Adventszeit - laut oder besinnlich?
Der November 2011 war in Gelsenkirchen so regenarm, sonnig und warm wie selten zuvor. Nur langsam sank die Außentemperatur in den vergangenen zwei Wochen in Richtung Winterkühle. Der Adventsbeginn stand trotz meteorologischer Ausnahmebedingungen dennoch an. Das führt den Stadtspiegel zu der Frage: Wie feiert die Welt Advent?
Der Duft von Zimt und Orangen vermischt sich mit dem Tannenduft der Adventsdekoration. Im Backofen färben sich die Vanillekipferl ins Goldgelbe, die frischgebackenen Makronen kühlen auf dem Fenstersims aus und erfüllen den Raum mit vorweihnachtlicher Stimmung. Zwei Kerzen am Adventskranz verbreiten flackerndes, wohliges Licht in der Stube. Der Glühwein dampft in der Tasse und weckt die Vorfreude auf das große Fest. Viele Gelsenkirchener werden sich in diesem Dezemberszenario wiederfinden können. Aber wahrscheinlich nicht alle. Schon innerhalb Deutschlands gibt es Unterschiede: Den Stutenkerl findet man derzeit hinter den Theken aller Bäckereien des Ruhrgebiets – teilweise schon seit St. Martin. Wohingegen man in Süddeutschland eher „Springerle“ als traditionelles Adventsgebäck vorfinden würde.
Springerle und Spekulatius
Springerle sind den Spekulatius, die aus Belgien und den Niederlanden stammen, sehr ähnlich. Der Teig wird bei beiden Gebäcken vor dem Backen mit einem Motiv versehen. Hierzu dient eine aus Holz geschnitzte Form, die wie ein Stempel auf den Teig gedrückt wird. Die Spekulatius haben ihren Namen aufgrund dieses in den Text geprägten Bildes erhalten. Er leitet sich von der lateinischen Bezeichnung für Bischof „speculator“ ab. Denn ein Bischof war auf den belgischen/holländischen Keksen zu sehen – die übrigens dort ganzjährig gegessen werden. In Süddeutschland entstand das „Springerle“ aus der Hostienherstellung und trug daher auch christlich-religiöse Motive wie eine Hochzeitkutsche, Taufe, Pfingsten oder Weihnachten. Heute gibt es das Bildgebäck aber auch mit modernen Motiven wie Windmühlen oder Tieren.
Smörgåsbord und Glögg
Menschen aus rund 130 Nationen leben in Gelsenkirchen. Nicht alle davon begehen Advent, da es sich bekanntlich um einen christlichen Brauch handelt. Trotzdem lohnt sich der Blick auf die verschiedenen Adventstraditionen unserer Mitbürger aus anderen Ländern. In der Vorweihnachtszeit darf in Schweden das „saffransbröd“ nicht fehlen. Dieses Hefegebäck mit Rosinen wird mit kreativ in vielen Varianten gebacken. Beim Backen helfen sogenannte Tomare. Das sind kleine dienstbare Hausgeister. Als Dank stellen die Schweden ihnen einen süßen Milchbrei vor die Tür. Am 13. Dezember ist in Schweden das Lucia-Fest. Traditionell bringt ein weißgekleidetes Mädchen mit einem Kranz mit brennenden Kerzen auf dem Kopf das Frühstück ans Bett, wozu auch das Safranbrot gehört. Eine weitere skandinavische Spezialität ist der Glögg, eine Art Glühwein mit Mandeln und Beeren, der in kleinen Bechern serviert wird.
Adventszeit ist Fastenzeit
Viele Gelsenkirchener sind Polen oder haben polnische Vorfahren. Die polnische Adventszeit beginnt mit dem Andreas-Abend am 30. November. An diesem Tag werden in geselliger Runde alte Bräuche gepflegt. Etwa das Träufeln von Wachs auf Papier, um aus den Wachsfiguren in die Zukunft zu sehen. Mit dem ersten Advent beginnt hier das Fasten, das erst am Heiligen Abend mit dem Weihnachtsmahl, einem festlichen Bankett aus zwölf Gängen, endet. Diese zwölf Gänge sollen symbolisch an die zwölf Jünger Jesu erinnern.
Vorweihnachtliches Feiern
Die mexikanischen Mitbürger werden vielleicht auch in Gelsenkirchen die sogenannten Posadas feiern. Zwischen dem 16. und 24. Dezember feiert man diese Hausfeste mit Familienmitgliedern, Freunden und Nachbarn. Man trinkt dabei„ponche“ (Punsch), isst „tamales“ (mit Fleisch und Käse gefüllter Maisteig). Die Posadas (posada heißt Gasthaus) gehen auf die biblische Geschichte von Maria und Josef zurück, die vergeblich eine Herberge suchten. Deswegen verkleiden sich Erwachsene und Kinder für die Posadas als Pilger und singen Lieder vor der Türe ihrer Gastgeber, um Einlass zu bekommen.
Zwölf Tage mit Familie und Freunden
Advent gibt es in Kanada nur in den Kirchen. „Wir feiern Advent nicht außerhalb der Kirchen. Kränze gibt es schon, aber sie haben nicht die Bedeutung wie hier in Deutschland“, sagt Mark Murphy, kanadischer Sänger des Musiktheaters im Revier. Am 24. Dezember besucht man spätabends die ‚Midnight Mass‘. Die Bescherung und das große Feiern fängt dann aber erst am 25. Dezember an. Während der zwölf Tage bis Heilige drei Könige wird mit der Familie und Freunden gefeiert – ganze zwölf Tage lang. „Eine typischer Brauch bei uns in Neufundland ist ‚Mummering‘. Eine Gruppe von Freunden verkleidet sich (Männer als Frauen und umgekehrt) und geht von Tür zur Tür, spielt Musik, macht Lärm etc. Dafür bekommen Sie Kuchen, Torten, Süßigkeiten und Rum. Es wird gesungen und die Hausbesitzer versuchen zu erraten, wer sich hinter der Verkleidung steckt.
Deftige Festgelage
Es gibt zwar nur wenige Esten in Gelsenkirchen, aber Advent in Estland ist ein lautes und lustiges Fest, das soll hier nicht fehlen. Gnome und Hexen sind dort in der Adventszeit allgegenwärtig, denn sie bringen den Kindern Früchte und Süßigkeiten. Die Hexen suchen aber auch nach schmutzigen Besen, mit denen sie Unfug treiben können. Deshalb sollten die Besen in der Adventszeit immer sauber sein – das heißt, es wird viel geputzt. Eine ruhige besinnliche Adventsatmosphäre mag man in Estland nicht. Die Vorweihnachtszeit ist von ordentlichen Festgelagen und nächtelangen Partys mit Punsch und Wodka, Musik, Tanz und Heiterkeit bestimmt. Erst am 24. Dezembers wird es auch hier besinnlich.
Und Ihre Adventszeit?
Wie feiern Sie die Adventszeit? Welches Gebäck steht bei Ihnen hoch im Kurs? Welche Traditionen begehen Sie? Schreiben Sie uns hier als Kommentar Ihre Rezepte oder Anekdoten zur Adventszeit.
Autor:Harald Gerhäußer aus Bochum |
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