Atemberaubender Ballet-Abend im Musiktheater
Mit einem fulminanten Auftakt startete das neue Ballett im Revier in die aktuelle Saison. Mit ihrem abwechslungsreichen Programm „Der Erste Gang“ tanzte sich die neue Truppe in die Herzen des MiR-Publikums - und bekam Standing Ovasions.
Der Saal des Musiktheaters ist gut gefüllt bei der Ballettgala, viele Zuschauer scheinen auf diese „Neuheit“ gespannt zu sein. Auffällig sind auch die vielen jungen Gesichter im Publikum: besonders die Jugend scheint sich für die tanzende Kunstform zu interessieren.
Generalintendant Michael Schulz ist selbst ziemlich aufgeregt während seiner kurzen Einführung: „Keine Sorge, ich tanze nicht,“ scherzt er noch, „Aber so ein Abend wie heute ist ein bisschen wie Weihnachten für uns.“ Eine schlechte Nachricht gab es jedoch: während der intensiven Probezeit der letzten Tage hatte sich ein Tänzer, Iván Gil Ortega, eine Verletzung zugezogen, wodurch die Choreographie „On the Nature of Daylight“ leider nicht zu sehen ist an diesem unvergesslichen Abend.
Eröffnet wird die Gala mit einem kurzen Intro, bei dem alle neuen Tänzer durch die Seiteneingänge hereinsprinten, in Frack und Hut, bevor sie wieder hinter dem Vorhang verschwinden. Dieser lüftet sich anschließend für die erste Choreographie des Abends, „La Grande Parade Du Funk“, choreographiert von Bridget Breiner selbst. In dieser sehr lässigen, coolen Nummer stellen sich zwei Neuzugänge der Truppe vor: Kanadierin Aidan Gibson und US-Amerikaner Joseph Bunn. Beide sprühen vor Lebensfreude und verbinden zu funkiger Musik Modern Dance mit klassischem Ballett.
Die „Architektur der Stille“, lediglich auf einem kleinen Licht-Rechteck getanzt von Ballettmeisterin Bojana Nenadovic, wird erst spät von einem Violinen-Solo untermalt, später auch mit Solo-Gesang unterlegt. Das experimentelle Stück zeigt vor allem die Kraft und Eleganz des Balletts. Nicht weniger experimentell ist „Sirs“, eine weitere Choregraphie von Bridget Breiner selbst, getanzt von Maiko Arai, Fabio Boccalatte, Min-Hung Hsieh und Hugo Mercier. Zu Western Musik von Nina Simone wird in dem Pas de Quatre die Beweglichkeit der Tänzer in den Vordergund gestellt, genauso wie ihre Harmonie.
Besonderes Highlight: „Cultural Cannibalism“
Ein ganz besonderes Highlight des Abends ist die Uraufführung von „Cultural Cannibalism“, getanzt von Junior Demitre. Der Tänzer bewegt sich von Spotlight zu Spotlight, über die gesamte Bühne, vollführt Drehungen, akrobatische Bewegungen und Sprünge. Zur White Noise mit Streicher-Quartett gesellen sich auch bald Trommeln, und schon sehen wir Elemente des Latin-Dance; die Wurzeln des brasilianischen Demitres, der hier seine Herkunft zelebriert.
Auch streng klassisches Ballett ist zu sehen
Gefolgt wird das äußerst moderne Stück von einer sehr klassischen Ballett-Choreographie zum „Adagietto“der fünften Sinfonie Gustav Mahlers. Bojana Nenadovic und Wieslaw Dudek sorgen in diesem Pas de Deux über Freiheit und Abhängigkeit für Gänsehaut.
„In the middle, somewhat elevated“ zeigt was das moderne Ballett zu bieten hat. Besonders Company-Neuzugang Kusha Alexi beeindruckt hier.
Eine weitere Uraufführung an diesem Abend ist „Weißer Schatten“, wundervoll getanzt von Alina Köppen und Joseph Bunn. Der Zuschauer wird hier durch orientalische Klänge und Schnee auf der Bühne in eine Fantasiewelt versetzt, in der die kraftvolle Eleganz des Balletts hervorragend zur Schau gestellt wird.
Nach der Pause, in der eine Videoinstallation mit sieben Bildschirmen der Publikumsmagnet schlechthin ist, auf denen Video-Portraitaufnahmen aller Tämzer gezeigt werden, warten noch drei außergewöhnliche Stücke auf das Publikum.
„Fugaz“, Sternschnuppe, ist ein sehr ausdrucksstarkes Stück, mit atemberaubend schönen Soli und Duetten. Zum ersten Mal am Abend ist hier auch Neuzugang Xiang Li auf der Bühne zu sehen.
Bridget Breiner selbst tanzt „Tué“, ein Solo mit starkem Fokus auf dem Oberkörper. Es erinnert mehr an Ausdruckstanz als an Ballett, wird untermalt von traurig-schönen französischen Chansons und versprüht so seinen ganz eigenen Charme.
Als krönender Abschluss wird den Zuschauern „Blau Blue Bleu“ gezeigt, Breiners Choreographie für das gesamte Ensemble. Begleitet wird der Dreiakter, der von Ives Kleins Ideenwelt inspiriertet wurde, von einem Streicherquartett der Neuen Philharmonie Westfalen, die Antonín Dvoráks 12. Streichquartett spielen. In der klassisch-modernen Ballettchoreographie wird besonders die Harmonie der neuen Truppe in den Vordergrund gerückt.
Standing Ovasions für das neue Ballett im Revier
Die Standing Ovasions sprechen Bände darüber, wie das neue Ballett im Revier beim Publikum angekommen ist an diesem Abend. Das abwechslungsreiche Programm in Trikots statt Tütüs hatte einen ausgezeichneten Spannungsbogen und kann definitiv auch für Zuschauer, die den „Ersten Gang“ in ein Ballettsstück machen, empfohlen werden. Karten gibt es wie immer direkt beim Musiktheater im Revier auf www.musiktheater-im-revier.de oder unter Tel. 40 97 200.
Autor:Deborrah Triantafyllidis aus Gelsenkirchen |
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