Fragen an Pfarrer Werner Sonnenberg aus Frohnhausen zur Corona-Krise und deren Folgen
Wie wird sich die Welt verändern?

 Pfarrer Werner Sonnenberg beantwortete Fragen des Stadtspiegels zum Thema Corona. | Foto: privat
  • Pfarrer Werner Sonnenberg beantwortete Fragen des Stadtspiegels zum Thema Corona.
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Die Welt wurde Anfang des Jahres vom Corona-Virus eiskalt erwischt. Erste Erkrankungen in China wurden in Europa zwar zur Kenntnis genommen, haben uns zu diesem Zeitpunkt aber - noch - nicht weiter beunruhigt. Nun sind wir mittendrin in der Pandemie. Zu diesem Thema sprach der Stadtspiegel mit Pfarrer Werner Sonnenberg von der Evangelischen Kirchengemeinde Essen-Frohnhausen und zudem Kurator des Kunstraums Notkirche:

Hätten Sie sich vor wenigen Monaten vorstellen können, dass uns jemals ein Virus mit dieser enormen Wucht zu schaffen machen würde? Und das direkt vor der Haustür?
Anfang des Jahres war für mich der Ausbruch der Corona-Krise weit weg in China beheimatet. Die vormaligen Epidemien wie SARS oder die Vogelgrippe kamen vor Jahren auch aus dem asiatischen Raum und die übrige Welt blieb weitestgehend verschont. Das Ausmaß der weltweiten Ausbreitung von Covid-19 hat mich absolut überrascht. Selbst die ersten Fallzahlen in Deutschland haben mich zunächst nicht beunruhigt. Doch die von Wissenschaftlern, z. B. Virologen, aufgezeigten Prognosen sind eingetroffen. Wir leben mitten in einer weltweiten Pandemie. Das Virus ist vor unserer Haustür angekommen. Es lässt sich nicht vertreiben, sondern nur eindämmen. Wir alle sind betroffen.

Was sagen Sie zu den Einschränkungen, von denen wir derzeit betroffen sind und die ein Spagat zwischen Menschenleben retten und die Wirtschaft nicht völlig abwürgen sind?
So sehr es mich schmerzt, keinen direkten persönlichen Kontakt zu Menschen im Stadtteil, der Kirchengemeinde und zu meiner übrigen Familie zu halten, so sehr überzeugen mich die politisch getroffenen Maßnahmen im Hinblick auf den Gesundheitsschutz für alle Menschen und Generationen. Dafür sind auf Zeit manche Grundrechte unserer Demokratie ausgesetzt worden. Doch die „Würde des Menschen“ nach Artikel 1 des Grundgesetzes hat vor wirtschaftlichen Interessen zunächst Vorrang. Die schnell getroffenen finanziellen Schutzschirme für große und kleine Unternehmen können über diese schwere Zeit manche Existenzangst auffangen und lindern. Denn es wird ein Leben und ein Wirtschaften nach der Pandemie wieder geben. Davon bin ich überzeugt.

Wie gehen Sie persönlich mit den Maßnahmen um und wie begegnen Sie Menschen, die aufgrund der aktuellen Lage verunsichert sind?
Ich halte mich wie die meisten MitbürgerInnen in dieser Corona-Krise an die grundlegenden Verhaltensregeln wie häufiges Händewaschen und Abstand halten zu Mitmenschen. Und beim Einkauf trage ich Mundschutz. Mich trägt in dieser außergewöhnlichen Zeit ein Bibelwort durch den Alltag: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern den Geist der Kraft, der Nächstenliebe und der Besonnenheit.“
Als Pfarrer halte ich nun den Kontakt nach außen durch Telefongespräche und Email-Korrespondenz. Menschen, die verunsichert bei mir anrufen, erzählen mir zunächst ihre ganz persönliche Geschichte. Die konkreten Anfragen für einen Lebensmitteleinkauf oder Gassi gehen mit dem Hund gebe ich weiter an das Ehrenamtsmanagment des Kirchenkreises Essen (Mobil: 0176-58884702). Doch die Ärmsten der Armen kommen nach wie vor zu mir an die Haustüre. Sie erzählen mir ihre Not in dieser Zeit und erhalten ein offenes Ohr mit Abstand und einen „Notgroschen“ aus der Diakoniekasse.

Positiver Nebeneffekt des Corona-Virus: Eine Welle der Hilfsbereitschaft hat sich in Gang gesetzt, viele Menschen engagieren sich ehrenamtlich. Sind Sie davon überrascht?
Es ist erfreulich zu sehen, dass es in unserer Gesellschaft Zusammenhalt und Solidarität gibt. Eine und einer hilft der Anderen und dem Anderen in Notzeiten. Es ist ein Zeichen dafür, dass der Glaube an die Gemeinschaft wirkt. Und er bewirkt dieser Tage und Wochen Wunder. Dazu zählt die Hilfe der Nachbarn, FreundeInnen und freiwilligen HelferInnen. Junge Menschen stellen alten und betroffenen Menschen Essen vor die Tür. Man zeigt sich in der Not solidarisch. Das ist wunderbar und eine Erfahrung, die nach der Pandemie weiterwirken wird.

Mit welchem Gefühl blicken Sie in die Zukunft? Wird die Welt, wird sich der Essener Westen, nach der Corona-Krise grundlegend verändert haben?
Wenn wir diese Menschheitskrise überstanden haben, wird unsere große und kleine Welt eine andere sein. Die Erfahrung, die jede und jeder nunmehr macht, nämlich wie zerbrechlich und fragil unser Leben und das der Welt ist, dass wird grundlegend Folgen haben.
Wir werden Lebensgewohnheiten, Verhaltensweisen und Wirtschaftsabläufe, die wir bisher als selbstverständlich hingenommen haben, neu hinterfragen. Denn große Herausforderungen stehen nach wie vor im Raum unseres Lebens. Ein Beispiel ist, dass unser geplünderter Planet Erde ebenso auf der Intensivstation mit hohem Fieber liegt. Wie werden wir nachhaltig unser Leben im Privaten, in der Gesellschaft und in der Wirtschaft ändern, damit unsere eine Erde lebenswert bleibt. Ich gehe dennoch mit Zuversicht in diese Zukunft. Ich vertraue darauf, dass Menschen aus den Erfahrungen, die sie jetzt machen, lernen. Es wird einen gesellschaftlichen Diskurs geben auch im Essener Westen: Wie wollen wir die Zukunft unseres Zusammenlebens in unserem Gemeinwesen gestalten, organisieren und nachhaltig leben? Dazu möge Gott uns Kreativität, Nächstenliebe und Verstand geben.

Autor:

Frank Blum aus Essen-Süd

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