„Die Zechen sind Gelsenkirchens Juwelen“
„Im Alleingang aber nicht allein“ machte sich Ullrich Tyrichter auf den Weg „einen kleinen Impuls zu geben für eine große Stadt“ und fand es anregend, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, die die Basis für die Gelsenkirchener Stadtgeschichte darstellt. Denn „Gelsenkirchen hat mehr zu bieten als nur Nachkriegsgeschichte und Strukturwandel“, weiß Tyrichter.
Seit 44 Jahren ein Leben mit der Kamera
Und der Gelsenkirchener weiß wovon er redet, denn er verfolgt seit 44 Jahren die Geschicke der Stadt, erkundet ihre Geschichte, deckt Kleinode auf, die von den meisten unentdeckt bleiben und geht mit offenen Augen und seiner Kamera als stetigem Begleiter durch „sein“ Gelsenkirchen.Denn die Stadt ist ihm zur Heimat gewonnen und das mit allem, was das Wort Heimat im eigentlichen Sinne beinhaltet.
Die "Liebe" zu Consol begann im zarten Alter
Mit 15 Jahren kam Ullrich Tyrichter nach Gelsenkirchen, um auf der Zeche Consolidation seine Ausbildung als Starkstromelektriker anzutreten. Etwa zu der Zeit „vererbte“ ihm einer seiner drei älteren Brüder eine Kamera, die damit zum treuen Begleiter des jungen Mannes wurde. Er blieb der Stadt treu, weil sie auf historischem Boden steht und viele historische Gebäude beheimatet.
Inzwischen blickt der Gelsenkirchener auf die Studien der Sozialpädagogik mit Schwerpunkt Kunsttherapie und Medienpädagogik sowie Architektur zurück. Und so wie er auf seinem Berufsweg nicht stehen geblieben ist, so entwickelte sich auch seine Sammlung an Fotos der Stadt, ihrer Straßen und Gebäude und nicht zuletzt auch der Zechen.
Anfänge von Kohle und Stahl mitten in Schalke
Letztere stellen für Ullrich Tyrichter ein ganz besonderes Fotomotiv dar, denn sie sind die Zeichen der Entwicklung des Dorfes Gelsenkirchen zur Großstadt. „Um 1840 begann der Ingenieur Ludwig von Oven mit ersten Bohrungen für die Zeche Hibernia im Bereich des Wiehagen. Damit begründete er die Bergbaugeschichte der Stadt“, erzählt der kundige Gelsenkirchener. „1863 legte dann der Visionär Friedrich Grillo den Grundstein für die Großstadt Gelsenkirchen indem er mit den Abteufarbeiten auf Schacht 1 der Zeche Consolidation in Schalke begann. Damit war der berühmteste Stadtteil Europas geboren.“
Darum ist sich Tyrichter auch sicher, dass Schalke mehr zu bieten hat als nur den berühmten Fußballbundesligisten. Wobei die Geschichte der Schalker Zeche Consolidation sehr eng verwoben ist mit dem Knappenverein, der nicht umsonst oft so bezeichnet wird. Denn die einstiegen Größen wie Kuzorra, Szepan und Co. verdienten ihr täglich Brot zu Anfang nicht mit dem Fußball, sondern mit ihrer „Maloche“ auf der Zeche. Schließlich entstand der FC Schalke 04 aus der Werkself der Zeche Consolidation.
Aber auch Grillo setzte seine Visionen um mit dem Blechwalzwerk, der Gewerkschaft Grillo-Funke & Co. Auf sein Konto gehen aber auch viele der anderen wirtschaftlichen Stützen der Stadt, die noch heute auf dem alten Bahnhofsfenster zu sehen sind: Stahl, Glas, Chemie, Maschinenbau und das Gas- und Wasserwerk.
„Consol hat einfach Kultstatus“
Im vergangenen Jahr feierte man auf Consolidation den 150. Geburtstag. Den runden Jahrestag hat Tyrichter knapp verpasst, aber weil er der Ansicht ist, dass Consolidation weltweite Bedeutung verdient hätte, ohne Weltkulturerbe zu sein wie Zollverein, das nun Besucherströme zählt, denn Consol hat Kultstatus nicht nur für die Stadt Gelsenkirchen, hat er fünf Jahre lang gesucht und gearbeitet, um nun eine Ausstellung präsentieren zu können.
Dabei herausgekommen sind 150 Motive aus 150 Jahren Consol und die damit verbundenen Schächte im Postkartenformat. Quasi eine Postkarte pro Jahr Zeche Consolidation. Möglich wurde diese beachtliche Sammlung durch Tyrichters Ausdauer und die Hilfe vieler Vereine und Organisationen in Gelsenkirchen, die sich der Stadtgeschichte und Zechenvergangenenheit widmen. So wurde Tyrichter unterstützt durch Exponate des Postkarten-Sammlers Volker Bruckmann, des Heimatbundes, des Intitiativkreises Bergwerk Consolidation, der Bergbausammlung Rotthausen, des Instituts für Stadtgeschichte und vieler Fotografen und Leihgeber.
„Six Days a week“ und 25 Wochen lang Consol
In Anlehnung an den Beatles-Song „Eight days a week“ hat Tyrichter seine Präsentation der 150 Postkartenmotive „Six Days a Week“ getauft. Zu sehen sind die Exponate ab Freitag, 7. Februar, ab 17 Uhr im Schaufenster des Optikers Oppermann an der Hauptstraße 16. Jeweils an sechs Tagen in der Woche und da über 25 Wochen lang kann in dem Schaufenster auf einer speziell dazu gestalteten Staffelei täglich eine andere Postkarte besichtigt werden.
Parallel dazu gibt es im Geschäft auch großfortmatige historische Ansichten der Hauptstraße zu sehen, die dazu anregen sie mit den heutigen Gegebenheiten zu vergleichen. Denn auch diese hat einen großen geschichtlichen Wert für Gelsenkirchen.
„Die Hauptstraße hieß früher Hochstraße und befand sich mitten im Kern des Dorfes Gelsenkirchen, das ja im Umfeld der Kirche entstand. Damals war sie eine Handwerkerstraße und auch der Ingenieur Ludwig von Oven wohnte dort. Noch heute erinnert eine Gedenktafel am Haus Nummer 13 an den Mann, der den Grundstein zur Bergbaugeschichte in Gelsenkirchen legte mit seiner Probebohrung“, berichtet Tyrichter.
Chance für Neugierige: 150 auf einen Streich
Wer zu neugierig ist, um die 25 Wochen abzuwarten, der hat ab Dienstag, 11. Februar, immer dienstags von 14 bis 19 Uhr die Chance, die Postkarten en XXX zu sehen. Denn in der Bergbausammlung Rotthausen an der Belforter Straße 20 werden sie quasi am Stück präsentiert.
Die Intention hinter den Postkarten
Ullrich Tyrichter ist sich sicher, dass die Zechen nach der großen Depression wieder an Ansehen gewinnen, ebenso wie andere alte Werte. „Das Hans-Sachs-Haus ist ein solches Zeichen der Rückbesinnung auf die alten Werte“, erklärt Tyrichter.
Ähnlich äußerte sich beim Neujahrsempfang der Stadt Gelsenkirchen auch der Vorstandsvorsitzende der RAG-Stiftung, Dr. Werner Müller, als er forderte: „Die Kinder und Enkel sollten heute und auch in Zukunft stolz darauf sein, dass ihr Vater oder Großvater im Bergbau gearbeitet hat. Denn der Bergbau hat die Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik gestärkt und bestimmt!“
Hauptsache: Tyrichter gehen nicht die Ideen aus
Und weil aus seiner Sicht Gelsenkirchen nicht „durch Reichtum, sondern durch Engagement an Identität gewinnt“, wird er sich auch weiterhin engagieren.
Vielleicht richtet er bei seinem nächsten Projekt sein Augenmerk auf das, was inzwischen auf Consol entstanden ist. Denn während in Schalke auf den Schächten 1/4/6 neue Arbeitsplätze in neuen Gewerken entstanden sind, wird auf 3/4/9 in Bismarck Theater gespielt, es wird Musik gemacht und die Geschichte wird lebendig gehalten. Kultur gibt es auch auf Schacht 8, der ehemaligen Zeche Oberschuir, wo sich heute der stadt.bau.raum befindet und das moderne Kulturgut an historischer Stätte lebendig werden lässt.
Autor:silke sobotta aus Gelsenkirchen |
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