Wenn man die Frauen kennenlernt, die im Beginenhof in Unna wohnen, dann fallen einem Attribute wie „andächtig“ oder „zurückgezogen“ sicher als allerletztes ein. Zwar stammen die Prinzipien der Beginen aus dem Hochmittelalter, doch die Unnaer Beginen sind alles andere als altmodisch – und begegnen trotzdem immer wieder den gleichen Vorurteilen.
Der 2006 erbaute Beginenhof an der Märkischen Straße ist ein normales Wohngebäude mit insgesamt 19 Wohneinheiten zwischen 54 und 85 Quadratmetern. Alle Wohnungen sind barrierefrei gestaltet und über einen Aufzug erreichbar.
Offensichtlichstes Merkmal des Beginenhofs sind die breiten Laubengänge, über die die Wohnungen erreichbar sind. „Die waren uns ganz wichtig“, erinnert sich Gisela Hagemeier, Bewohnerin der ersten Stunde, an die Planungen. Denn die breiten Gänge zum Innenhof hin erlauben es, dort Tisch und Stühle aufzustellen. „So kann man immer dabei sein, auch wenn man nicht mittendrin ist“, schmunzelt Gisela Hagemeier. Denn Gemeinschaft wird im Unnaer Beginenhof genauso groß geschrieben wie der Respekt vor der Privatsphäre.
Als Vorbild für das Unnaer Projekt gilt der Beginenhof in Schwerte, der Anfang des Jahrtausends als „Frauenwohnprojekt“ in Unnas Nachbarstadt entstand. „Im Rahmen eines Vortrages wurde das Projekt zu der Zeit im Königsborner Frauensalon vorgestellt“, erzählt Sibille Heimann, die heute 1. Vorsitzende des Fördervereins Beginenkultur Unna e.V. ist, der aufgrund dieses Vortrags 2005 gegründet wurde. „Dabei ging es uns anfangs tatsächlich nur um die Förderung der Beginenkultur. Dass wir ein eigenes Wohn-Projekt starten, war gar nicht unser Ziel“, schmunzelt Heimann. Doch eins kam zum anderen und plötzlich war die Gewissheit da: „Wir machen unser eigenes Ding!“.
Werbung aus dem Bauwagen
Zuvor hatte man sich andere Beginen-Projekte in der Region angeschaut, wie zum Beispiel den Tremonia Park in Dortmund. Dann fand man einen passenden Architekten und schließlich – mit die größte Hürde – einen passenden Investor. Als dann auch noch ein passendes Baugrundstück mitten in Unna gefunden war, ging es 2006 mit dem Bau los. „Noch vor Baustart hatten wir bereits fünf Frauen, die hier einziehen wollten. Mithilfe eines Bauwagens haben wir dann noch während der Bauzeit Werbung gemacht und als das Haus 2006 fertig war, waren auch alle Wohnungen vermietet“, so Gisela Hagemeier.
Dabei mussten die Frauen des Fördervereins in Gesprächen mit Interessentinnen mit so einigen Vorurteilen aufräumen. „Viele hielten den Beginenhof für ein Altersheim für Frauen, andere dachten, wir seien eine Art Kommune, in der alles zusammen gemacht wird und Männer verboten sind“, so Gisela Hagemeier. Dabei stimmt weder das eine noch das andere: „Wir möchten alleinstehenden Frauen jeden Alters – mit oder ohne Kinder – ein Zuhause bieten“, bringt es Christine Kleinwechter auf den Punkt. „Herrenbesuche“ sind dabei durchaus gestattet, „nur dauerhaft wohnen dürfen die Männer hier nicht“, macht Gisela Hagemeier klar.
Als die ersten Bewohnerinnen einzogen, war noch gar nicht klar, in welche Richtung das Projekt gehen würde. Nach und nach fanden die Bewohnerinnen zusammen, und es wuchs eine feste Gemeinschaft heran, die ohne Zwänge auskommt. Und trotzdem – oder gerade deswegen: „Unser Vermieter muss sich eigentlich um nichts kümmern, egal ob Hausmeistertätigkeiten oder Neu-Vermietungen – das funktioniert alles in Eigenregie“, erzählt Gisela Hagemeier nicht ohne Stolz.
So wie bei dem neuen Garten, den Claudia Knegt zur Zeit anlegt. Zentnerweise Erde hat sie dafür geschaufelt, möchte Blumen und Küchenkräuter pflanzen. „Ich bin froh, dass ich hier die Möglichkeit habe, mich gärtnerisch auszutoben“, lacht sie. Auch das war ein Grund für Claudia Knegt, hier in den Beginenhof zu kommen. „Ich habe damals eine andere Art des Wohnens gesucht und hier habe ich eine Gemeinschaft gefunden, die es mir als Frau möglich macht, selbstständig zu leben.“
Bei Krankheit oder anderen Problemen findet sich in der Gemeinschaft immer jemand, der helfen kann, genauso, wie sich immer Frauen finden, die sich um Projekte oder Aufgaben kümmern. Ganz wichtig für das funktionierende Zusammenleben ist die Gemeinschaftswohnung im Erdgeschoss des Hauses. Hier haben die Frauen ein „Kommunikationszentrum“ geschaffen, in dem man zum Kaffeetrinken und Klönen zusammenkommt , wo aber auch wichtige Entscheidungen gefällt werden. „Übrigens gibt es bei uns meistens schnelle Entscheidungen ohne endlose Diskussionen“, räumt Christine Kleinwechter mit noch einem Vorurteil über „Frauen-Wohnen“ auf. „Rumgezicke ist bei uns ein Fremdwort“, bestätigt Claudia Knegt.
Eine gute Gelegenheit, die Bewohnerinnen des Beginenhofs kennenzulernen, bietet sich beim Bücher- und Trödelmarkt der Beginen am Samstag, 11. Juli, ab 11 Uhr in den Garagen am Burgring.
Autor:Elke Böinghoff aus Unna |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.