Vom Hundeschnüffler, Hammelsprung und mehr

Petra Hinz, SPD-MdB, lud 50 Bürger ein – die danach packende Tage zu verpacken haben…

Für 50 Essener Bürger bleibt diese Berlin-Reise unvergesslich, obwohl die Anreise ziemlich zögerlich begann: Bahn-Warnstreik. Alle Augen belauern die An- und Abfahrtszeitentafel am Hauptbahnhof. Essen - Berlin - 120 Minuten Verspätung. Aber „unser“ ICE gibt Gas. Zischt nur 20 Minuten später als geplant ein. Der Fahrer ahnt, dass 50 Essener die politische Arbeit in Berlin von Petra Hinz, SPD, hautnah erspüren wollen…

Berlin – wo anfangen – wo aufhören? Berlin ist ein riesiges Geschichtsbuch. Die Reise dient der politischen Bildung – wird vom Bundespresseamt finanziert. Beileibe keine Lustreise. Denn im Eiltempo wurden die Plätze gewechselt. Von der Bahn in den Bus: Stadtrundfahrt. Uschi Winter, eine „Perle“ an Reiseführerin, kennt jeden „Stein“ in Berlin. 3,4 Mio. Einwohner tummeln sich hier. Berlin mit 882 Quadratkilometern ist so riesig wie München, Frankfurt a. M., Stuttgart zusammen. Und es war einmal: Berlin, das Schmuddel-Kind; ab sofort Aufsteiger-Jüngling! Bisher bildete die Bundeshauptstadt nämlich die Schlusslaterne, stand an 24. Stelle. Schnellte nun an 8. Stelle. Mit fruchtbarem Zuwachs – Babys boomen kräftig, besonders am Prenzlauer Berg…
Ach ja, Berlin – sehr unterkellert, unterbunkert - wächst jetzt über sich hinaus mit mindestens 114 Bergen. Der höchste Berg ist der Schuldenberg: 60 Milliarden Euro. Peanuts gegen die Zahl auf der deutschen Schuldenuhr. Sekunde für Sekunde spuckt sie neue Schuldenlast heraus: Fast 1,8 Billionen Euro!
Heißt aber nicht, dass Berlin ein Kind von Traurigkeit ist. Im Gegenteil: Dieses Jahr rasseln Jubiläen wie: 200 Jahre Humboldt-Universität; 300 Jahre Charitè; 130 Jahre die „Gold-Else“ - mit den Jahren „futterte“ sie sich auf 35 t Gewicht an, wuchs über sich hinaus mit neun Metern. Sie lässt sich gerne besteigen: Über 285 Stufen muss man gehen. Pause. Sie lässt sich hinter einem Gerüst verschönern. Auch der Friedrichspalast – in dem die Damen ihre Beine so exakt schwingen – jubelt dieses Jahr verführerisch mit himmlisch hellen Lichtvorhängen.
Berlin ist sexy – laut Wowereit. Und immer in Bewegung. Geplant ist ein großer BBI-Flughafen: Berlin-Brandenburg-International. Noch regt sich großer Widerstand. „Er wird aber kommen“, so Uschi Winter. Kosten ca. 2 Milliarden Euro. Abflugfertig: 2012 für ca. 25 Mio. Fluggäste pro Jahr. Tegel schließt dann die Schotten.
Wer soll das bezahlen? 105000 Hundesteuerzahler zählt Berlin. Aber viel mehr Hündchen werden vermutet. Kommunen brauchten Knete. Essen plant eine Bräunungssteuer. Für Berlin dient Köln als Vorbild mit Hundeschnüfflern, die in die Häuser gehen, auf den Fluren bellen. Jault ein nicht gemeldeter Vierbeiner zurück, muss sein Zweibeiner Moneten zücken.
Zurück zu augenblicklichen Tatsachen. Im Bundesrat hat ab 1. November Bundesratsvorsitzende Hannelore Kraft hier das Sagen. Jedes Jahr stellt ein anderes Land den Bundestagspräsidenten. Das Besondere: Kraft ist die erste Frau in diesem Amt.
16 Ländervertretungen gibt es, NRW hat die Größte. Jedes Gesetz, das im Bundestag beschlossen wird, muss vom Bundesrat genehmigt werden.
Danach strömen die Essener Bürger zum Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Kleisthaus), das jährlich ca. 21000 Besucher anlockt. Klar, zu den 500 Gruppen häufen sich auch die von Petra Hinz. Vor dem Gebäude haben sich 500 Demonstranten versammelt: es geht um Rente mit 67 Jahren.
Politik ist vielschichtig. Wie auch die einzelnen Ministerien. Führungen durch die Ausstellungen „Wege, Irrwege, Umwege – Die Entwicklung der parlamentarischen Demokratie“ oder der Gedenkstätte Deutscher Widerstand stehen auf dem Plan.

Krönung - die Plenarsitzung im Deutschen Bundestag. 15000 Gäste verzeichnet die Statistik pro Tag in „Hoch-Zeiten“. Die Belehrung am Sitzungstag: „Alles, was Sie dürfen ist Atmen. Nicht Klatschen, Rufen, Winken. Werden Sie müde, vorher rausgehen.“ Der 28. Oktober ist in seinem Verlauf einmalig, dramatisch, mit Tränen: Energie- und Klimapolitik. Die gesamte Grünen-Fraktion erscheint in Schwarz mit gelbem Anti-Atom-X am Revers. Jörg von Essen, FDP, daraufhin: „Es hat keinem Parlament in der Geschichte gut getan, wenn eine Fraktion einheitlich gekleidet aufgetreten ist.“ Tumulte. Norbert Lammert muss schlichten. Ruhe kehrt nicht wirklich ein. Ein Hin- und Herlaufen der Politiker. „Ach guck mal, da sind ja von der Leyen, Schäuble, Guttenberg,Westerwelle, Künast, Roth, Gabriel, Schmid, Steinmeier…“
Anschließend diskutieren die Essener mit ihrer Abgeordneten Hinz über eine Stunde; jemand erkundigt sich rein zufällig nach dem Begriff „Hammelsprung“, andere wollen Näheres über ihr Aufgabengebiet in Berlin – Essen wissen. Obwohl mit Termindruck im Rücken, steht Hinz Rede und Antwort. „Jetzt haben wir gesehen, was für eine Arbeit eine Abgeordnete zu leisten hat - auch in ihrem Wahlkreis“, resümiert die Frohnhauserin Ursula Hirche.
Kurz darauf schrillt es, wie eine Schiffssirene, im ganzen Haus bis zur Kuppel. Abstimmung. Der höchst seltene „Hammelsprung“ ist eingetreten, heißt – Unstimmigkeit bei der Abstimmung. Alle Politiker rennen mit fliegenden Röcken, Haaren, müssen neu abstimmen.
Was brachte der Berlin-Besuch den Essener Bürgern? Stark beeindruckt zeigen sich Gabriele Günther, Grundschul-Rektorin sowie ihr Mann Jürgen. „Höchst interessant war die Koordination der aktuellen Politik mit der politischen Vergangenheit in Berlin. Höhepunkt der Besuch im Bundestag, dass wir die Debatte um die Atomkraftverlängerung hautnah miterleben konnten. Die Abgeordnete Hinz begleitete uns in einer sehr kompetenten, freundlichen Weise, obwohl sie mitten in den Amtsgeschäften steckte. Was die Abstimmung im Bundestag anging, erklärte sie u. a. vorher den sogenannten Hammelsprung, der vielleicht alle zwei Jahre vorkommt; aber gerade an diesem Tag zum Tragen kam.“ Jürgen Günther ergänzte: „Solche Informationsveranstaltungen sollte man vor allem jungen Menschen vermitteln, um bei der jungen Generation vorherrschende Unzufriedenheit an politischer Arbeit zu wecken.“
Ingrid Schiller, Karstadt-Mitarbeiterin: „Jetzt verstehe ich die Hintergründe besser; schimpfe nicht mehr so schnell auf Politiker. Ein höchst anstrengender Job.“
Die Frohnhauser Else und Manfred Tenberg waren vorher noch nie in Berlin. „Wir sind überwältigt von dem, was wir gesehen haben. Mit Sicherheit – Berlin sieht uns wieder.“

Autor:

Ingrid Schattberg aus Essen-West

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