Thema Schlaganfall: Interview mit Prof. Dr. Martin Köhrmann vom Universitätsklinikum Essen
Keine Zeit verlieren
Das Corona-Virus bestimmt derzeit das Geschehen. Doch auch abseits davon müssen Patienten mit verschiedensten Erkrankungen versorgt werden. Rund 270.000 Menschen erleiden jedes Jahr allein in Deutschland einen Schlaganfall. Zu diesem Thema hat der Stadtspiegel und seine Nachrichten-Community Lokalkompass.de mit Prof. Dr. Martin Köhrmann, stellvertretender Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen, gesprochen. Er ist außerdem auch Professor für klinische Schlaganfallforschung.
Gib es schon Wochen oder Monate vorher Anzeichen, die auf einen drohenden Schlaganfall hinweisen?
Richtige Warnzeichen gibt es nicht. Häufig tritt der Schlaganfall – wie der Name schon sagt - schlagartig und ohne Vorwarnung auf. Gar nicht so selten treten jedoch in den Wochen zuvor schon flüchtige neurologische Symptome ähnlich die eines vollendeten Schlaganfalls auf, die sich dann jedoch rasch wieder zurückbilden. Diese Symptome entsprechen eigentlich nicht wirklich Warnsymptomen, sondern sind schon bereits Anzeichen einer echten Durchblutungsstörung des Gehirns. Leider werden diese Symptome von den Patienten häufig nicht richtig eingeordnet oder ernst genommen. Durch eine sofortige Behandlung auf einer Schlaganfall-Spezialstation, der sogenannten Stroke Unit, könnten, das zeigen auch Studien, eine Vielzahl schwerer Schlaganfälle bei diesen Patienten verhindert werden.
Was kann ich zur Vorsorge tun?
Die Vorsorge des Schlaganfalls gleicht eigentlich der aller Gefäßerkrankungen, wie z. B. des Herzinfarktes. Dabei spielen die zentralen und gut bekannten Risikofaktoren eine zentrale Rolle. Zu nennen ist dabei an erster Stelle die ausreichende körperliche Aktivität am besten mit regelmäßigem Ausdauersport. Dies wirkt sich nicht nur positiv auf Stoffwechsel, Zuckerhaushalt, Blutdruck und Gewicht aus, sondern ist auch in der Prävention anderer Erkrankungen wie der Demenz präventiv wirksam. Aber auch die anderen Risikofaktoren, wie z. B. das Rauchen gilt es möglichst zu vermeiden bzw. optimal zu behandeln. Im Rahmen unserer Neurovaskulären Spezialsprechstunde bieten wir eine umfassende Beratung hierzu v. a. für Risikogruppen an.
Welche Symptome deuten akut auf einen Schlaganfall hin?
Kardinalsymptome eines Schlaganfalls sind letztlich alle akut eintretenden neurologischen Ausfälle. Meist betreffen diese nur eine Körperhälfte, so Lähmung einer Seite, einseitige Gefühlsstörungen oder das Herabhängen eines Mundwinkels. Weitere Symptome sind Störungen der Sprache oder Sprechens. Patienten reden wirr, finden nicht die richtigen oder gar keine Wörter mehr bzw. verstehen das Gesprochene nicht mehr. Auch Sehstörungen z. B. mit Doppelbildern, können typisch sein.
Wie verhalte ich mich, wenn ich vermute, dass ich einen Schlaganfall habe?
Das wichtigste ist es im akuten Schlaganfall keine Minute zu verlieren und sofort den Rettungsdienst zu verständigen. Für eine erfolgreiche Therapie ist am Ende jede Minute entscheidend. Kollegen aus den USA haben einmal in einem Modell errechnet, dass pro Minute ca. 2 Mio. Nervenzellen und 12 km Nervenbahnen im Gehirn zugrunde gehen. Das ist dramatisch. Wir können den Schlaganfall mittlerweile in vielen Fällen gut behandeln, dafür sind wir aber darauf angewiesen, dass die Patienten rasch in die Klinik kommen.
Wie sieht die Behandlung des Schlaganfalls aus? Wie stehen die Chancen, dass Symptome wie Sprach- oder Gangstörungen wieder vollständig zurückgehen.
Wir können heute in Schlaganfallzentren wie dem Universitätsklinikum Essen auf eine ganze Reihe sehr erfolgreicher Therapiemöglichkeiten zurückgreifen. In aller erster Linie geht es dabei um die möglichst rasche Wiederherstellung der Blutversorgung des betroffenen Hirnareals. Dafür stehen uns sowohl medikamentöse Verfahren, als auch interventionelle Verfahren zur Verfügung. So können in Zusammenarbeit mit den Spezialisten der Neuroradiologie sogar sehr schwere Schlaganfälle heute in einer Vielzahl der Fälle gut behandelt, ja sogar komplett geheilt werden. Wichtig ist, Schlaganfalltherapie ist absolutes Teamwork. Nur in optimalem Zusammenspiel des gesamten Teams bestehend aus Ärzten verschiedenster Disziplinen, spezialisierter Pflege, und Co-Therapeuten unserer Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie, können wir das Optimale für unsere Patienten erreichen. Das ist ein sehr hoher Aufwand, den wir als Schlaganfallzentrum betreiben, der sich aber für unsere Patienten bezahlt macht. Für unsere Strukturen und optimierten Abläufe, sind wir dabei am UK Essen als eines der ersten Zentren in Deutschland auch von der Europäischen Schlaganfall Organisation als „Stroke Center“ zertifiziert.
Autor:Frank Blum aus Essen-Süd |
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