Don Quichotte: Am Ende der Träume (mit Video)

„Don Quichotte“ ist noch lange nicht zu Ende, wenn der Vorhang fällt; erst im Nachhinein entfaltet dieses Musiktheaterstück über den menschlichen Zustand, seine Wirkung - und ist dabei voller Menschlichkeit.

Schon bei Beginn wird klar: „Don Quichotte“ ist eine Oper der leisen Töne. Natürlich beinhaltet die heroische Komödie auch bombastisch große Sequenzen, in denen die geballte Stimmkraft des Chores begeistert - doch der Unterton der Oper ist ein sehr feiner, zerbrechlicher;fast wie der Protagonist selbst. So eröffnet das Stück statt mit einer Ouvertüre mit einem Cello-Solo, das einen ahnen lässt, was für Sehnsüchte sich in den nächsten zwei Stunden auf der Bühne entfalten werden.

Blick in eine demente Welt

Mitunter lässt die Oper Struktur vermissen, was ihre Wirkung nur noch verstärkt: Sie ist sperrig, verwirrend und fordert den Zuschauer, seine Fantasie zu nutzen, um die Don Quichottes zu verstehen. Denn der Regisseurin, Elisabeth Stöppler, ist es wirklich gelungen, uns in die Welt eines alten, sich langsam demenziell verändernden Mannes zu entführen.

Für dieses gelungene Gesamtbild zieht Stöppler auch alle Register: neben einer brillanten gesanglichen Sololeistung von Almuth Herbst (Dulcinée) überzeugt Krzysztof Borysiewicz (Don Quichotte) vor allem schauspielerisch als alternder, später gebrochener, Mann. Seine Leistung führt dazu, dass das Publikum eine Empathie für seine Rolle entwickelt, wie man sie sonst nur von den großen tragischen Opernpartien kennt.

Lebendiges Bühnenbild

Das Bühnenbild ist lebendig - fast möchte man organisch sagen - und verändert sich mit seinem Protagonisten. Das Haus, das zu Beginn voller Erinnerungen ist, zersetzt sich langsam; sinnbildlich für den Verstand seines Bewohners.

Auffallend eigensinnig ist die Beleuchtung der Bühne bei dieser Inszenierung. Während manche Bilder fast überbeleuchtet wirken, greller und schriller als die Realität, baut auch das Licht mit zunehmender Zeit ab, bis nur noch ein kränklich-bläulicher Spot den sterbenden Don Quichotte festhält.

Doch während sich Bild und Charaktere zunehmend zersetzen und schwinden, nimmt die Musik Fahrt auf. Nach der Pause bieten sich dem Besucher Melodien, die ihresgleichen suchen. Dann hat auch Joachim Gabriel Maaß (Sancho Pansa) seinen großen Auftritt, wenn er das „traumhafte“ Erbe Don Quichottes antritt.

Realität statt Windmühlen

Ein sperriges, zum Teil unbequemes Stück, das aus Menschlichkeit große Poesie macht. Denn hier wird nicht gegen Windmühlen, sondern gegen den Alptraum, der sich Realität nennt, gekämpft. Schlussendlich stellt die Oper nur noch eine Frage in den Raum: Was bleibt, wenn alle Erinnerungen gelebt, alle Träume geträumt sind? Hoffentlich ein nächstes, großes Abenteuer, das sich in der Dunkelheit namens Tod verbirgt.

Hier gibt es Karten

Karten für eine der noch sieben Vorstellungen von „Don Quichotte“ am Musiktheater im Revier gibt es an der Theaterkasse des MiR, Tel. 40 97 200, oder über www.musiktheater-im-revier.de.

Ein kleiner Einblick: