Körper-Sinfonie - kolossale Kribbelfahrt
Theater im Rheinisch-Westf. Berufskolleg Essen, Kerckhoffstraße 100!
Was Ungewöhnliches will Markus Edler, Pädagoge, auf die Beine, die Bühne stellen für Schüler der Sekundarstufe II. Es gelingt ihm und acht Darstellern in bewegender Weise. Die gewollt total ungewöhnliche Schultheaterproduktion bewegt sich an drei Tagen auf vier Bühnen im Pädagogischen Zentrum. Karten und Plätze sind rar, denn am Rheinisch-Westfälischen Berufskolleg Essen büffeln fast 1000 Schüler aus ganz Deutschland…
Das etwas „Andere“ auf den Bühnenbrettern der Schule beginnt mit dem Sinn „Hören“. Die acht Darsteller – „vier Mädchen, vier Jungen – also pari – sind hörgeschädigte Schüler, 17- bis 20-Jährig, die sich für kinetische Kunst stark interessieren. Dafür wiederum begeisterte sie Markus Edler enorm. Wieso? Angesteckt wurde der Lehrer bei einem Besuch im Gelsenkirchener Museum - Highlight kinetische Kunst – die sich mit Bewegung beschäftig; Lichtkinetik, Klang-Objekten, Handklatschen…
Kein normales Sprechtheater spult vor den Zuschauern ab. „Ich möchte, dass Schüler ihre Stärken zeigen und sie entwickeln können. Kein Behindertenapplaus ist erwünscht.“
Der Lehrer sinniert über das moderne Leben: „Das läuft rasant, schnell. Die Schüler werden mit Reizen heutzutage zugeschüttet von allen Seiten. Alles muss hastig, hektisch sein. Dafür habe ich keinen Bock. Mir geht es um das Körperbewusstsein. Das kann man erreichen, wenn man Bewegung verlangsamt. Dann entsteht Klarheit der Bewegung und Selbstkontrolle des eigenen Körpers. Daraus entwickelt sich eine Ästhetisierung der Bewegung, Schönheit; als wenn man die Bewegung unter ein Mikroskop legt – nicht aus Forschungs-, sondern aus ästhetischen Gründen.
Tja, Reibung, was Neues muss da sein, sonst wird es langweilig – auch für alle Beteiligten, ist sich Markus Edler sicher. Also dreht es sich um neue Erlebnismöglichkeiten.
Zur Handlung? „Die gibt es nicht. Jedoch mächtig viel zu gucken. Da wird keine Geschichte erzählt. Deshalb war auch der Titel „Körper-Sinfonie“ erst schwer zu finden. Das Publikum muss Interesse kriegen. Das Stück ist mehr komponiert - wie Musik für die Augen: Mal schnell, mal langsam. Steter Wechsel von Kontrasten, Überraschungen, Geschwindigkeiten, Positionen. Quasi eine Kribbelfahrt – für die Akteure natürlich auch.“
Der Wermutstropfen? „Über zehn Monate setzten sich die Darsteller mit kinetischer Kunst und deren theatralischer Umsetzung auseinander. Die Frucht der gemeinsamen Arbeit ist eine 45-minütige Rauminszenierung, die nicht nur den Raum durch die Bewegung der Künstler auf vier Bühnen in Schwingungen versetzt sondern auch die Besucher. Aber – jeweils nur 70 dürfen rein. „Man muss sich noch bewegen können, nicht wie die Kieler Sprotten in der Dose pressen“, bilanziert Edler.
Engagiert dabei wie ihre Mitstreiter ist die 19-jährige Saskia. Abi steht vor der Brust im naturwissenschaftlichen Bildungsgang. Später möchte sie im pädagogischen Bereich arbeiten. Kinetisch angesteckt wurde sie wurde vor zwei Jahren von Edlers „Rauminszenierung“ im Lehmbruck-Museum, Duisburg, „wo Skulpturen über die Schüler in Bewegung gesetzt wurden. Ich riskiere gern was, möchte Neues ausprobieren. Bin sehr neugierig.“
„Das Publikum hat das Recht, was Ordentliches geboten zu bekommen, nicht nur Schlamperei“, lockt der Macher. Also Ruhe bitte, dann entdeckt man eine neue Welt von Bewegung, die man noch nie gesehen hat. Genuss garantiert…
Körper-Sinfonie
Aufführungen: Mittwoch, 8.2., 16.30 Premiere; Donnerstag, 9.2., 16.30 Uhr; Samstag, 11.2., 14.00 Uhr. Rhein.-Westf. Berufskolleg, Kerckhoffstraße 100, Essen, Pädagogisches Zentrum. Eintritt: 5 €, 2.50 € Schüler. Tel. 0201/8767113; fax: 0201/751021, sekretariat@rwb-essen.de; Restkarten: Tageskasse
Fotos: Michael Gohl / West Anzeiger Essen
Autor:Ingrid Schattberg aus Essen-West |
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