Freund und Helfer vom Mordopfer

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„Berthold war der Hilfs-Sheriff im Westpark…“

Sie sind so unterschiedlich – krasser geht’s nicht. Harald Hagen fällt auf. Der 54-Jährige, Leiter Polizeisonderdienste, ist sehr ansehnlich, gepflegt, brilliert mit der Sprache. Wortkarg, rau dagegen Berthold Lehmann. Durch seinen wilden Bartwuchs wirkte er grimmig. Der Obdachlose (58) wurde ermordet (mit Benzin übergossen). Und doch - diese beiden Menschen verbindet eine tiefe Freundschaft. Über den Tod hinaus…

Es gibt bekanntlich den Stein des Anstoßes – der nur Gutes ins Rollen bringt. So wurde in der Bezirksvertretung III kürzlich einstimmig das Aufstellen des Gedenksteins für Berthold Lehmann im Westpark beschlossen. Außerdem der sehr engagierten Initiative um Udo Marx , er initiierte ein Sponsorenkonzert für Lehmann) viel Dank und Anerkennung ausgesprochen.

Tja, durch Medien erfuhr Harald Hagen, dass die Bezirksvertretung III jetzt über den Mahnmal- Zuschuss von 300 Euro entscheiden musste. Diese Summe fehlte noch, um im Westpark einen Gedenkstein für den getöteten Berthold zu finanzieren. Spontan erklärte sich Harald Hagen bereit, diesen Betrag privat zu spenden.

Warum? 2000 zog Hagen mit Familie nach Frohnhausen, nah am Westpark. „Der sah grauenvoll aus. Für Kleinkinder, Kinder lebensgefährlich. Spritzen, Glas blitzten aus den Sandkästen. Der Park war regelrecht versaut, verdreckt. Die Kriminalität hier sehr hoch. Harald Hagen reagierte.

„Mein erstes Ziel war, Drogenkonsumenten und Teilnehmern an Trinkgelagen deutlich zu machen, dass der Westpark nicht der geeignete Ort ist.“ Er handelte, indem er die Park-Patenschaft übernahm. „So richtig mit Vertrag von 2000 bis 2005. Die Bänke waren teilweise vollgerotzt von den Teilentwurzelten, die sich zum Saufgelage regelmäßig hier trafen. Obwohl überall Schilder stehen, dass auf Spielplätzen in Essen generell der Alkoholgenuss dort nicht gestattet ist.“ Also verbot Hagen diesen Gruppen, sich in diesem Parkbereich zu treffen. Sie trudelten runter zum Marktbereich.

„In diesem Zusammenhang kam es zum ersten Kontakt mit Berthold, der diese Maßnahmen unterstützte und seine „Kumpanen“ immer wieder auf das Verbot hinwies. Er erwähnte sogar, ‚wenn ich helfen kann, bin ich gerne dazu bereit‘…“
Auf Berthold war total Verlass. Hagen erinnert: „Morgens säuberte er die gesamte Parkfläche, wechselte die Mülltüten der übervollen Abfalleimer aus, stellte sie zum Abtransport an die Parkzufahrt. Die städtischen Betriebe waren übrigens für diese Unterstützung sehr, sehr dankbar. Ein sogenannter Automatismus entstand. Von jetzt auf gleich war der Park seine Arbeitsstätte. Ein Deal wurde gemacht: Als Gegenleistung bekam er von mir hin und wieder einen kleinen finanziellen Zuschuss und durfte sein Handy an der Steckdose auf unserer Terrasse aufladen.“

Doch irgendwann wurde alles – Müll und mehr – zu viel. Eine Lösung musste her. Harald Hagen wandte sich an das Grünflächenamt Herrn Gorny, denn die Arbeitsgeräte - Zangen, Mülltüten usw. – forderten erheblichen Platz auf seiner Terrasse. Der Clou: Ein Container kam per Kran zum Westpark. Berthold erhielt feierlich Schloss und Schlüssel dafür.

„Erst Wochen später stellte ich fest, dass dieser Container gleichzeitig sein neues Zuhause einräumte. Hier wurde einem bewusst, dass selbst eine 2 qm Wohnung mit 90 cm Deckenhöhe einen Menschen unendlich glücklich machen kann…Er hatte die alleinige Schlüsselgewalt. War unendlich stolz. Interessant, er meldete mir auch alle Beschädigungen im Park, denn er kannte meine Handy-Nummer; war jetzt sozusagen der Hilfs-Sheriff. Er betrachtete mich als Freund; half ja auch auf dem Markt den Händlern, schenkte meiner Frau ab und zu Restblumen.“

Berthold war so korrekt, dass er sich bei dem Beamten abmeldete, wenn er zweimal im Jahr nach Bayern fuhr. „Dann war er nicht verfügbar. Es war sein Job hier. Er versuchte mit seinen Möglichkeiten, unserer Gesellschaft was zurück zu geben – für evtl. soziale Zahlungen; zeigte somit mehr Verantwortung für die Gemeinschaft, als viele andere, die über ihn lästern. Berthold schenkte eine ganze Menge den Frohnhausern. Dass die Bürger, insbesondere die Kinder, heute störungsfrei – ohne Einwegspritzen und Saufgelage – ihre Freizeit auf dieser Fläche verbringen können, ist auch sein Verdienst!“

Tja, Harald Hagen bilanziert: „Warum identifizierten sich nur so wenige mit den öffentlichen Anlagen, heben Papier, Flaschen, Dosen nicht auf? Der Westpark war vor zehn Jahren marode, hässlich. Jetzt ist er malerisch schön. Ich bin gespannt, wie er in einigen Monaten aussieht.“

Ach ja, Bezirksbürgermeister Klaus Persch verspricht, dass die BV III sich nun an den Kosten der feierlichen Enthüllung des Gedenksteins, voraussichtliche Ende Oktober, beteiligt.

Spendenkonto für Berthold
Udo Marx ist gerührt, über die starke Anteilnahme am grausamen Tod von Berthold. So rief ihn Henning Büttner vor Tagen aus Hannover an, der bis vor kurzem in der Clausthaler Straße gewohnt hatte. Er war erschüttert, als ihm ein Freund erzählte, wie Berthold umgebracht wurde. 35 Euro überwies er.
Das Spendenkonto: Ev. Kirche Essen-Frohnhausen, BLZ 36050105, Sparkasse Essen, Konto 320444 3, Stichwort „Berthold Lehmann“.
Fotos: Gohl

Autor:

Ingrid Schattberg aus Essen-West

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