Schul-Retter verlässt die "Herder"
Hausmeister "Lambi" lässt los!
Vor 35 Jahren war der jetzt 65-jährige Dietmar Lambert mit seinen drei-Jahrzehnten ein „Frühchen“ an der Herder-Grundschule. Als Hausmeister spurtete er voll Elan los, „denn an der Frohnhauser Schule war alles alt.“ Der ebenfalls junge Schulleiter, Jochen Bühne (28), gab Gas. „Wir können hier viel erneuern.“ Ab sofort passierte hier Unglaubliches. So rettete Lambert quasi ein Kind und die Schule…
Frisch-fröhlich machte sich also Dietmar Lambert in den End-70-er Jahren über den öden, grauen Schulhof her. Sommerferien. Sechs Wochen Zeit – „danach war die Fläche auf Vordermann“, strahlt Lambert, der von den Schülern liebevoll „Lambi“ genannt wird. „Bänke strich ich in den Stadtfarben blau-gelb. Das Mensch-ärgere-dich nicht-Spiel malte ich 2o m x 20 m bunt auf dem Schulhof. Einen alphabetischen Hinkel-Kasten zeichnete ich. Gully-Deckel erhielten ein buntes Gesicht. Innenhof-Randsteine wurden weiß markiert…“
Als die Pädagogen nach den Ferien in die Schule eintrudelten, glaubten sie, an der falschen Penne abgestiegen zu sein. Schulleiter Bühne frohlockte fett: „Genau so habe ich mir das vorgestellt. Eine lebendige Schule mit farbiger Freundlichkeit.“ Dicker Dank flatterte von allen Seiten an Lambert und seine Frau.
1980 wechselte Schulleiter Bühne zur Berliner Schule, Rektor Ulrich Tessmer folgte. Als neuer Boss krempelte er weiter die Schule um. Basketball, Fußballplatz, Gymnastikwiese waren die sportlichen Flitzer. 2003 folgte die totale PCB-Kernsanierung für 1,4 Mio. €. Die Schule wurde neu „angekleidet“.
Danach nur noch Freude, Friede, Eierkuchen? I wo, 2005 wäre die Schule fast weggesackt! Zur Vorgeschichte: An der Herderschule bildeten sich seit Jahren immer stärkere, tiefere Risse. Lambert blickte nicht weg, sondern bohrte immer wieder beim Essener Hochbauamt nach, machte das Amt heiß. Statiker kamen, es gab Vermessungen. Die Risse wurden riesiger. Das Bergamt Gelsenkirchen wurde eingeschaltet und verhinderte in Zusammenhang mit Ibg – Ingenieurgesellschaft für Bodenmanagement und Geotechnik – vermutlich Schlimmes. Festgestellt wurde, dass dort Bergbau umgegangen ist – sogar wilder. Mindestens 3500 qm Beton-Zementsuppe schluckten die unterirdischen Brüche, denn jede Bohrung war ein Treffer. Die obere Schulhofdecke war so brüchig wie Zuckerguss, zitierte Geo-Gutachter Gühlstorf.
Eine schlimme Herder-Zeit. Lambert bilanziert: „Nach der Verfüllung taten sich wieder Löcher auf. Plötzlich entstand ein Riesiges vor der Turnhalle. Die Kinder sollten gerade zum Sport. Da riefen sie: „Lambi, komm schnell!“ „Ein kleines Mädchen stand bis zum Hals in dem dunklen Schlund. Ich hielt es quasi an den Haaren; zog es hoch…Die ganze Nacht wurde das Loch verfüllt.“ Eine grauenvolle Zeit. Auf den Wiesen bildeten sich tiefe Mulden, Kinder verloren Stiefel, Bälle, die in den Vertiefungen stecken blieben.“
Der Stollen hieß „Wasserfall“. Die Schule auf der Kippe. War die noch zu retten? Sieben Wochen zogen zur Herder über 100 Riesenlaster, leerten ihren grauen Brei in Hohlräume von 2 bis 20 Meter Tiefe…
Die Angst blieb, Lambert räumt ein: „Bei jedem Knistern schrecke ich noch hoch, suche mit Argusaugen die Gegend ab.“
Jetzt ist neue Herder-Chefin Elsbeth Peters.
Die Arbeit bereitet ihm bis zum letzten Tag Spaß. Hauptgrund: „Ich arbeite gern mit Kindern.“ Doch die Hausmeistertätigkeit ist von Jahr zu Jahr stressiger. So musste Lambert zusätzlich die Elisabethschule betreuen. Wird allerdings ein Kollege krank, wachsen wiederum zwei Schulen drauf– also plus Diergardt-, Gervinusschule.
Vorbei sind die herrlichen Jahre, als die eigenen zwei Kinder und viele Schüler sich in seinem Garten einfanden. Lambi holte dann das Schwimmbecken raus, Wasser rein; das Jauchzen war bis zur Stadtgrenze hörbar. „Ich kannte alle Eltern. Hier wurde oft gefeiert. Unsere Obstbäume waren begehrt, es durfte geerntet werden. Kinder saßen an unserem Teich, spielten mit den Fischen.“ Kleine Pause. „Ich war die Bezugsperson für viele Kinder. Beichtvater, Kummerkasten, Tröster, Seelsorger. Vergaßen sie ihr Schulbuch, standen sie häufig weinend an meiner Tür.“ Klar, Lambi lamentierte nicht, besorgte das Buch.
Schon wird er auf dem Schulhof wieder von den Kleinen umringt. „Lambi ist der tollste Hausmeister, weil er Bonbons verteilt“, weiß Jaqueline (10). Die dunkelhaarige Marie (8) ergänzt: „Wenn wir was verloren haben, hilft er uns, es zu finden.“ „Ich mag ihn, weil er immer uns was vorsingt“, lobt Felicitas (7). Fim (9) weiß: „Lambi ist sehr lustig. Immer gut drauf. Er ist total cool und entspannt.“
Ja, wo entspannt der Dietmar Lambert nun – ohne Schul-Kinder? Sein Hausmeisterposten hängt schon am „Nagel“, er zieht als Rentner gen Norden. Sicher, sportlich ist er gut drauf – aber garantiert wird er die vielen Schüler vermissen, die ihm zum Abschied ein herrliches Bild schenkten. Jeder verewigte sich mit einem Fingerabdruck, malte sich dann selbst darauf als Figur.
Wehmut überfällt Lambi spätestens, wenn er auf dem Deich radelt, täglich die Schafe zählt… Na ja, im neuen Zuhause hat er ja alle Schüler an der Wand…
Fotos: Michael Gohl / West Anzeiger
Autor:Ingrid Schattberg aus Essen-West |
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