. Frank Weller sammelt Beweise. Dabei ist aber nicht ganz klar, ob sich hier ein eifersüchtiger Vater verrennt oder ob Weller als Kommissar Dinge wahrnimmt, die die anderen nicht mitkriegen. Die Indizien sind eins, die Bewertung von Indizien etwas anderes. Weller setzt sich mächtig ins Unrecht. Am Ende muss er sogar seine Dienstwaffe abgeben und muss befürchten, keine Freunde mehr zu haben. Er hat Angst, die Liebe seiner Tochter zu verlieren und denkt ernsthaft darüber nach, den zukünftigen Schwiegersohn umzulegen, um seine Tochter zu retten.“
Das nenne ich einen archaischen Grundkonflikt! Auch „Ostfriesennacht“ wird also wieder ein hoch emotionales Buch?
„Kriminalromane sind ja nicht irgendein trivialer Mist. Als ich begann, die Ostfriesenkrimis zu entwickeln, wollte ich ein großes Gesellschaftspanorama schreiben. Ich wollte von unseren Ängsten erzählen, von dem Wahnsinn, der uns manchmal umgibt. Von unseren Absturzstellen und von der Hölle in uns.
Für mich sind Kriminalromane die beste Literatur, um ein genaues Menschenbild zu zeichnen. Es geht ja immer ums Motiv und darum, von Menschen in Krisensituationen zu erzählen. Es geht um ein psychologisch genaues Menschenbild. Hier tapsen keine Klischeefiguren durch eine Geschichte, sondern wir finden uns in den Figuren wieder – das zumindest ist mein Wunsch und mein Ziel.“
Haben Sie deswegen real existierende Menschen als Vorlagen genommen?
„Ich erzähle meine ostfriesische Welt. Das alles gibt es ja wirklich. Das Café ten Cate, das Hotel Smutje, das Mittelhaus, das Vier Jahreszeiten auf Borkum. Und natürlich habe ich auch real existierende Personen in meine Bücher übernommen. Jörg und Monika Tapper vom Café ten Cate – sie sind ja zu real existierenden Helden meiner Bücher geworden, ebenso wie der Journalist Holger Bloem, der Maurer Peter Grendel, die Sängerin Bettina Göschl - der Supermarktleiter Detlef Perner vom Markant-Markt auf Borkum spielt auch mit. Ich fiktionalisiere das Leben realer Personen.“
Wissen diese Menschen das vorher? Fragen Sie die?
„Selbstverständlich. Ich habe zum Beispiel Detlef Perner auf Borkum kennengelernt. Wir waren zusammen essen, haben uns mehrmals getroffen. Ich erlebte ihn als guten Typen, als einen Supermarktchef, der etwas zu erzählen hat. Ich mag ja Menschen, die gern und mit Stolz ihre Arbeit machen. Deswegen bevölkern sie meine Bücher. Die heißen so und die sind so. Aber die Dinge, die sie bei mir erleben, haben sie natürlich in Wirklichkeit nicht erlebt. Niemand verlangt von mir, vorher zu lesen, was ich geschrieben habe. Alle freuen sich darauf, dabei zu sein, fiebern dem Erscheinen entgegen und erfahren dann, was sie wieder erlebt haben.“
Autor:silke sobotta aus Gelsenkirchen |
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