Interview: Dr. Dagny Holle-Lee, Leiterin des Westdeutschen Kopfschmerzzentrums am UK Essen
Schokolade ist wohl eher unschuldig
Wer in diesen Zeiten völlig entspannt durch den Tag kommt, dürfte die große Ausnahme sein. Kopfschmerzen sind in stressigen Zeiten nicht selten. Doch manchmal beeinträchtigt der Schmerz als Migräne auch stark den Alltag. Der Stadtspiegel und seine Nachrichten-Community Lokalkompass.de haben mit Dr. Dagny Holle-Lee, Leiterin des Westdeutschen Kopfschmerzzentrums am Universitätsklinikum Essen, gesprochen.
Wie viele Menschen leiden unter Migräne?
In Deutschland leiden etwa 10 Millionen Menschen unter Migräne. Mehr Frauen als Männer sind betroffen. Etwa 8 Prozent der Männer haben Migräne, die Erkrankung ist also auch beim Mann nicht untypisch. Bei vielen tritt sie nur sporadisch auf. Daher wissen die meisten gar nicht, dass sie darunter leiden. Bei etwa einem Prozent der Bevölkerung liegt eine sogenannte chronische Migräne vor. Sie haben dann an mehr als 15 Tagen im Monat Kopfschmerzen.
Wie sieht die Altersstruktur hier aus?
Die meisten Betroffenen sind zwischen 20 und 40 Jahren alt. Dabei beginnt die Erkrankung zumeist mit der Pubertät und bessert sich deutlich im höheren Alter - bei Frauen zumeist mit der Menopause. Bereits 5 bis 6 Prozent der Kinder leiden unter einer Migräne. Sie geht nicht selten mit Bauchschmerzen einher und wird daher oft erst später erkannt.
Was sind die typischen Symptome für eine Migräne? Wie kündigt sie sich an?
Typische Symptome einer Migräneattacke sind ein moderater bis starker Kopfschmerz mit typischer Begleitsymptomatik. Hierzu zählen Licht-, Lärm- und Geräuschempfindlichkeit, Übelkeit und Erbrechen. Diese Symptome sind nicht bei jedem gleich stark ausgeprägt. Manche müssen sich in einen dunklen Raum zurückziehen. Andere dagegen stört nur helles Sonnenlicht. Den eigentlichen Schmerzen geht häufig eine sogenannte Vorläuferphase voraus. Dann sind Migränepatienten gereizter, gähnen häufiger und haben manchmal auch Heißhungerattacken. Direkt vor der Migräneattacke haben einige eine sogenannte Aura. Das können zum Beispiel Sehstörungen sein, ähnlich wie ein Flimmern.
Was können Auslöser sein?
Die Migräne ist eine genetisch bedingte Erkrankung. Verschiedene Auslöser können aber zur Entstehung der einzelnen Migräneattacke führen. Dabei ist meistens nicht nur ein Auslöser allein verantwortlich. Bei Frauen spielen häufig hormonelle Gründe zum Beispiel während der Menstruation eine wichtige Rolle. Aber auch Stress, zu viel oder zu wenig Schlaf und ein unregelmäßiger Lebensrhythmus können Attacken auslösen Die häufig beschuldigte Schokolade spielt wahrscheinlich eher keine Rolle. Vielmehr kommt es in der Vorläuferphase zu Heißhunger auf Schokolade. Egal ob man dann sie isst oder nicht: Die Migräne entsteht.
Wie sieht die Behandlung aus?
Man unterscheidet eine akute von einer prophylaktischen Therapie. Die Akuttherapie dient dazu, die Migräneattacke zu unterbrechen. Hierfür werden bestimmte Schmerzmittel eingesetzt, gegebenenfalls auch Migräne-spezifische, die sogenannten Triptane. Die prophylaktische Therapie dagegen zielt darauf ab, dass weniger Attacken entstehen. Hier ist zum einen die nichtmedikamentöse Therapie sehr wichtig. Dazu zählen Ausdauersport, Entspannungsverfahren und ein regelmäßiger Lebensrhythmus. Zum anderen gibt es aber auch Medikamente, die man täglich einnimmt, um die die Migräne- Häufigkeit zu vermindern. Meistens muss man sie mehrere Wochen einnehmen, bevor man eine Wirksamkeit bemerkt. Eine Heilung der Migräne ist durch Medikamente nicht möglich.
Was können die Betroffenen darüber hinaus selbst tun?
Insbesondere Veränderungen des Schlafrhythmus wirken sich negativ auf die Migräne aus. So kommt es zum Beispiel häufig am Wochenende oder im Urlaub zu Migräneattacken, weil man plötzlich sehr viel länger schläft als im Alltag. Es hilft dann schon, wenn man nicht direkt am ersten Urlaubstag lange ausschläft, sondern erstmal im normalen Rhythmus bleibt und sich langsam an den Urlaubsrhythmus herantastet.
Autor:Frank Blum aus Essen-Süd |
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