Unter den Teppich gekehrt

17. Juni 2012
Goch-Uedem-Weeze, 47574 Goch

Vor seiner Amtsübernahme als Bundesminister für Entwicklungshilfe hielt der FDP-Mann Niebel dieses Ministerium für überflüssig und wollte es abschaffen. Wie er Entwicklungshilfe definiert, hat er nun gezeigt: anlässlich eines Besuches in Afghanistan wollte Herr Niebel unbedingt das dortige Kleingewerbe unterstützen und ließ mehrere großformatige Teppiche vor sich ausrollen. Ein (von Kinderhand?) handgeknüpftes Unikat von 9 m2 mit einem Gewicht von 30 kg sollte fortan sein Esszimmer schmücken. Dafür legte der Entwicklungshelfer Niebel n.e.A. 1400 Dollar auf den Tisch. Das gute Stück wurde in der deutschen Botschaft zwischengelagert und später vom Chef des Bundesnachrichtendienstes im Jet nach Deutschland geflogen. Hier gelandet, ließ der Entwicklungshelfer flugs seinen Dienstwagen vorfahren, um die sperrige Rolle in Empfang zu nehmen. Erst als der Teppich im Esszimmer lag, „habe er sich Gedanken gemacht“, sagt er. Da er dann aber „darüber hinweggekommen“ sei, ist „die Sache eben liegen geblieben.“
Die deutsche Sprache ist wunderbar und für Politiker wunderbar zu verdrehen; um nicht zu sagen, zu verstümmeln. So manche Sprechblase hat man schon gehört. Man hat sich daran gewöhnt, dass oft mit vielen Worten gar nichts gesagt wird. Was aber der Regierungssprecher zu dem erneuten Fall von „wulffen“ sagt, ist der Gipfel. Er spricht verharmlosend von einem Versäumnis des Ministers und setzt noch als sprachliches Sahnehäubchen obendrauf:

...“das Wort Versäumnis beinhaltet ja schon, dass eine andere Einfuhr noch korrekter gewesen wäre und deswegen auch vorzuziehen gewesen wäre!“

Noch korrekter? Das gemeine Volk lernt in der Schule, dass korrekter die Steigerung (Nominativ) des Adjektivs korrekt ist. Soll die verklausulierte Stellungnahme also bedeuten, diese Art des Teppichtransportes wird von der Regierung als durchaus korrekt angesehen?
Steuerhinterziehung durch einen Bundesminister wird demnach als korrekt, also als fehlerfrei / gewissenhaft / regelgerecht empfunden und so von einem gelernten Journalisten der Öffentlichkeit gegenüber sprachlich vern(i)ebelt?
Zusätzlich hat Niebel 3.840 EUR Transportkosten in die eigene Tasche gewirtschaftet. Und die Regierung spricht davon, dass eine andere Einfuhr vorzuziehen gewesen wäre!
Aber: zum Glück beherrscht zur Zeit König Fußball das öffentliche Interesse. Da werden derartige verbale Entgleisungen einfach nicht zur Kenntnis genommen und unter den Teppich gekehrt.

Autor:

Evelyn Ziegert aus Goch

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