Mehrgenerationshäuser nicht "abwürgen"
MGH? Nur drei Buchstaben. Doch diese drei haben es dicke in sich: Leben! Hilfe! Vom Baby bis zum Senior, von der Geburt bis zum Tod. Vom Haushalt, Haarschneiden bis zu Hüftproblemen. MGH – heißt: Mehrgenerationshaus. MGH St. Anna in Altendorf– das erste in Essen – vor fast fünf Jahren. Mittlerweile tragende Säule für ein sozial erfolgreiches Gemeinwesen. Unverzichtbar. 500 Häuser in ganz Deutschland gilt es zu erhalten. Warum?
Um es klar zu stellen: Ein MGH ist kein Wohnmodell, keine Alten-WG, sondern es soll Austausch untereinander zwischen allen vier Generationen stattfinden. Alte geben ihr Wissen weiter, Junge helfen Älteren. Im Prinzip fast ein Idealbild von der Großfamilie – im 21. Jahrhundert. Diese Häuser geben eine richtige und moderne Antwort auf gesellschaftliche Veränderungen und den demografischen Wandel. Deutschlandweit hatten sich 1690 Einrichtungen für das Projekt beworben, die 500 besten wurden in das Programm aufgenommen.
40000 Euro flattern just jährlich für fünf Jahre vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auch in das MGH St. Anna. Bald läuft die Zeit ab. Danach?
Denn Mehrgenerationshäuser werden regelmäßig mittlerweile von hunderttausenden Menschen genutzt, unabhängig von Alter, Geschlecht, Nationalität, Hautfarbe, Religion, Behinderung, sexueller Prägung, Bildung, sozialer und kultureller Herkunft. Die günstigen und teilweise kostenlosen Angebote ermöglichen auch Menschen mit wenig Geld deren Nutzung und verhindern Stigmatisierung und Ausgestoßen-Sein aus der Gesellschaft.
Fakt ist, dass das Aktionsprogramm MGH für einige Häuser 2011, für andere 2012 endet; die offizielle Förderung des Bundes für die 500 MGH in Deutschland ausläuft. „Wobei natürlich der Wert, der erbracht wird, um ein Vielfaches höher liegt“, bilanziert Arndt Sauer, Leiter MGH St. Anna in Essen. „Deshalb wäre es schade, wenn die Häuser ihre Arbeit einstellen müssten. Jedes Haus erbringt mindestens ein drei- bis fünffaches an Wert. Weil die Finanzierung so gering ist, haben wir von Anfang an daran gearbeitet, dass vieles mit freiwilligem Engagement erbracht wird. Wichtig ist, dass alles aus einer Hand kommt. Dass die Menschen nicht mehr weite Wege laufen müssen. Was früher normal war, wird heute in den Häusern wieder gelebt, vorgelebt, erlebt.“
MGH sind heute schon Bildungszentren für bürgerschaftliches Engagement zur Qualifizierung Ehrenamtlicher Engagierter und damit informelle Lernorte für alle Generationen. Diese Vernetzungsinstrumentarien, die durch das Bundesprogramm ermöglicht wurden, haben sich ungeheuer bewährt. Dieses Modellprojekt führt daher zu zeitgemäßen Strukturen, die es wert sind erhalten zu werden.
So sieht es auch die Abgeordnete Hinz. Sie ist Patin vom MGH St. Anna, lässt ihr „Kind“ nicht im Stich. „Ich habe Arndt Sauer als engagierten Leiter und gute Seele des Mehrgenerationenhauses kennen gelernt. Sein Einsatz und seine Erfahrungen werden in ganz Deutschland angefragt, seine Ideen kopiert und umgesetzt. Das Programm, welches auf fünf Jahre angelegt war, mit einem Fördervolumen in Höhe von 200000 Euro finanziert und angeschoben wurde, muss weiter unterstützt werden. Die Überlegung, aus dem Mehrgenerationenhaus ein Kompetenzzentrum für das Miteinander der Generationen und für bürgerschaftliches Engagement zu entwickeln, erfährt meine ganze Unterstützung. Jetzt sind Bund, Land und Kommune gefragt, den bescheidenen finanziellen Bedarf von 40000 Euro pro Jahr gemeinsam mit Wirtschaft, Stiftungen und anderen Sponsoren zu unterstützen. Es ist eine Milchmädchenrechnung glauben zu machen, den Betrag von 40000 Euro für die anfallenden Kosten nicht zur Verfügung zu stellen, da die Aktivitäten einen bedeutend höheren Mehrwert für die Gesellschaft und für die ganze Stadt erbringen. Die Kommune ist aufgrund der finanziellen Situation nicht mehr in der Lage, dieses Angebot sowohl quantitativ als auch qualitativ vorzuhalten. Für mich ist es keine Frage, sondern eine Selbstverständlichkeit, dass ich mich im Rahmen der vor uns liegenden Haushaltsberatung für die „nachhaltige Sicherung“ der inhaltlichen Arbeit des Mehrgenerationenhauses nach der Modellphase einsetzen werde.“
Tja, aber wenn kein Geld mehr fließt? Der MGH-Vater Sauer lässt sein Kind nicht verhungern. „Wir arbeiten trotzdem weiter. Müssten uns jedoch von Sachen trennen. Aber – die Grundidee würde hier weitergelebt.“
Alle Fotos: Michael Gohl / West Anzeiger
Autor:Ingrid Schattberg aus Essen-West |
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