Denkmal für einen Obdachlosen? - Keine Neiddebatte
Die „Mord-Stele“ im Westpark: Zum Treffen, zur Trauer – zur Ruhe, zum Reden! -
Alles hat seinen Sinn im Leben? Auch der absolut grauenvolle Verbrennungstod von Berthold Lehmann…? Ein Stadtteil ist danach näher zusammenrückt, tiefer verwurzelt. Zur Gedenkfeier für den Obdachlosen erschienen ganz unterschiedliche Menschen aus unserer Gesellschaft, Wirtschaft, Politik. Die Neiddebatte um den „Stein“ für Berthold blieb aus…
Ja, die Berthold-hohe Stele im Westpark mit ausdrucksvollem Relief war vor Aufstellung bereits in aller Munde. Und Udo Marx erinnert bei der kleinen Gedenkfeier an seine eigene Aufarbeitung. Seine tiefe Betroffenheit, Erschütterung. „Zusammen mit Freunden ist die Idee entstanden, Bertholds „zu Hause“, hier diese Stelle, wo er gestorben ist, als Gedenkstätte zu erhalten.
Was soll dieser Stein? Es waren Stimmen zu hören, die sagten: Wozu ein Denkmal für einen Penner? Mit den Spenden kann man sinnvollere Sachen tun… Nach Gesprächen mit Fachleuten stellte sich heraus, dass unser soziales Netz mit materiellen Mitteln ausreichend versorgt ist.“
Marx verdeutlicht, „Berthold wurde nicht ermordet, weil er Obdachloser war, sondern dass die Tat – ohne respektlos sein zu wollen – eine von vielen Übergriffen, Grenzüberschrei-tungen ist, die täglich in unserer Gesellschaft geschehen. So wird klar, dass jeder von uns so schwach und angreifbar ist, wie Berthold es war und dass jedem von uns Schmerz und Unrecht jederzeit zustoßen kann.“
Was soll der Stein? „Natürlich wollen wir für Berthold einen Gedenkstein aufstellen – damit „Er“ nicht in Vergessenheit gerät. Unsere eigentliche, in die Zukunft weisende Intention zielt jedoch auf jeden einzelnen von uns ab. Wir stellen den Stein als Mahnmal für „uns“ auf. Damit möchten wir jedem die Möglichkeit geben, zu überlegen, an welcher Stelle in seinem/ihrem eigenen Leben man anfangen kann, die Welt menschlicher werden zu lassen.“ Berührende, eindringliche Worte von Marx sorgen für Stille, Beklommenheit der Gäste:
Der Stein solle eine Symbolkraft tragen:
weg von Brutalität – hin zum friedlichen Miteinander
weg vom Schlagen – hin zum Reden
weg von unterlassener Hilfeleistung – hin zu Übernahme von Verantwortung
weg vom Wegschauen – hin zum Hinschauen
weg von vernichtender Kritik – hin zu Verständnis und Wohlwollen
weg von Ungerechtigkeit – hin zu Gerechtigkeit
weg von Ausgrenzung – hin zur toleranten Gemeinschaft
weg von Nachlässigkeit – hin zur Fürsorge…
Auch Sätze von Bezirksbürgermeister Klaus Persch lösten Nachdenklichkeit aus: „Ich erhoffe mir von diesem Gedenkstein, dass er nicht nur an Berthold Lehmann erinnert, sondern, dass er uns allen bewusst macht, es gibt noch viele wie Berthold. Wir begegnen ihnen alltäglich, wir nehmen sie meist nur unbewusst wahr; sie stören manchmal unseren Anspruch an einen ordentlichen, sauberen Stadtteil. Die meisten Nichtsesshaften stammen ursprünglich aus geordneten Verhältnissen. Meistens waren es nicht selbst verschuldete Ereignisse, die sie aus der Bahn geworfen haben. Bringen wir ihnen mehr Akzeptanz und Verständnis entgegen…“
Und Augen wurden feucht als Peter Schwarzwald zu seinen Gitarrenklängen Songs aus der Friedensbewegung sang: They but for fortune; Imagine; forever young…
Tja, viel Demut wurde gezollt - dem allzeit hilfsbereiten Frohnhauser Berthold.
Mahnmal-Resonanz
Pfarrer Werner Sonnenberg: Ich finde es wichtig für die Menschen, dass das Mahnmal, wenn so etwas Schreckliches passiert, öffentlich zugänglich ist. Eine Erinnerung an den grauenvollen Mord – wie Menschen mit Menschen umgehen. Deswegen begrüße ich sehr die Initiative, wie Udo Marx diesen Förderkreis zusammengestellt hat. Eine Erinnerungskultur geht immer mehr den Bach herunter. Von daher ist der Stein absolut wichtig.
Achim Bronner, Leiter Apostel-Jugendhaus: Überraschend, wie viele Menschen ihn gekannt und auch wertschätzten. Wie sehr schockiert sie nach dem Verbrechen reagierten. Jetzt gibt es den Stein, damit wird Berthold noch einmal wertgeschätzt. Eine Ruhe-Stätte, wo man hin gehen kann – wo das Herz auch mal Ruhe findet. Ich weiß, wie Berthold die Kinder liebte – sie alle kannten ihn.
Marianne Bluhm, Ex-Kinderbeauftragte: Ich bin überrascht, über die Schönheit des Steins. Berthold hat ihn verdient.
Hartmut Hagen, Leiter Polizeisonderdienst: Den Stein finde ich auf der einen Seite nüchtern, nicht zu protzig; andererseits passt er genau. Die kleine Schrift – nicht hervorgehoben. Man muss – wie an den Mensch Berthold – sehr nah an ihn herantreten, um zu erkennen, was da steht. Fast niederknien…
Barbara Görgen, Leiterin KiTa Schwedenheim: Die Stele finde ich schon entsprechend zu dem, was passiert ist und zu dem, was bleiben soll – die Erinnerung an das Verbrechen. Aber auch die Erinnerung an einen Menschen, der sich für unsere Kindertagesstätte mit verantwortlich zeigte.
Wolfgang Köppen, Verwaltungsbeauftragter: Der Stein beeindruckt in seiner Schlichtheit. Er wird dem Mensch Berthold Lehmann – aber auch dem Ereignis gerecht.
Toto Regus, Fotograf: Der Stein als Mahnmal. Es steht a nichts drauf, was passiert ist: Die immer wieder hinterfragende furchtbare Geschichte. Eine Mahnung, die der Stein in sich birgt, wird also immer weiter transportiert - als abschreckende Erinnerung.
Ulli Liesner, Pädagogin: Der Stein ist Sinnbild für die Freiheit eines Jeden, seine Berufung zu leben; das wir jedem seine Freiheit lassen.
Gabi Giesecke, Linke Ratsfrau: Ein gutes Zeichen für wirkliches Engagement aus dem Stadtteil entstand hier im Westpark. Den Stein finde ich sehr gelungen, weil er das schreckliche Ereignis angemessen darstellt.
Susanne Kreuzer, BV III, Vorsitzende Linke: Hier ist jetzt ein Ort des Trostes. Die Stele ist sehr schön, weil sie so schlicht ist, viel vom ursprünglichen Stein zu sehen ist.
Lothar Foehse, CDU-Fraktionsvorsitzender: Ich finde den Stein sehr ansprechend, der Sache absolut, einmalig - würdig.
Jutta Krämer, stellv. Fraktionsvorsitzende SPD, BV III: Ich bin erschüttert. Stehe hier, um dem Ermordeten zu gedenken; danke dem ehrenamtlichen Engagement der Bürgerschaft für diese einzigartige Gedenkstätte.
Fotos: Michael Gohl / West Anzeiger
Autor:Ingrid Schattberg aus Essen-West |
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