Interview mit Andreas Klein (Fröndenberg) zum Thema Pflege
"Die Politik hat geschlafen"

Pflegedienstleiter bei den Pflege-Profis in Fröndenberg: Andreas Klein.  | Foto: privat
  • Pflegedienstleiter bei den Pflege-Profis in Fröndenberg: Andreas Klein.
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Der 36-jährige Andreas Klein hat eine Ausbildung zum Examinierten Altenpfleger mit der Weiterbildung zur Pflegedienstleitung gemacht. Diese Führungsposition füllt er seit 2013 in Fröndenberg bei den „Pflege-Profis“ aus. Er konnte sich in diesen Jahren ein klares Bild über die Probleme in der Pflege machen. Warum er trotzdem seine Arbeit und die Tätigkeit in seinem Unternehmen mit ganzem Herzen macht, erzählt er in einem Gespräch mit dem Stadtspiegel.

Wo liegen Ihrer Meinung nach die Probleme in der Pflege?

„Das Problem ist nicht das Geld, was verdient wird, klar freut sich jeder Mitarbeiter über eine Gehaltserhöhung, aber das ist nicht das Entscheidende. Ich sehe die Probleme viel mehr im ständigen Zeitdruck und im absoluten Personalmangel an Fachkräften. Die Arbeit wird auf zu wenige Menschen verteilt. Sie stresst dadurch noch mehr und wird zur gesundheitlichen Belastung. Das ist der Knackpunkt für Beschäftigte.
Wie kann es sein, dass in einem Land wie Deutschland so ein Notstand an Pflegekräften herrscht, dass in den Pflegeheimen oder Krankenhäusern die Menschen stundenlang in ihren Ausscheidungen liegen und darauf warten, dass ihnen jemand hilft? Ich habe es wirklich, während meiner Ausbildung im Außeneinsatz in einem Krankenhaus, selbst erlebt.
Der Zeitdruck hat sich aber auch über die Jahre verschärft - durch Anforderungen an die Dokumentation, wo wir jeden Handschlag zur Absicherung notieren müssen. Das ist alles Zeit, die uns dann am Patienten fehlt und gute Pflege braucht nun mal Zeit.“

Wer bestimmt den Arbeitsaufwand: Der Patient oder …?

„Den Zeitaufwand bestimmt die Pflegekasse. Für jede Tätigkeit aus der Grundpflege etwa wird ein verbindliches Zeitraster vorgegeben. Für eine Ganzkörperwäsche gibt die Pflegekasse 20 bis 25 Minuten vor. Für manche Patienten wird das Frühstück vorbereitet, bedeutet Brot schmieren, gegebenenfalls in mundgerechte Stücke schneiden, Kaffee oder Tee kochen, gibt 2 bis 3 Minuten.“

Stehen Geldverdienen und Geldsparen im Vordergrund? Wird dabei der Patient vergessen? Von wem, von der Politik?

„Pflegedienste sind Subunternehmer der Krankenkasse und bekommen den Verdienst von der Krankenkasse vorgeschrieben. Die jährliche Punktwerterhöhung entspricht nicht der Inflation und ist wesentlich geringer als der jährliche Mindestlohn, der stetig jährlich erhöht wird. Das ist eine ungesunde Entwicklung, die zu einem bestimmten Zeitpunkt die Pflegedienste zum Aufgeben zwingt, da die Personalkosten schon jetzt ins Unermessliche gestiegen sind. Hier muss die Politik den Krankenkassen dringend eine gerechtere Bezahlung der Leistungen, die vor Ort bei den Patienten erbracht werden, vorschreiben.“

Findet dieser Beruf eigentlich genug Anerkennung in der Bevölkerung und in den zuständigen Gremien?

„Nein absolut nicht. Natürlich haben wir keinen einfachen Job. Wir werden mit Bürokratie bombardiert, müssen gesetzlichen Anforderungen entsprechen, die sich mit der Realität nur schwer vereinbaren lassen und mindestens einmal im Jahr stellen wir uns einer Prüfung. Durchgeführt von Kolleginnen und Kollegen, die der tatsächlichen Pflege den Rücken gekehrt haben, warum auch immer.
Wir haben einen Berg an Aufgaben, den wir trotz Zeitmangel jeden Tag bewältigen. Und wir bewältigen ihn, trotz aller Umstände, wirklich gut. Und genau darauf sollten wir stolz sein. Und genauso stolz sollten wir darüber berichten. Wenn wir mehr Anerkennung möchten, dann sollten wir mal damit beginnen, dass wir selbst anerkennen, was für einen geilen Job wir machen. Jeden Tag!“

Seit einiger Zeit wird über Personalnotstand diskutiert. Wer hat da in der Vergangenheit geschlafen?

„Ganz klar die Politik.“

Wie kann dieser Missstand Ihrer Meinung nach geändert werden?

„Indem verbindliche Personalschlüssel festgelegt werden, in den Niederlanden zum Beispiel kommen auf eine Pflegefachkraft im Schnitt sieben Patienten, in Deutschland sind es 13 und mehr.“

Bundesgesundheitsminister Spahn hat Änderungen ins Auge gefasst. Ist dieses Paket ausreichend oder ist es nur Pfeifen im Wald?

„Das sind alles tolle Änderungen, die Herr Spahn vorgibt. Wie etwa verbindliche Regeln für die Besetzung von Pflegeheimen und Krankenhäusern mit Pflegekräften.
Es geht hauptsächlich um stationäre Einrichtungen, da bleiben wir im ambulanten Bereich weiter auf der Strecke, da zum Beispiel Krankenhäuser die Personalkosten 1:1 von den Krankenkassen ersetzt bekommen.“

Der gleiche Minister sagt aber auch: „Wenn jeder in der Pflege nur eine Stunde mehr arbeitet, wäre viel geholfen.“ Dies würde doch im Umkehrschluss bedeuten: Noch mehr Stress, mehr Belastung.

„Diese Aussage des Ministers ist völliger Quatsch und fernab der Realität.“

Was würde denn Verbesserungen bringen: Noch mehr Vorgaben aus Richtung Politik? Vorgaben aus Fachgremien? Mehr Bezahlung? Mehr Zeit für die zu pflegenden Menschen?

„Vorgaben aus der Politik oder ähnlichem bürden uns noch mehr Bürokratie auf.“

Was läuft denn gut in der Pflege und speziell in Ihrem Haus?

„Gut läuft es in der Pflege, wenn alle an einem Strang ziehen, bei uns bei den „Pflege Profis“ ist dies die Kollegialität. Und das Miteinander mit den Kollegen ist eine gute Voraussetzung für eine gute tägliche Arbeit vor Ort beim Patienten.“

Ich nehme an, Sie lieben Ihren Beruf? Was macht ihn für Sie interessant? Was macht diesen Beruf für junge Menschen interessant?

„Ich liebe meinen Beruf, weil ich alten Menschen im Alltag helfen möchte. Der Alltag ist manchmal etwas grau, durch uns wird er wieder etwas bunter und ich bin davon überzeugt, dass ich durch meine Arbeit sehr viele Menschen glücklicher und zufriedener mache.“

Das Interview führte Peter Benedickt.

Autor:

Uwe Petzold aus Dortmund-Süd

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