„Auf zwei Beinen steht man besser“

Der „blaue Pavillon“. In den 1970er-Jahren begeisterte sich der junge Gerhard Gröne hier schon für die Gervinusschule und den Lehrerberuf.
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  • Der „blaue Pavillon“. In den 1970er-Jahren begeisterte sich der junge Gerhard Gröne hier schon für die Gervinusschule und den Lehrerberuf.
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Die Gervinusschule (Frohnhausen) hat eine Zweigstelle in der Diergardtstraße (Holsterhausen). Die städtische Grundschule setzt wegen der kulturellen Vielfalt ihrer Schüler auf individuelle Förderung.


Gerhard Gröne ist ein „alter Hase“. Nicht nur, weil er aus Frohnhausen stammt und hier vor Jahren selbst Grundschulkind war – er ist auch schon vierzig Jahre im Job. Das entscheidende Jahr für ihn war 1977. Da hat er vor dem Referendariat schon mal ein halbes Jahr in den Lehrerberuf hineingeschnuppert. Und war begeistert von seinem ersten Arbeitsplatz: der Gervinusschule! „Damals habe ich wirklich mein Herz an diese Schule verloren“ sagt Gröne, „weil ich erfahren habe, wie schön der Beruf des Grundschullehrers ist.“

Zwei Schulen, eine Erfolgsgeschichte

Dass er die Gervinusschule einmal leiten würde, hat sich Gerhard Gröne damals nicht träumen lassen – aber genau so kam es. Nach Jahren an der Cranachschule in Holsterhausen und der Johann-Peter-Hebel-Schule in Überruhr wurde er Leiter der Diergardtschule. Um das Jahr 2000 herum sollte die Diergardtschule dann geschlossen werden, während an der Gervinusschule die Stelle des Schulleiters gerade vakant war. Gröne ergriff die Initiative. Er bewarb sich und überzeugte die Verantwortlichen, den Standort Diergardtstraße als Zweigstelle der Gervinusschule weiterlaufen zu lassen. „Inzwischen ist die Stadt froh“, schmunzelt er. „Wir sind sehr gut nachgefragt.“

„Freude am Lernen“

Gefragt sind an der drei- bis vierzügigen Grundschule auch die Betreuungsangebote („Schule von 8 bis 1“ und OGS) Zwei Drittel der Kinder nehmen daran teil. Sie kommen aus 41 verschiedenen Nationen, Kulturen, Herkunftsländern. Außerdem gehen 15 Inklusionskinder zur Gervinusschule. Rektor Gröne: „Vielfalt haben wir hier wirklich! Dass wir aus diesem Reservoir schöpfen können, ist eine tolle Sache. Den allergrößten Teil unserer Kinder verbindet die Freude am Lernen.“
Für die Lehrer bedeutet „Vielfalt“ natürlich auch eine Herausforderung. „Der Unterricht heute ist nicht mehr mit dem vor 20 Jahren vergleichbar“, bestätigt der Schulleiter. Die Gervinusschule hat sich auf die verschiedenen Bedürfnisse der Schüler eingestellt, indem sie die Kinder möglichst individuell fördert. Das heißt: Alle machen eigene Aufgaben im Unterricht, im eigenen Tempo. In den unteren Klassen arbeitet die Schule auch mit Lehrer-Doppelbesetzungen (Team Teaching).
Einer Klasse ein Gemeinschaftsgefühl zu vermitteln, obwohl die Schüler so viel für sich lernen, ist eine Kunst. Schulleiter Gröne hat viel Lob für die Kolleginnen und Kollegen übrig, die hier ihr Bestes gäben und alle Verantwortung übernähmen. Dennoch sei eines sicher: „Wir brauchen kleinere Klassen und mehr Lehrer!“

Sprachförderung und Sport

Die Förderung der deutschen Sprache liegt der Gervinusschule am Herzen. Sie sei ein Muss, sagt der Schulleiter – wegen der vielen zugezogenen Kinder, aber auch, weil die Sprache durch zu viel Fernsehen, Playstations und Co. allgemein verarme. Durch Lese- und Förderangebote sowie eine Schülerbücherei in der Diergardtstraße steuert die Grundschule gegen. Momentan kämpft sie dafür, eine ehemalige Hausmeisterwohnung am Standort Gervinusstraße als Bücherei herrichten zu können.
Sport wird in der Gervinusschule ebenfalls großgeschrieben. Mehrere Lehrerinnen haben Sport studiert und unterstützen das Konzept „Bewegte Schule“. Schwimmen gehört zum Programm (im Friedrichsbad bzw. im Schulschwimmbad der Gesamtschule Holsterhausen), aber auch die Benutzung der schuleigenen Verkehrsübungsplätze, deren Fahrzeuge auch in den Pausen beliebt sind. Eine eigene Turnhalle hat die Gervinusschule nicht, „dafür müssen wir bis zur Bezirkssportanlage Raumerstraße fahren“, bedauert Gerhard Gröne.
Zum Ausgleich nutzen die Grundschüler eifrig den benachbarten Gervinuspark, z. B. zum Joggen. Oder sie machen Akrobatik als Training für das „alternative Schulsportfest“. Alle vier Jahre schlägt außerdem der Zirkus Jonny Casselly sein Zelt auf dem Schulhof auf – so kann jedes Kind in seiner Grundschulzeit einmal bei der Zirkus-Projektwoche mitmachen (das nächste Mal im Jahr 2020).

Islamkundelehrer(in) benötigt

Etwa die Hälfte der Grundschüler an der Gervinusstraße sind mulimischen Glaubens, etwa 40 Prozent sind christlich und etwa 10 Prozent konfessionell nicht gebunden. Muslimische Schüler gibt es also genug – nur fehlt ihnen ein Religionslehrer. Während des (christlichen) Religionsunterrichts haben sie momentan „Lernzeit“ mit Sprachförderung. Um Islamkundelehrer hat sich die Gervinusschule lange bemüht, mangels kompetenter Bewerber sind die Ausschreibungen bisher jedoch im Sande verlaufen. „Leider!“, seufzt Schulleiter Gröne. „Für unsere muslimischen Kinder wäre eine Lehrkraft, die mit den christlichen Religionslehrerinnen zusammenarbeitet, sehr wichtig. Traurig ist ja, dass heute das Verbindende in den Religionen immer mehr in Vergessenheit gerät.“

Kooperationen und Sanierungswillen

Im Essener Westen kooperiert die Gervinusschule mit Kitas, Sportvereinen und den weiterführenden Schulen („Schulen im Team“). Hilfe von außen hat sie im vergangenen Schuljahr 2016/17 durch verschiedene Institutionen und Sponsoren erfahren, allen voran durch den Rotaryclub – der den Diergardt-Schulhof mit einem Verkehrsübungsplatz ausgestattet hat – und die EVAG, die Azubis geschickt hat, um die Schule an diversen Stellen mit einem frischem Anstrich zu versehen.
In den Sommerferien beginnen jetzt auch Sanierungsarbeiten an den maroden Toilettenanlagen der Diergardtstraße. Den Schulleiter freut’s, dass die Stadt hier Wort gehalten hat, haben Kollegium und Elternschaft doch jahrelang dafür gekämpft.
Wenn er noch einen Wunsch frei hätte, würde der Schulleiter dann eine Turnhalle auf dem Gervinus-Gelände bauen lassen? Nein, sagt Gerhard Gröne, da gebe es noch Wichtigeres: „Wir benötigen dringend zwei Klassenräume mehr. Um klarzukommen, müssen wir jetzt schon aufwendige Raumbelegungspläne machen.“ Längst hat die Gervinusschule ihren Raumbedarf beim NRW-Förderprogramm „Gute Schule 2020“ angemeldet. Nun hofft sie, dass sie in der Schulzeitung „Gervinus-Info“ bald eine Förderzusage bekannt geben kann. Die Schüler werden in Zukunft ja nicht weniger, die Bertelsmann-Studie lässt grüßen …

Infos
Gervinusschule
Städtische Grundschule
Adresse: Gervinusstr. 28, 45144 Essen (Hauptstelle)
Diergardtstr. 10, 45144 Essen (Zweigstelle)
Gegründet: 1900
Anzahl Schüler: 330
Anzahl Lehrer: 25
Anzahl pädagogische Mitarbeiter: 8
Schulleiter: Gerhard Gröne
Website: https://gervinusschule.essen.de

Autor:

Mareike Ahlborn aus Essen-Süd

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