Annette Berg: "Kultur ist das Ferment der solidarischen Stadtgesellschaft"

Trotz des eher ungewöhnlichen Termins mitten in der Woche fanden sich viele Kulturschaffende in der "flora" ein. Darunter befand sich auch wie immer Oberbürgermeister Frank Baranowski. Foto: Gerd Kaemper
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  • Trotz des eher ungewöhnlichen Termins mitten in der Woche fanden sich viele Kulturschaffende in der "flora" ein. Darunter befand sich auch wie immer Oberbürgermeister Frank Baranowski. Foto: Gerd Kaemper
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Der 20. Kulturempfang der Stadt Gelsenkirchen fand in diesem Jahr ungewöhnlich spät statt, doch Kulturdezernentin Annette Berg hatte recherchiert und festgestellt, dass der Empfang historisch betrachtet nicht terminlich gebunden ist. Und so fanden sich mit gefühlter fünfwöchiger Verspätung auch viele Kulturschaffende dazu in der „flora“ ein.

Kultur wächst zusammen

Und wie die Leiterin des Kulturraums „die flora“ Wiltrud Apfeld in ihrer Begrüßung feststellte, verfolgte das winterliche Wetter den Kulturempfang auch in den Frühling.
Wie sehr Kunst und Kultur in Gelsenkirchen ineinander greifen, bewies auch die Tatsache, dass einer der neuen Bewohner des Projektes „ninety6“, des Jungen Wohnens im Kreativgebiet Bochumer Straße direkt als Fotograf für den Abend in die Pflicht genommen wurde. Ole-Kristian Heyer ist Student im Fachbereich Fotografie der Folkwang Universität der Künste und lebt in der Bochumer Straße 96.
Wiltrud Apfeld erinnerte an die Verstorbenen des letzten Jahres und bat um eine kurze Schweigeminute. Sie hob dabei drei bekannte Gelsenkirchener besonders hervor: den Kulturredakteur Hans-Jörg Loskill, den Bibliothekar Ulrich Spiegelberg und die Künstlerin Rita Theis.

Kulturszene hat keine Nachwuchssorgen

Der musikalische Teil des Abends lag in den Händen eines Nachwuchs-Musikers: Der erst 14 Jahre alte Jonas Passenberg ist Schüler von Dietmar Schmal an der städtischen Musikschule und bereits Preisträger von „Jugend jazzt“.
Jonas Passenberg erhielt für seine Darbietung der Musikstücke „502 Blues“ von Wayne Shorter und „Guataca City“ von Paquito d‘Rivera auf dem Saxophon in der Altersgruppe I der bis 14-Jährigen knapp 24 Punkte und einen ersten Preis bei „Jugend jazzt“ und war damit qualifiziert für das Preisträgerkonzert im Dortmunder Jazzclub „domicil“, das im Februar stattfand. Neben seinen beiden Preisträgerstücken begeisterte der Nachwuchsmusiker auch noch mit „Autumn Bliss“ und „Fly me to the moon“.
Annette Berg zeigte sich nicht nur von der musikalischen Darbietung des jungen Herrn beeindruckt, sondern auch von der Tatsache, wie cool er einen Technikausfall managte und bemerkte: „Wir wereden sicher noch öfter von Dir hören!“
In ihrer Rede erinnerte Annette Berg an den ersten Kulturempfang vor 20 Jahren, der ein Programmpunkt der damaligen Reihe „Demokratie lebt vom Widerstand“ war. So geht die Entstehung des Empfanges darauf zurück, daran zu erinnern, was die Aufgabe von Kunst und Kultur in der Stadtgesellschaft ist.

Kultur und gesellschaftliche Entwicklung

„Und heute, so denke ich, angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und ihren besonderen Auswirkungen auf Gelsenkirchen, ist der Empfang in dieser Funktion aktueller denn je. Deshalb habe ich auf der Einladung neben dem Statement über die Funktion von Kultur die „solidarische Stadtgesellschaft“ angesprochen“, erklärte Berg.
Die Kulturdezernentin lobte, dass sich die Kulturanbieter wie auch die Kulturschaffenenden als Teil einer solidarischen Stadtgesellschaft verstehen und sich ihre Arbeit immer an den besonderen Lebensbedingungen der Menschen in Gelsenkirchen orientiere.
Sie bezeichnete die Kunst und Kultur als das Ferment in dieser solidarischen Stadtgesellschaft, das kulturelle Teilhabe und Partizipation möglich macht und das die stadtgesellschaftliche Verständigung, den Diskurs über Werte und Normen organisiert.
Wie wichtig dieses Engagement ist, zeigen aus Sicht von Annette Berg die jüngsten Wahlergebnisse, die bezeugen, dass „offenbar jene Kräfte immer mehr Zulauf bekommen, denen es nicht um die Solidarität mit allen Menschen geht. Jene Kräfte, die ausgrenzen, die eindimensional zuordnen, die Menschen und Kulturen be- und entwerten.“
Annette Berg sieht es als Teil der „kulturellen Bildung, der Lebens- und Herzensbildung, ob und wie man mit Fremdem, mit Neuem, mit Ungewohntem umgeht, wo und wie man offen ist und auch die richtigen Grenzen zieht.“

Kultur als Teil der Gesellschaftspolitik

Darum ist für sie kommunale Kulturpolitik mehr als nur das Zeigen von Kunstwerken, Ausleihen von Büchern oder das Spiel von Theater und Musikstücken: „Sie ist Gesellschaftspolitik in der Gegenwart und für die Zukunft.“
Damit verwies sie auf das kürzlich veröffentlichte Positionspapier des deutschen Städtetages „Kulturpolitik als Stadtpolitik“. Anhand der vier Punkte „Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik“, kulturelle Politik muss als Teil ganzheitlicher Bildung ein strategisches Handlungsfeld und ein integraler Bestandteil der kommunalen Bildungslandschaft sein“, „Kulturpolitik ist gestaltende Entwicklung der Stadt“ und „Das kulturelle Erbe ist Gedächtnis und die Ressource der Stadtgesellschaft“ erläuterte sie die vier Prämissen, die in dem Positionspapier erarbeitet wurden.
„Sie sind meine Leitlinien für die kommunale Kulturarbeit, und werden in vielen lokalen Zusammenhängen eine Rolle spielen“, versprach die Dezernentin. Und ebenso, dass sie kulturelle Strukturen langfristig und verlässlich sichern möchte.
Zum Stichwort „kulturelle Bildung“ erklärte Berg, dass sie darin mehr sehe als nur die Vermittlung von Kunsttechniken. Hier hat sie begonnen, in einem Arbeitskreis städtische Kräfte zu bündeln und möchte die Vernetzung der freien Träger vorantreiben ebenso wie das Thema Talentförderung. „Mit dem landesweit erstem diversitätsbewussten Konzept für kulturelle Bildung wollen wir die Weichen stellen, um unsere Kräfte noch stärker zu bündeln mit dem Ziel der Entwicklung und Entfaltung von neuen Perspektiven für Kinder und Jugendliche“, erklärte die Dezernentin. 

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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