Es gibt viel zu tun, lassen wir uns krankschreiben!!

20. September 2010
NRW, Goch

Zur aktuellen Arbeitsmarktsituation und den anwachsenden Krankenständen.

Die Nachrichten, dass mit Besserung der Konjunktur gleichzeitig die Krankenstände der Betriebe anwachsen, sind nicht verwunderlich.
Nach einer Phase der Angst und Sorge sowie Einschränkungen des Beschäftigten und der anschließenden konjunkturellen Erholung wächst beim Betroffenen das Gefühl, der Sicherheit, dass er es nun wieder „riskieren“ kann. Gewisse Personen sind nun auch gehalten, die Situation zu ihren Vorteilen auszunutzen. Es wächst bei vielen Arbeitnehmern das Gefühl: „Man sei jetzt wieder dran.“

Im Grund entsteht hier ein natürlicher „Druckausgleich“. Was sich an Ängsten und Sorgen aufgebaut hatte, pendelt sich nun wieder aus.

Was hält den Krankenstand niedrig?

Element die nackte Angst.
Sie hält den Beschäftigten davon ab, Krankheiten nicht behandeln zu lassen.
Es ist die Angst, die Arbeit zu verlieren, in der Gunst des Arbeitgebers zu sinken, Finanzielle Einbußen zu erleiden oder sich bei den Mitbeschäftigten unbeliebt zu machen.

Ausgesetzte Prämien von Krankenkasse und Arbeitgeber
Ob dieser Anreiz legitim ist, sei dahingestellt. Natürlich sollten Anreize sein, doch es dürfte sich nicht um solche handeln, bei denen abzusehen ist, dass der Beschäftigte seine Gesundheit aufs Spiel setzen könnte.
Der Vater der Tochter meines Sohnes war seinerzeit so um die Ende dreißig. Seitens des Betriebes war alljährlich eine Prämie ausgesetzt für Mitarbeiter, die das ganze Jahr über keine Krankmeldung einbrachten. Diese war nicht unerheblich. So gegen Mitte Dezember fühlte sich der Mann nicht wohl und klagte über Schmerzen im Brustbereich. Das Drängen seiner Frau, zum Arzt zu gehen, ignorierte er, da es ja nur noch wenige Tage bis zum Jahresende bedurfte, um jene Prämie zu kassieren.
Er verstarb dann Heiligabend an einem Herzinfarkt...

Ehrliche Sorge um den Betrieb, mit dem man sich indentifiziert
Es gibt vielfach Arbeitnehmer, die sich mit ihrem Betrieb identifizieren und denen er wichtig ist. Manche halten sich für derart unabkömmlich, dass sie auch mit erheblichen Erkrankungen ihre Arbeit verrichten wollen. Dabei wird oftmals nicht bedacht, dass man mit Ansteckenden Erkrankungen auch eine Institution lahmlegen kann. Insofern ist dieses Verhalten kontraproduktiv.

Berufliche Perspektiven und die Aussicht auf eine höhere Position.
Die Gefahr liegt hierin, dass Selbst,- oder Fremdüberschätzung eine Situation der Eigendynamik produziert, in der beide Seiten das Augenmaß für das Reale verlieren. Der Arbeitnehmer freut sich über das in ihm gesetzte Vertrauen und gibt „förmlich alles“, und der Arbeitgeber freut sich, einen derart engagierten Mitarbeiter zu haben, der ihm dazu noch das Gefühl gibt, unendlich belastbar zu sein. Wenn dann noch beidseitig das Gefühl verlorengeht, inwieweit Belastungsgrenzen gezogen werden, kippt das Ganze sehr schnell um und alle wundern sich, warum es passierte. Herzinfarkte und Schlaganfälle aus heiterem Himmel sind häufig hierauf zurückzuführen.

Wann besteht die Gefahr, dass der Krankenstand steigt?

Wenn es den Betrieb zu gut geht und die Angestellten zu satt und fordernd sind. In gewissen Bereichen des öffentlichen Dienstes sind so z.B. eine Vielzahl an „Zulagen“ gewachsen, die für den Außenstehenden unverständlich sind. Für jede ansatzweise abweichende Tätigkeit gibt es da etwas und sei es, man muss des Öfteren 2 Meter eine Leiter hinaufsteigen. Dieses Bewusstsein des unbegrenzten Forderns lässt eine derartige Einstellung wachsen.

Lebt die Führungsebene diese Einstellung auch noch vor, dann ist eine entsprechende Verhaltensstruktur vorprogrammiert. Ist Chef oder Vorgesetzter wegen jeder Lappalie außer Gefecht, dann nimmt das Team ein solcher Verhalten auch zum Orientierungsmaßstab.

Wenn die Führungsebene ausschließlich an sich selbst und ihre Vorteile denkt und dabei den Zorn des Arbeitnehmers weckt. Ein Lascher Chef oder Vorgesetzte, der sich selbst näher ist und eigene Vorteile vorlebt, der sollte sich nicht wundern, wenn das sich auf das Team überträgt.

Wenn das Personal überbelastet ist und keine Möglichkeit von Ausgleich geboten wird. Wer kennt es nicht, das Gefühl, man sei von der Führungsebene „allein gelassen“? Man wird mit Arbeit geradezu zugekippt ohne, dass der Alleingelassene die Möglichkeit hat, seinen Unmut hierüber zu äußern oder sich nicht traut. „Du schaffst das schon!“, mit diesem Hinweis steht man nun da. Oder es wird einfach vorausgesetzt, dass man das zu schaffen hat. Es ist hier nur eine Frage der Zeit, bis sich Körper oder Psyche wehren.

Wenn neue Strukturen eingeführt werden und der Beschäftigte sich dagegen erwehrt. Oftmals empfindet der Arbeitnehmer es geradezu als Schikane, wenn neue Systeme in der Arbeit, Verwaltung oder Computerprogramme eingeführt werden. Es wird nicht eingesehen, warum bewährte Methoden, die die gesamte Institution verinnerlicht und „begriffen“ hat, plötzlich nicht mehr angewendet werden können.
Häufig versäumt es der Arbeitgeber schlicht, den Angestellten anschaulich zu erklären, warum es zu den Änderungen kommt, inwieweit hierdurch Vorteile zu erwarten sind und weshalb man deshalb eine mühsame Einarbeitungsphase in Kauf nehmen muss. Einarbeitungsfortbildungen beziehen sich schwerpunktmäßig einzig auf das Projekt und seine Handhabung und weniger auf den Grund der Umstrukturierung. Der Arbeitnehmer fühlt sich häufig „vergewaltigt“ und reagiert individuell mit Ablehnung.

Wenn personeller Wechsel „Gewohntes“ durcheinanderbringt. Ein neuer Kollege, der als Bedrohung der eigenen Position angesehen wird oder der neue Chef, der alles durcheinander bringt und neue Methoden einführt. Die Angst vor Kompetenzverlust befällt hierbei beide Ebenen und führt häufig zu Spannungen, denen mit offenen Gesprächen und ehrlichen Meinungsäußerungen entgegengewirkt werden kann. Leider kommt diese Einsicht oft erst, wenn die Unzufriedenheit nicht mehr zu ertragen ist. Supervisionen sind häufig der letzte Ausweg.

Wenn Werte nicht geachtet werden und der Arbeitnehmer für seine Mühen keine Rückmeldung bekommt. Er „zickt“ förmlich und seine Krankmeldung ist so etwas wie Verbitterung. In keinem anderen Bereich wäre es so einfach, dies zu verhindern, wie in diesem. Oftmals reichten nur wenige, freundliche oder aufmunternde Worte, um das Ziel der Zufriedenheit zu erreichen. Krankmeldungen aus diesem Bereich sind schlicht dumm und völlig unnötig! Dieser Bereich ist das wichtigste Element in der gesamten Arbeitswelt in allen Bereichen!!

Es dem Arbeitnehmer schlichtweg zu einfach gemacht wird. „Zwei Tage darf man ja ohne Krankmeldung“, ist oftmals die einhellige Meinung Beschäftigter. Insofern ist es viel einfacher, sich so einen (freien) Tag zu nehmen als um Urlaub zu fragen, wenn man etwas Wichtiges vor hat, um dann auch noch eine Ablehnung des Urlaubs zu bekommen. Diesem Lernprozess unterliegt der Beschäftigte nur ein Mal. Danach würde es ihm sicherlich nie wieder passieren. Hier wäre auch die Weitsichtigkeit und das Fingerspitzengefühl der Führungsebene gefragt, um den Krankenstand nicht „Hausgemacht“ in die Höhe zu treiben.

Es steht außer Frage, dass Mobbing ein Element ist, das nicht nur den Krankenstand in die Höhe, sondern als Folgeschaden ganze Familien in den Abgrund treiben kann. Die oftmals hieraus resultierende Suchtproblematik und psychische Dauerschäden sind ein Faktum, das in Zahlen wohl gar nicht gemessen werden kann. Auch vereinzelte oder gar mehrfache Suizide sind hierauf zurückzuführen. Wenn jenes Mobbing dann auch von der Arbeitgeberseite durchgeführt wird, ist es schlichtweg als äußerst unklug zu bezeichnen. Im Grunde dient dieser Vorgang einzig dem Lustempfinden des Ausführenden und ist in der Rechtsprechung viel zu wenig beachtet und gewertet.

Niedere Tätigkeiten und Unterforderung können eine derartige Unzufriedenheit bei dem Beschäftigten bewirken, so dass sie krank machen. Er möchte zeigen, was er kann, wäre bereit mehr zu geben und darf es nicht. Dadurch fühlt er sich nicht geachtet und gewürdigt. So paradox es klingt: Auch wenn der Beschäftigte einen „sicheren und ruhigen Job“ hat, so kann diese Unbefriedigung Gebresten auslösen.
Oftmals ist es dem Arbeitgeber gar nicht bewusst, dass sein Angestellter leidet und dieser meldet sich aus Scham nicht zu Wort. Hier ist das Augenmaß des Arbeitgebers gefragt, die Unzufriedenheit zu erkennen und eine Position anzubieten, in der sich der Betroffene entwickeln kann.

Allgemein ist zu erwähnen, dass die Motivationen der Mitarbeiter unterschiedlich sind. Vom strebenden und sich bemühenden Angestellten bis zum Mitläufer, der einzig nur so viel tut, wie er muss. Bei Letzteren ist der Fleißige oftmals der Dumme und das lässt er ihn dann auch spüren, indem er ihn verhöhnt und verspottet.

Abschließend sei angemerkt, dass Gleiches auch für die Politik gilt, wobei man in der sozialen Gesetzgebung oftmals das Gefühl hat, dass der Ehrliche und Fleißige oftmals wirklich der Dumme ist...

Foto: Martin Wolf, Pixelio, zur Veröffentlichung freigegeben.

Autor:

Kurt Nickel aus Goch

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