Anstand und Moral in der Gesellschaft sind nun mal abhängig von Zielen und Eigennutz. So sind Widersprüche im gleichen Atemzug, in der Politik als „Normalverhalten“ zu werten, auch wenn es sich, wie im Fall zu Guttenberg, laut Claudia Roth, von den Grünen, um politische Schizophrenie handelt.
Da sagt der Dirigent zu seinem Orchester:
„Hier noch ein Hinweis für die Bläser: Wer noch keinen Ständer hat, möge nach oben gehen und sich einen runterholen!“
Für die Mitglieder der Orchesters ein sachlicher Hinweis, für andere nur widerlicher Schweinkram und für mich ein herrlicher Witz, den ich jüngst in der Zeitung las.
Je nachdem, in welcher Position man sich befindet, welche moralischen Ansichten man hat oder vor Publikum vorgeben muss oder zu welchem Anlass man einen zum „Besten“ geben will: Es liegen völlig unterschiedlich Sichtweisen und Wertungen vor, obwohl der Wortlaut des Gesagten in allen genannten Beispielen identisch ist.
Und genau so wird dieser Vorgang in der Politik gehandhabt. Jeder legt sich die Worte und Handlungen des anderen für sich so zurecht, wie es ihm am praktischsten erscheint. So warnte die Kanzlerin in einem jüngst im Fernsehen gesendeten Aufruf aus dem Jahre 2008 vor der Verwerflichkeit der Anwendung von Plagiaten, wies auf die Ehrenhaftigkeit und Anständigkeit von wissenschaftliche Arbeiten hin und dann versuchte sie, einzig aus Eigennutz, ihren Plagiator, zu Googleberg, zu decken, indem sie sein Vorgehen als Bagatelle abtat. Doch es nutzte ihr nichts und zu Guttenberg trat letztendlich zurück.
Unterschiedliche Moralvorgaben für den gleichen Vorgang, wie kann das sein?
Gemessen an andere Vorgänge in der Politik ist jenes moralische Vorgehen der Kanzlerin beinahe als „Kleinkram“ zu bezeichnen. So benannte unser Außenminister Westerwelle den Ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak noch am 20.05.2010 als "Mann mit enormer Erfahrung, große Weisheit und Zukunft im Blick", während er heute nichts mehr von ihm wissen will. Natürlich zu Recht, denn dieser Mann hat sein eigenes Volk geknechtet, gefoltert und ausgeraubt. Doch das war der westlichen Welt auch schon seinerzeit bekannt, doch Gleiches ist in der Politik eben nicht gleich, so lange es dem eigenen Nutzen dient.
Oder Angela Merkel zu Mubarak, bei seinem vorletzten Berlinbesuch: „Herr Präsident, Sie sind seit vielen Jahren ein Freund Deutschlands und deshalb sind sie uns in ganz besonderer Weise herzlich hier Willkommen“, ließ sie gegenüber diesem Mann und der Welt verlauten, weil es ihr nützlich erschien.
Ein weiterer Fall von Doppelmoral von (für mich) beinahe kriminellem Hintergrund bot noch vor kurzem Silvio Berlusconi, der mit Muammar el Gaddafi eine innige Männerfreundschaft hegte und pflegte und dabei die pompöse Zurschaustellung mit ihm zusammen nicht vergaß. Nun mag dem italienischen Ministerpräsidenten dies alles im Nachhinein peinlich erscheinen, diese Freundschaft zu einem Völkermörder, der sein eigenes Volk nun abschlachten lässt, doch es zeigt anschaulich, wie viel oder wie wenig Wert die Vorstellungen von Anstand und Moral in der Politik haben.
So werden geehrte Freunde in der politischen Darstellung praktisch über Nacht zum „Psychopathen“, wie jetzt Bundespräsident Wulff Gaddafi titulierte. Vor ein paar Monaten wäre so eine Aussage undenkbar gewesen. Doch die Ansichten ändern sich halt und Gleiches ist längst nicht immer gleich...
Foto: Gerd Altmann, Pixelio, zur Veröffentlichung freigegeben
Autor:Kurt Nickel aus Goch |
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