Dr. Dieter Graumann: Judentum ist nicht von gestern
Für die Jüdische Gemeinde in Gelsenkirchen und die Juden in aller Welt begann vor wenigen Tagen das Jahr 5.772. Das Neujahrsfest nahm die Gemeinde zum Anlass, ihrem Gemeindesaal in der neuen Synagoge den Namen des Begründers der Gemeinde nach der Shoah zu geben. Der Saal heißt nun Kurt-Neuwald-Saal.
Von Silke Sobotta
GE. Der Gelsenkirchener Ehrenbürger Kurt Neuwald, der im Jahr 2001 verstarb, wurde 1906 in Gelsenkirchen geboren und kehrte 1945 nach seiner Befreiung aus dem KZ Buchenwald zurück nach Gelsenkirchen. Von den 26 Familienangehörigen überlebten nur sein Bruder Ernst und Kurt Neuwald den Holocaust.
In Gelsenkirchen widmete sich Neuwald dem Neuaufbau jüdischen Lebens in der Stadt, baute den Zentralrat der Juden in Deutschland mit auf und war über viele Jahre Mitglied des Präsidiums und ebenso Mitglied im Vorstand des Jüdischen Landesverbandes von Westfalen-Lippe. Er errichtete an der Von-der-Recke-Straße einen Betsaal für die Jüdische Gemeinde, der bis zum Bezug der Neuen Synagoge der Gemeinde eine Heimstatt war und noch heute der Gemeinde dient.
Wie seine Tochter Judith Neuwald-Tasbach, die heute der Gemeinde vorsteht, in ihrer Begrüßung erläuterte: „Heute erkennt man die Früchte der Arbeit meines Vaters in Gelsenkirchen und weit darüber hinaus.“
Zu seinen Ehren besuchte der Präsident des Zentralrates der Juden, Dr. Dieter Graumann, den Neujahrsempfang der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen und enthüllte gemeinsam mit Oberbürgermeister Frank Baranowski und der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, Judith Neuwald-Tasbach, die Tafel zum Gedenken an Kurt Neuwald und zur Benennung des Gemeindesaals in Kurt-Neuwald-Saal.
„Eine Legende schon zu Lebzeiten“, nannte Dr. Graumann den Gelsenkirchener, dessen Lebenskraft und Begeisterung er großen Respekt zollte. Dr. Graumann zeigte sich beeindruckt von dem, was Kurt Neuwald in Gelsenkirchen erschaffte und auch von den Ehren, die ihm hier zu teil werden, wie der Kurt-Neuwald-Platz und die Gedenktafel. Er war auch angetan von der Begeisterung und Freude der Vorsitzenden der Gemeinde für ihre Arbeit.
Dieses Engagement ist wichtig für das Judentum in Deutschland, denn 90 % der Gemeindemitglieder sind neu und in den letzten 20 Jahren aus den Ländern der ehemaligen UdSSR nach Deutschland gekommen.
„Das bedeutet, dass sich 10 % um 90 % kümmern und diesen helfen, sich in den neuen Gegebenheiten zurechtzufinden. Das ist eine Erfolgsstory“, schilderte Dr. Graumann. Er bezeichnete die „Neuen“ als eine Bereichung für die Jüdischen Gemeinden, aber auch die Gesellschaft, denn „die meisten Juden aus der ehemaligen UdSSR stammen aus dem Bildungsbürgertum und auch ihre Kinder sind enorm bildungshungrig.“
Aber der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschen forderte auch: „Das Judentum mus sich neu erfinden. Die Juden in Deutschland wollen mit einer Stimme sprechen, sich nicht teilen lassen. Sie wollen sich aber auch nicht beherrschen lassen von der düsteren Vergangenheit und nicht reduzieren lassen auf die Opferrolle. Sie wollen muntere Impulsgeber sein und nicht nur laut sagen, wogegen sie sind, sondern auch, wofür.“
Der erst seit kurzer Zeit im Amt befindliche Präsident rief das Judentum dazu auf, sich „moderner und frischer zu positionieren, weil es eine Schatztruhe positiver Emotionen ist. Das Judentum ist nicht von gestern, es ist auch heute und wird in Zukunft sein.“
Für den Vorstand des Jüdischen Landesverbandes von Westfalen-Lippe hielt Sharon Fehr eine Ansprache und freute sich „über den bedeutenden Namen, den der Gemeindesaal erhält.“ Auch er erinnerte an Kurt Neuwald, den er als „fröhlichen und entschlossenen Menschen, der voller Zuversicht in die Zukunft blickte“, schilderte und „dem es zu veranken ist, dass es in Deutschland lebendige Jüdische Gemeinde mit Kindern und ihren Eltern gibt.“
Autor:silke sobotta aus Gelsenkirchen |
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