Bye Bye Boss - der ersten Essener Gesamtschule
Schulchef Klaus Prepens verlässt die Gesamtschule Bockmühle...
Er hat fertig! Powermann Klaus Prepens, fast zwei-Meter-Goliath, Leiter der ersten Essener Gesamtschule – Bockmühle – hört mit Schule auf. Pension beginnt. Fertig mit den Nerven ist er nach über vierzig Jahren Schulzeit allerdings längst nicht. Er ist Schul-Manager von 1500 Schülern mit 131 Pädagogen, Schulvater, -beichtvater, -schlichter. Und Schul-Diva. Für Fotos ziert er sich – lange. Doch er kann auch anders. Kurzentschlossen: Einmalige, spontane Schul-Stärke beweisen; täglich gefordert. Schul-Einblick voll Leidenschaft, Kritik…
Also, ein 23000 qm Mammut-Baukomplex ist der Arbeitsbereich von Klaus Prepens. 1972 eröffnete die erste Essener Gesamtschule Bockmühle, Ohmstraße, ihre Türen. Seit 1973 ist er dabei. Erst als Lehrer, seit 1992 offizieller Leiter – vorher kommissarischer.
Wie viele Reformen gab es in 40 Jahren?
Es gab keine Vorgaben, als die Gesamtschule hier eingerichtet wurde, keine Zeugnisvordrucke, keine Bücher für Gesamtschulen, keine Richtlinien, keine Lehrpläne. Das sollte alles so im Aufbau entwickelt werden, auch die Unterrichtsmaterialien. Dann gab es 1978 so ein Grundmodell Gesamtschule – festgelegt die Differenzierung, Leistungsbewertung; Richtlinien und Lehrpläne; eine Grundstruktur für alle Gesamtschulen – sie kam als 4. Schulform zu den anderen Schulen dazu. Dann ergaben sich an allen Gesamtschulen Ausprägungen aus dem Umfeld heraus. Die Schule in Altendorf hat ein anderes Umfeld als eine auf dem platten Land. Die Schulen haben sich am Bedarf orientiert.
Seitdem ich an der Schule bin, sind es jetzt die dritten Lehrpläne, die ausgegeben worden sind. Im Moment, unter dem Stichwort Inklusion, verändern sich Schulen.
Die beste Reform?
Gesamtschulen sind eigenständiger geworden.
Würden Sie heute wieder Lehrer werden?
Ja. Ich habe nichts anderes gelernt, meinen Beruf immer gerne gemacht. Ich höre nicht, auf weil ich keine Lust mehr habe, sondern weil ich entsprechend alt geworden bin: 65.
Welche Veränderungen erlebten Sie bei den Kindern in 40 Jahren?
Kinder verändern sich mit der Veränderung der Gesellschaft. Beispiel: Wir haben jetzt 50 Nationalitäten hier vertreten an der Schule. Als ich anfing, konnte ich die an einer Hand abzählen. 50 Nationalitäten bringen sehr viele unterschiedliche Kulturerfahrungen hier an dieser Schule, die prägen auch die Kinder; die Vielschichtigkeit.
Zweitens: Der Fortschritt in der Kommunikationstechnik und in den Medien. Kinder haben heute Zugang zu so vielen Informationen unterschiedlichster Art, dass sie die gar nicht strukturieren und bewältigen können.
Die Auswirkungen? Was bekommt man in der Schule davon mit?
Unkonzentriertheit. Hohe Ablenkung. Änderung im Wertebewusstsein. Der Einzelne nimmt sich wichtiger.
Veränderungen bei den Lehrern?
Die entwickeln sich auch mit der Gesellschaft. Kollegen, die jetzt anfangen, sind nach anderen pädagogischen und didaktischen Grundüberlegungen ausgebildet als vor 20 Jahren. Was sich nicht geändert hat bei ganz vielen Lehrern - das Engagement; das finde ich nach wie vor bemerkenswert. Verglichen mit meinen Anfängen sind die jungen Lehrer heute etwas weniger euphorisch und weniger der Meinung, sie könnten mit der Schule die Welt verändern.
Was halten Sie von der heutigen Lehrerausbildung?
Die hat sich in den letzten Jahren ständig verändert. Im Moment sieht es so aus, dass die Ausbildungszeit verkürzt worden ist auf 18 Monate. Ich halte das nicht für günstig, denn ich glaube, man muss mit Absprache und in Kooperation mit seinen Ausbildungslehrern ein bisschen mehr ausprobieren können, Zeit dafür haben.
Würden Sie ein zweites Mal Lehrer/Schulleiter in Altendorf werden wollen?
Ich wollte nie weg, wollte Schulleiter werden. Ich sehe das sehr pragmatisch: Schule muss sich immer nach den Kindern richten, die zu ihr kommen; und die muss ihr Programm machen. Ich nerve meine Kollegen häufig, wenn man mich nach unserem Schulprogramm fragt – und ich ein schwedisches Kochbuch zitiere: Man nehme was man hat und koche, was man kann!
Würden sie heutzutage Schulleiter einer Gesamt- oder am anderen Schultyp werden wollen?
Ich fühle mich sehr wohl mit diesen Aufgaben - an dieser und mit dieser Stelle; ein anderer Schultyp nicht. Bin sehr davon überzeugt, dass man alle Kinder zu einer Schule schicken soll.
Erhielten Sie Unterstützung von Schulträger/Schulaufsicht?
Gute Zusammenarbeit hat es in der Zeit gegeben. Es ist klar, dass die Schule mehr Wünsche hat, als der Schulträger erfüllen kann; dass der wiederum manchmal Vorstellungen hat, die die Schule nicht teilen kann! Dann fällt es häufig schwer zu verstehen, dass man dem Schulträger gegenüber begründen muss, warum eine Schule für Sport eine Anlage braucht - mit 1500 Schülern, die Sport als Schwerpunktfach hat in beiden Sekundarstufen sowie Sport als Abiturfach! Manchmal hatte man das Gefühl, dass die Rolle, die die Schule im Stadtteil spielt, nicht mehr so wahrgenommen wird. Auf der anderen Seite gibt es auch Hilfsbereitschaft, Hilfe.
Was halten Sie von Inklusion?
Inklusion ist für mich zunächst mal der Anspruch an eine demokratische Welt und eine ganze Menge guter Absicht. Man versteht darunter ja den friedlichen Respekt und Umgang unterschiedlichster Menschen bei der gemeinsamen Arbeit. In der Schule reden wir von Integrationsklassen: Klassen, in denen nicht zielgleich lernende Kinder mit Regelschulkindern gemeinsam unterrichtet werden. Eltern eines Kindes, das nicht zielgleich lernt, können entscheiden, wo ihr Kind gefördert werden soll: Regelschule oder Förderschule. Sie müssen dabei wissen, welche Förderung die Regelschule leisten kann, welche es an der Förderschule gibt. Wenn Regelschulen keine Fördermöglichkeiten bekommen, d. h. personelle und sächliche Ausstattung, dann werden sie nicht leisten können, was Förderschulen mit der entsprechenden Ausstattung bieten. Ich bin sehr für Inklusion. Aber die kostet viel Geld!
Wer leitet nach den Ferien die Gesamtschule Bockmühle?
Auf Vorschlag der Bezirksregierung Julia Gajewski. Seit 14 Jahre ist sie an der Schule, didaktische Leiterin.
Herr Prepens, was kommt nach Ihrem Schulleben?
Werde ich ausprobieren. Mal ganz in Ruhe aufräumen. Bin mir aber ganz sicher, dass ich mich nicht langweile. Ich werde immer für Kollegen erreichbar sein, wenn sie was hören wollen; aber keine Vorschläge machen, wenn ich nicht gefragt werde.
41 Jahre - schräge, schillernde Schulzeit - mit einem prächtigen Prepens. Chapeau!!!
Fotos: Markus Decker
Autor:Ingrid Schattberg aus Essen-West |
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