Der neuerliche Vorstoß der FDP nach Steuersenkungen klang im ersten Moment fast witzig und löste allgemeine Erheiterung aus. Doch denkt man objektiv darüber nach, könnte dieser Schritt doch nicht derart verkehrt sein, wie es scheint.
Als sich die Parteien vor der letzten Bundestagswahl 2009 im Wahlkampf befanden, mochte der Slogan der FDP „mehr Netto vom Brutto“ insofern angebracht gewesen sein, da praktisch Zeitgleich oder schon etwas eher die Weltwirtschaftkrise einsetzte, sich in den Köpfen der Wähler jedoch noch eine boomende Wirtschaft tummelte mit dem Bewusstsein, dass die Wirtschaft riesige Gewinne eingefahren hatte. Das Volk wollte etwas von dem Kuchen abhaben und darum gab es für die FDP über 14 Prozent Zustimmung.
Doch praktisch genau zu dem Zeitpunkt, als die Liberalen in die Regierungsverantwortung kamen, war jener Slogan eben nicht mehr angebracht und Steuersenkungsvisionen wären zu dem Zeitpunkt geradezu eine Dummheit gewesen, was sogar der größte Teil der Bevölkerung unseres Lande seinerzeit akzeptierte. Zumal die damalige Regierungskoalition aus CDU/SPD kurz vorher noch elementare Beschlüsse gefasst hatten, die sich als Gegenmaßnahmen dieser Wirtschaftskrise bewährten. Ich denke da an Beschäftigungsprogramme wie Kurzarbeit, die Betriebe überleben halfen, ohne ihren Personalstamm zu entlassen.
Eigentlich war zu diesem Zeitpunkt alles andere gefragt, als Steuersenkungen. Das wusste ein ganzes Volk, bis auf die FDP. In ihrer politische Kreativlosigkeit fiel ihnen nichts anderes ein, als auf Steuersenkungsvisionen zu beharren, wie die Stehaufmännchen. Als lebten sie auf einem fremden Planeten entfernten sie sich mit ihren unsinnigen Forderungen vom Wählervolk bis hin zu unter 5 Prozent. Eine Partei wurde belächelt und nicht mehr ernst genommen.
Mit neuer Führungsriege junger, aufstrebender Politiker, die vom Alter her keinerlei politischen Erfahrung haben können, war man gespannt, was denn nun käme an neuen Elementen liberaler Politik. Und siehe da, die junge Riege hatte eine Super-Idee: Steuersenkungen!
Im ersten Moment, wenn man das hört, ist man geneigt, sich kopfschütteln vor die Stirn zu schlagen. Bedenkt man, welche „Baustellen“ sich der momentanen Politik auftun, dann ist es allzu verständlich, dass so mancher Verantwortliche das nackte Entsetzen erfasst:
- Energiewende, kein Mensch weiß heute zu sagen, was sie uns kosten wird!
- Eurokrise, was kommt da noch alles auf uns zu, was wir letztendlich bezahlen müssen...?
- Griechenland und andere EG-Mitgliedstaaten, die kurz vor dem Bankrott stehen!
Angesichts dieser Aussichten scheint es geradezu eine Frechheit, jetzt überhaupt an Steuerentlastungen zu denken!
Doch ist das wirklich so...?
Das Volk spürt, dass wieder Geld vorhanden ist und massive Gewinne eingefahren werden. Die gesamtwirtschaftliche Lage zeigt ein äußerst robustes Wachstum, das Bestand zu haben scheint. Zudem sind die Steuereinnahmen derart sprudelnd, dass der Gedanke einer verhaltenen Rückgabe an die schlechter Verdienenden nicht unangebracht ist.
Und angesichts dieser Perspektiven ist es nur noch eine Frage der Zeit, dass sich der Steuerzahler gegen hohe Abgaben wehrt und das fordert, was die Liberalen nun tun:
- Arbeit sollte sich lohnen.
- Wer fleißig ist, sollte auch mehr Geld verdienen können.
- Wer mehr Geld in der Tasche hat, gibt auch mehr aus. Insofern kommt ein Großteil durch
andere Steuern zurück und die Konjunktur wird belebt.
Standen die Liberalen bisher mit diesen Forderungen nur deshalb im Abseits, weil sie schlichtweg nicht angebracht waren, so ist das Bild gerade dabei, sich zu verändern. Natürlich sind die Warnungen der Länderchefs nicht von der Hand zu weisen, indem sie verlauten lassen, dass Steuersenkungen auf Pump mit ihnen nicht zu machen sei. Doch viele Ländechefs haben sich durch ihre Landeszentralbanken mit schuldig gemacht und die Steuerzahler für ihre Fehler bluten lassen. Und das wissen die Wähler! Gerade darum sollte hier eine kreative Kompromissbereitschaft angeraten sein.
Insofern sollte sich die Opposition gut überlegen, inwieweit sie sich gegen die Pläne der Regierung stellt und Steuererleichterungen um jeden Preis ablehnt. Aus den erwähnten Gründen könnte dieser Schuss gewaltig nach hinten losgehen, denn so langsam aber sicher schlägt das Pendel der Akzeptanz der Wähler in die andere Richtung. Darauf sollte man gefasst sein...
Foto: Gerd Altmann, Pixelio
Autor:Kurt Nickel aus Goch |
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