Wenn einen keiner mehr so richtig lieb hat.

30. August 2011
NRW, Goch

Über den unaufhaltsamen Niedergang Guido Westerwelles.

Eigentlich hat es Guido Westerwelle nicht verdient, dass ihm nun so ein unehrenhafter Abgang bereitet wird. Ein begnadeter Politiker ist gescheitert. Gescheitert an seiner eigenen Arroganz und Hochmütigkeit und daran, dass ihm das Glück und die politischen Rahmenbedingungen nach der letzten Bundestagswahl versagt blieben.

Der Beginn der Wirtschaftskrise Ende 2008 und ihre Folgen hatten im Grunde die gesamte Strategie der FDP über den Haufen geworfen. Gewonnen wurde die Bundestagswahl 2009 wirklich mit dem Slogan: Mehr Netto vom Brutto und Arbeit muss sich wieder lohnen!

Doch jene Wirtschaftskrise verhinderte schlichtweg die Umsetzung dieser Pläne und brachte die FDP in die Bredouille. Aufgrund massiver Anpassungsstörungen an die neuerliche Situation, die sich praktisch innerhalb kürzester Zeit bot, verpasste sie es, sich rechtzeitig darauf einzustellen und ihr Programm angemessen zu modifizieren.

Viel schlimmer noch: Als hätte er nicht von den geänderten Rahmenbedingungen mitbekommen, beharrte Westerwelle weiterhin auf Steuersenkungsvisionen als praktisch einziger Schwerpunkt der politischen Kontur der FDP, ohne irgendwelche Flexibilitäten in Bezug auf Richtungswechsel zu zeigen. Zudem legte er sich auch noch innenpolitisch massiv mit Hartz-4-Empfängern an und machte sich dadurch denkbar unbeliebt. Anstatt zu merken, wie übel man ihm dieses Verhalten nahm (obwohl er in einigen Punkten sogar Recht hatte, nur sein Auftreten und der Zeitpunkt waren falsch), reagierte er mit Hochmut und Arroganz. Genau das war der Zeitpunkt, als die Stimmung gegen ihn kippte und er machen konnte was er wollte: Es war immer unangebracht und falsch.

Als damals praktisch letzten Akt der gemeinsamen Regierungszeit beschloss noch die große Koalition, vor der Abwahl der SPD in der Regierung, gemeinsam Maßnahmen zur Behebung der wirtschaftlich bedrohlichen Situation und steuerte der Wirtschaftskrise erfolgreich entgegen. In diesem Erfolg sonnte sich dann später die FDP und tat so, als sei es ihr Engagement gewesen, was Deutschland besser aus der Krise gleiten ließ, als die anderen Mitglieder der EG. Auch dieser Akt wurde den liberalen vom Volk über genommen, denn jeder wusste nur zu gut, dass dies nicht in Ordnung war.

Als schließlich der letzte Liberale bemerkt hatte, dass es mit Westerwelle so nicht mehr weiter gehen konnte und er die Partei in die Irre geführt hatte, wählten sie ihn schließlich ab und machten Philipp Rösler zu ihren Parteivorsitzenden. Wohl allein aus Rücksichtnahme um seiner Verdienste beließ man Westerwelle das Außenministerium, was sich als erneuter elementarer Fehler erweisen sollte.

Es spricht eigentlich für Röslers Charakter, dass er Nachteile für sich in Kauf nimmt, um Westerwelle nicht zu kränken. Das rechne ich Philipp Rösler sehr hoch an und zeigt sein im Grunde liebenswertes Wesen. Er weiß, was er ihm zu verdanken hat und ohne ihn nicht dort wäre, wo er heute ist.

Gleichzeitig zeigt es aber auch, dass er für das politische Geschäft eigentlich nicht geeignet ist. Härte, Verbissenheit und Skrupellosigkeit sowie keinerlei „Verwandte“ sind Tugenden, die in diesem Geschäft gefragt sind. Alles Andere zählt hier nicht und jeder, der dies nicht beherrscht, wird nieder gemacht. Sehr traurig, aber leider wahr!!

Die Aussage, dass Rösler Westerwelle die letzte Chance gibt, wie jüngst in den Medien zu lesen war, kann für den ehemaligen Parteivorsitzenden Guido Westerwelle einzig wie ein entwürdigender Schlag ins Gesicht empfunden werden. Es fällt schwer zu glauben, dass Rösler das gesagt haben soll und hiermit seinen „Ziehvater“ derart brüskiert!

Westerwelle scheiterte letztendlich an seinem Hochmut und der Arroganz, Fehler und Schwächen einzugestehen, die einen Menschen eigentlich menschlich und sympathisch erscheinen lassen. Eigentlich Schade, doch irgendwas ist ja immer...

Ich empfinde an Westerwelles Niedergang keinerlei Schadenfreude! Es gab Zeiten, da habe ich ihn sogar außerordentlich gemocht und viele seiner Aussagen waren von Weitsicht und Verstand geprägt. Doch dieser Mann hat sich in den letzten beiden Jahren schlichtweg verlaufen. Verlaufen in Visionen, die nicht der momentanen Zeit angepasst waren und ihm war es nicht möglich, über seinen eigenen Schatten zu springen und dabei zu falschen Entscheidungen und Verhaltensweisen zu stehen.

Er mag wohl jetzt für einige Zeit aus der ersten Reihe der Bildfläche verschwinden. Doch er wird wiederkommen. Ich hoffe, man wird meine Worte jetzt nicht als eine Laudatio auf Westerwelle verstehen: Zwar entspricht er mit seinen Einstellungen nicht meinen politischen Idealen, doch als liberaler Antagonist im politischen Geschäft möchte ich sagen: Prädikat: Besonders wertvoll...

Foto: Dirk Vorderstraße, Wikipedia

Autor:

Kurt Nickel aus Goch

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