Stigma: Ich bin Raucher

5. August 2010
NRW, Goch

Über eine alkoholisierte Gesellschaft, die sich von Rauchern belästigt fühlt.

Eine kleine Satire (Oder auch keine…?)

Sechs Jahre hatte ich es geschafft: Nicht eine Zigarette, keinen Tropfen Alkohol und keinerlei sexuelle Kontakte. …Und dann wurde ich eingeschult…
Okay, ich weiß, dieser Witz ist so alt wie die Pyramiden…, doch gemessen an meinem Rechtsempfinden stimmt hier etwas nicht.

Okay, ich weiß auch: Rauchen ist ungesund. „Du schmeckst nach Aschenbecher!“, meint meine Frau zumeist, nachdem ich ihr nach meinem Nikotingenuss einen Kuss gab.
Ich weiß auch, dass die Bude am nächsten Tag furchtbar nach kaltem Rauch stinkt, und dass das der Genuss des Essens beim Chinesen eingeschränkt ist, wenn am Nebentisch geraucht wird.
Ist mir alles bewusst und bewusst ist mir auch, dass es für nichtrauchende Mitmenschen unangenehm ist, wenn ihnen etwas vorgequalmt wird. Und dass man darum als Raucher hierauf Rücksicht nehmen muss, auch das weiß ich.

Aber muss es gleich so extrem sein, dass man sich wie der letzte Aussatz fühlt? Dass Menschen von Hysterie und Militanz geprägt sind, wenn sie auch nur einen Raucher erblicken? Und dann noch dabei Lust empfinden, Raucher zu sanktionieren und mit zufriedenem Lächeln in Sturm, Regen und Kälte schicken…?

Warum gibt es in unserer ‚gebildeten’ Gesellschaft nur weiß und schwarz, nur oben und unten? Warum macht es andere Menschen geradezu ‚geil’, nach Belieben über andere hetzen und bestimmen zu können? Etwa, weil sie neuerdings immer Recht bekommen? Oder weil sie immer eine Gruppe braucht, die sie verfolgen kann?

Paradoxerweise ist jedoch gleichzeitig der Alkohol in unserer Gesellschaft Kult!

Hier stimmt doch was nicht!!

- Noch nie bin ich von einem Raucher angepöbelt worden, von einem Angetrunkenen schon oft.
- Vandalismus, Ruhestörung und Randale wurde noch nie von einer Horde Raucher beobachtet, zumeist einzig von Volltrunkenen.
- Bei Gewalttaten und (Kindes) Misshandlungen ist zumeist Alkohol im Spiel. Bei Rauchern beobachtet man das eigentlich nie.
- Vergewaltigungen finden zumeist unter Alkoholeinfluss statt, unter Nikotineinfluss ist es mir bisher noch nicht bekannt.
- Sexuelle Auffälligkeiten wie Exhibitionismus finden in der Regel im angetrunkenen Zustand statt, selten mit einer Pfeife im Mund.
- Ehescheidungen und Familientragödien sind in der Regel die Folge regelmäßig übermäßigen Alkoholgenusses. Eine entsprechende Rate bei Rauchern ist relativ unbekannt.
- Soziale Abstiege, die letztendlich mit der Schnapsflasche unter der Brücke enden sind nicht auf das Rauchen zurückzuführen.
- Selten hört man, dass jemand sein Leben nicht mehr geregelt bekommt, weil er raucht. Bei Menschen mit regelmäßigem Alkoholgenuss ist das meist die Norm.
- Alkoholbedingte Krankmeldungen, insbesondere montags, sind wesentlich häufiger als nikotinbedingte.
- Alkoholbedingte, tödliche Verkehrsunfälle sind tagtägliche Ereignisse, wobei das Fahren im ‚angeheiterten’ Zustand von der Gesellschaft sogar bei einer Bischöfin mit Nachsicht gewertet wird. Eine rauchende Bischöfin hätte wesentlich mehr Entsetzen verursacht!
- Psychische Veränderungen in Form von Aggressivität, Weinerlichkeit und Depressionen werden vom Nervengift Alkohol hervorgerufen. Wesensveränderungen mit weinenden Rauchern beobachtet man eigentlich nie.
- Beruflich habe ich des Öfteren mit Menschen zu tun, die ihren „Verstand weggekippt“ (Korsakow-Syndrom) haben. Jemanden, der seinen Verstand verqualmt hat, habe ich noch nie kennengelernt.

Unendlich ließe sich diese Liste des Vergleiches fortsetzen…

Hier stimmt doch was nicht!!

Da ist eine angetrunkene und torkelnde Gesellschaft so vermessen und lallt sich gegenseitig zu, wie ungesund das Rauchen ist und ergötzt sich dabei, jene ‚Unholde’ nach draußen geschickt zu haben.
Da lädt der Vater im Beisein seines Sohnes die Bierkästen in sein Auto und belehrt ihn, er möge niemals mit dem Rauchen beginnen. Oder er ohrfeigt ihn, weil er ihn beim Rauchen erwischte. Das verschüttete Bierglas in seiner Hand steigert dann noch seine Aggressivität und er schlägt nochmals zu. Das Vorleben von Werten kann manchmal sehr vielfältig und eigenartig sein…

Hier stimmt doch was nicht!!

Riecht der Atem eines Alkoholisierten etwa besser als der des Rauchers?
Warum stehen nicht alle warnende Texte, die auf Tabakwaren stehen nicht auch auf Bier-, Schnaps- und Weinflaschen? Lediglich Lungenkrebs müsste durch Leberschäden ersetzt werden. Ergänzt vielleicht noch, durch Aggressivität, psychische Störungen bis hin zu Verblödung und soziale Abstiege bei Alkohol…

Bitte jetzt nicht über mich herfallen. Dies soll keine Laudatio über das Rauchen sein.
Allenfalls eine Anklage gegen eine Gesellschaft, die das schlimmste Übel in vollen Zügen auslebt und sich eine Gruppe mit einer anderen Bürde aussucht um sie zu sanktionieren und sie als Abschaum behandelt.
Der Trinker bekommt gegenüber dem Raucher immer Recht, mag er angetrunken sein, wie er will. Unfair, weil BEIDES eine Plage ist. Unter Umständen über den jeweiligen Stellenwert des Übels könnte man streiten. Doch wäre das nicht so wie etwa: Was ist besser, Pest oder Cholera…?

Abschließend sei noch erwähnt: Dem Leser das Bierchen nun mies zu machen möchte ich genau so wenig, wie ich mir mein eigenes. Doch leider scheint die Gesellschaft stets eine Gruppe zu brauchen, auf die sie eindreschen kann, um vielleicht von eigenen Schwächen abzulenken. Und wenn man ehrlich ist, dann kommt man zu dem Schluss: So war es doch immer. Manchmal sogar exzessiv, wenn man die Geschichte zurückverfolgt.

Im Moment sind es wohl die Raucher, die herhalten müssen...

Übrigens: Mein erklärtes Ziel ist es, alsbald mit dem Rauchen aufzuhören. Ich hoffe, es gelingt mir irgendwann…

Foto: one-foto, Pixelio, zur Veröffentlichung freigegeben

Autor:

Kurt Nickel aus Goch

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