Gut vorbereitet für die Industrie

Berufsschulkomplex am Westbahnhof: Die Backsteingebäude gehören zum Berufskolleg West. | Foto: Michael Gohl
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  • Berufsschulkomplex am Westbahnhof: Die Backsteingebäude gehören zum Berufskolleg West.
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Das Berufskolleg West bereitet eine große Schülerschaft auf das Arbeitsleben vor. Hier stellt man sich neuen Anforderungen hinsichtlich der Frage, wie die Ausbildung auf die fortschreitende Digitalisierung reagieren soll.


„Eigentlich“, erklärt Schulleiter Georg Greshake, „sind wir sechs Schulen in einer.“ Wie bitte, sechs? Sechs! Zunächst einmal ist der wuchtige Backsteinbau aus den 1920er-Jahren („So geräumig baut heute keiner mehr!“) eine große Berufsschule. Rund 1.000 Azubis, die beruflich mit „Metall“, „Kunststoff“, „Schutz und Sicherheit“ oder „Chemie“ zu tun haben, machen hier eine klassische Ausbildung im dualen System: drei Tage Betrieb, zwei Tage Schule.

Immer ein berufliches Fach

Jugendliche, die (noch) keinen Ausbildungsvertrag haben, bereitet das gewerblich-technische Kolleg auf eine Ausbildung vor. Diese Schüler können in der Einrichtung ihren Hauptschulabschluss oder Mittleren Schulabschluss nachholen. Dabei ist ein berufliches Fach immer Bestandteil des Unterrichts.
Das Berufskolleg bietet zwei Bildungsgänge an, die nach zwei bis drei Jahren zur Fachhochschulreife führen: die Berufsfachschule. Daneben gibt es im Haus das technische Gymnasium, an dem die Leistungskurse Mathematik und Maschinenbau Pflicht sind. Und – last but not least – die Weiterbildung an der Fachschule für Maschinenbautechnik. „Viele unserer staatlich geprüften Techniker landen später im mittleren Management“, berichtet Rektor Greshake.

„Wir sind Chancengeber“

Stolz macht den Schulleiter auch, dass das Kollegium am Westbahnhof jährlich zahlreiche Schüler in Essener Betriebe wie Spicer Gelenkwellenbau, Trimet oder TMD Friction vermittelt, weil die Lehrer gute Kontakte zu den Ausbildern in den Betrieben haben. Auf der anderen Seite, so Greshake, könnten die Unternehmen sich darauf verlassen, dass das Berufskolleg ihnen qualifizierte Kräfte zur Verfügung stellt.
Ein Bildungsgang im Berufskolleg West baut auf den anderen auf. Das eröffnet den Schülern viele Möglichkeiten, die eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. „Für die Jugendlichen sind wir Chancengeber!“, betont Georg Greshake. „Bei uns kann jeder etwas erreichen, wenn der Schwerpunkt stimmt.“

Gutes Schulklima

Der Schulleiter freut sich über eine „gute soziale Mischung“ im Haus, in das sich „ein paar Flüchtlinge“ – immerhin fünf Seiteneinsteigerklassen – ohne Weiteres einfügen. Der Umgang der überwiegend männlichen Schüler untereinander (der Frauenanteil liegt bei 10 Prozent) sei zum allergrößten Teil kollegial, das Unterrichtsklima angenehm.
Dass es bei fast 1.800 Menschen „Belegschaft“ auch mal Probleme gibt, zeigt der Fall des Maschinenbaulehrers, der jahrelang abstruse „Reichsbürger“-Thesen im Unterricht verbreiten konnte – trotz Meldung an die Bezirksregierung, wie der Schulleiter versichert. Seit März 2017 hat der „Reichsbürger“ am Berufskolleg nun Hausverbot. Gegen ihn läuft ein Verfahren.

Herausforderung „Industrie 4.0“

Die Industriekomponenten im Berufskolleg kosten viel Geld. Wie Georg Greshake berichtet, macht sich nach Jahren des Förderstillstands in letzter Zeit ein „neuer Wind“ bemerkbar, was die technische Ausstattung der Schule angeht. Dank des Fördervereins ist mittlerweile jeder Kursraum auch mit einem Beamer und einer Dokumentenkamera bestückt.
Die aktuell größte Herausforderung für das Berufskolleg ist die Hightech-Entwicklung in der Industrie („Industrie 4.0“). Natürlich will die Bildungseinrichtung ihre Schüler auf die digitalisierte Zukunft vorbereiten – nur weiß heute kaum jemand, wie diese Zukunft genau aussehen wird. Was muss ein Facharbeiter können, um Prozesse, Lagerbestände, das Backoffice zukünftig steuern zu können? Passende Ausbildungskonzepte zu entwickeln sei „eine Riesenanstrengung für das Kollegium, aber unglaublich spannend“, sagt der Schulleiter.

Lobbyarbeit und Geländegestaltung

Georg Greshake leitet das Berufskolleg West seit 2009. Vorher unterrichtete der bodenständige Velberter, der vom Bauernhof stammt, 24 Jahre am Heinz-Nixdorf-Berufskolleg nebenan. Und bildete Lehrer in den Fächern Elektrische Energietechnik und Mathematik aus.
Greshake ist ein leidenschaftlicher Verfechter „seiner“ Schulform. Dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund („Es gehen sowieso zu viele Schüler aufs Gymnasium, die dafür nicht geeignet sind!“). Die Berufskollegs, sagt Greshake mit Nachdruck, hätten eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe: „Wir puffern die Zeit im Alter zwischen 16 und 20 Jahren ab, die viele Schüler brauchen, um ausbildungsreif zu sein.“
Für die Interessen des gewerblich-technischen Berufskollegs engagiert sich der Pädagoge auch im Schulleiterverband „Heisinger Kreis NRW“. Und damit es nicht langweilig wird, hat er noch Pläne für ein neu gestaltetes Schulgelände. Na, dann: Im Pausenhof haben Schüler schon Hunderte Tulpen gepflanzt …

Infos
Berufskolleg West der Stadt Essen
Adresse: Am Westbahnhof 3–5, 45144 Essen
Gegründet: 1921
Anzahl Schüler: 1.700
Anzahl Lehrer: 71
Anzahl pädagogische Mitarbeiter: 2
Schulleiter: Georg Greshake
Website: www.berufskolleg-west.de

Autor:

Mareike Ahlborn aus Essen-Süd

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