Die Tragödie vor Augen geführt

Die Al-hadj Djumaa gehört der gemeinnützigen Vereinigung „Rederij Lampedusa“ aus Amsterdam, die damit thematische Grachtenfahrten zu Flucht und Vertreibung anbietet. Sie war im Sommer 2013 mit 217 Eritreern und 65 Äthiopiern an Bord aus Ägypten gekommen und wurde vor Lampedusa von der italienischen Küstenwache beschlagnahmt. Die Bronzefiguren an Bord sollen die damaligen Flüchtlinge repräsentieren. Und auch wenn es „nur“ 70 Figuren sind, erscheint das Boot bereits gut gefüllt. Foto: Gerd Kaemper
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  • Die Al-hadj Djumaa gehört der gemeinnützigen Vereinigung „Rederij Lampedusa“ aus Amsterdam, die damit thematische Grachtenfahrten zu Flucht und Vertreibung anbietet. Sie war im Sommer 2013 mit 217 Eritreern und 65 Äthiopiern an Bord aus Ägypten gekommen und wurde vor Lampedusa von der italienischen Küstenwache beschlagnahmt. Die Bronzefiguren an Bord sollen die damaligen Flüchtlinge repräsentieren. Und auch wenn es „nur“ 70 Figuren sind, erscheint das Boot bereits gut gefüllt. Foto: Gerd Kaemper
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Am Anleger Nordsternpark, wo sonst die Ausflugsschiffe ihre Fahrt über den Rhein-Herne-Kanal antreten, lag dank „Outlaw. die Stiftung“ einen Tag lang das ehemalige Flüchtlingsschiff Al-hadj Djumaa an. Rund um diese eintägige Station des Bootes auf seiner Reise durch die Republik veranstaltete das Kommunale Integrationszentrum Gelsenkirchen ein Fest.

Auf dem Gelände vor dem Amphitheater präsentierten die Träger der Flüchtlingshilfe in Gelsenkirchen ihre Arbeit, baten um weitere ehrenamtliche Unterstützer und sorgten für einen Markt der Möglichkeiten.
Während auf der Bühne ein abwechslungsreiches Programm geboten wurde, sorgten die verschiedenen Stände für das leibliche Wohl, die Unterhaltung der Kinder und ein wenig Farbe in den Kinderzimmern.
So verteilte der Ziegenmichel bunte Pflanzen, die die Kinder mit nach Hause nehmen sollten, um ihr Kinderzimmer zu verschönern, aber auch zu lernen, sich um die Pflanzen zu kümmern, auf dass sie wachsen und gedeihen. Am Ende zierten die Bierzelttische, Kinderwagen und Körbe die bunten Blumen und sorgten für strahlende Gesichter, nicht nur bei den Kindern.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Jürgen Hansen, dem Vorsitzenden des Vereins Taskforce Flüchtlingshilfe Gelsenkirchen, der das Fest als „Schulterschluss im Zeichen der Integration“ bezeichnete. Er lud die Anwesenden ein, das Schiff in Augenschein zu nehmen, die darauf installierten Bronzefiguren zu betrachten und sich dabei vorzustellen, dass dort nicht nur diese 70 „Flüchtlinge“ an Bord waren, sondern zu Hochzeiten der Flüchtlingswelle bis zu 285. Jeder von ihnen hatte dann rund 25 Quadratzentimeter Platz und das Schiff war den Bedingungen des Mittelmeeres mit Wellengang und Sturm ausgeliefert.
Die Gelsenkirchener Kulturdezernentin Annette Berg begrüßte die Anwesenden im Namen der Stadt Gelsenkirchen und wünschte allen, dass dieses Feste Gelegenheit bieten würde, miteinander ins Gespräch zu kommen: „Wir brauchen Menschen und Initiativen, die Ebenen schaffen, damit Neubürger und Alteingesessene miteinander ins Gespräch kommen.“
An vielen Stellen ist das bereits gelungen, wie beim Ehepaar Elke und Bernd Besterda, die ihr Flüchtlingspatenkind, den 36-jährigen Ahmed, inzwischen wie einen Sohn zu ihrer Familie zählen. „Ich verstehe nicht, warum viele Deutsche die Neubürger nicht akzeptieren“, rätselt Bernd Besterda, dem seit langem klar ist, dass die Flüchtlinge hier nicht das Land suchen, in dem Milch und Honig fließen, sondern in dem sie friedlich leben können.
„Meine Frau ist auch bei der Gelsenkirchener Tafel aktiv und kürzlich hat sie ihre Frauen zu uns zum Essen eingeladen. Ahmed hat die Damen bekocht und alle waren begeistert. Wir freuen uns, dass Ahmed eine Ausbildungsstelle zum Altenpfleger in Aussicht hat, das würde ihm sehr liegen. Er kümmert sich jetzt schon um andere Flüchtlinge und hilft ihnen bei den Dingen des täglichen Lebens, Amtsgängen und mehr, weil er sich inzwischen auskennt“, freut sich der Flüchtlingspate.
Wenn man Leih-Opa Wolfgang Kapschinski mit der 17 Monate alten Huner auf dem Arm sieht, die voller Vertrauen in ihn tief schläft, dann weiß man, dass es mit der Integration klappen kann. „Ich habe die Familie beim Sardellenfest am Wissenschaftspark im letzten Jahr kennen gelernt und fühle mich als Leih-Opa sehr wohl“, strahlt der Rentner und erzählt, dass die zehnjährige Schwester direkt in eine Regelklasse eingeschult wurde und nun auf die Realschule wechselt. Der siebenjährige Bruder der kleinen Huner besucht die zweite Klasse und ist auch schon richtig gut in der Schule.
Währenddessen läuft das Bühnenprogramm weiter und die Musik mit einem Dudelsack, wie man ihn auch von der Schwarzmeerküste her kennt, sorgt für große Tanzfreude. Zu Tränen gerührt zeigte sich Jürgen Hansen als Flüchtling aus der ehemaligen DDR, als der Syrer Maarouf Haj Mohammad den Karat-Klassiker „Über sieben Brücken musst Du gehen“ anstimmte und sich selbst auf der Saz begleitete.
Auch die kleine Fateme trug, musikalisch von ihrem Vater untermalt, ein Gedicht vor. Die 13-Jährige stammt aus dem Iran, lebt seit sechs Monaten in Gelsenkirchen und spricht ebenfalls gutes Deutsch.
Richtig professionell wurde es, als die internationale Tanzgruppe mit Gästen aus aller Welt, die durch eine Kooperation des Internationalen Jugendgemeinschaftsdienstes mit den Jugendzentrum Buer und Tossehof in Gelsenkirchen ein Workcamp besucht hatten, nun unter Beweis stellten, was sie unter Anleitung von professionellen Choreografen gelernt haben.

Flüchtlings-Paten werden weiter gesucht

Übrigens: Die Patenschafts-Koordinatorin Brigitte Becker sucht weiterhin Flüchtlings-Paten. Wer Interesse hat, der kann sich gern bei ihr melden unter Telefon 0157-34836401 oder per Mail an patenschaft@awo-gelsenkirchen.de. 

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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