Der Schluckauf: peinlich, lästig, gefährlich!
Ob beim Kaffeeklatsch, in der Kirche oder im Konzert, absolut unerwünscht ist das plötzliche stoßweise quiekende „Hicksen“, schlimmer als Husten und Niesen, und es kann dauern. Das nervt ungemein. Misstrauische Blicke signalisieren unmissverständlich, was die meisten als Auslöser unterstellen, nämlich übermäßigen Alkoholkonsum- sie halten den Schluckauf geradezu für ein Erkennungszeichen. Ein Klischee, aber gar nicht so falsch. Allerdings stimmt es nicht immer.
Doch, wo kommt er her, dieser Hickser?
Direkt aus dem Bauch, genauer gesagt von einem gewölbtem Muskel, der den Brustraum von der Bauchhöhle trennt und für die Atmung sorgt. Vom Zwerchfell also, das sich beim Einatmen brav zusammenzieht, dabei den Bauch nach unten/vorne schiebt und damit das Volumen im Brustkorb ausdehnt. Der nun entstehende Unterdruck läßt die Luft aus der Umgebung automatisch in die Atemwege einströmen. Vorausgesetzt die Stimmritze ist offen. Entspannt sich das Zwerchfell wieder, läuft der Vorgang umgekehrt, der nach vorne verdrängte Bauch flacht wieder ab.
Reine Nervensache
Gesteuert wird das Ganze von einem Nerven, dem „Phrenicus“, der vom Gehirn durch den Brustkorb den langen Weg zum Zwerchfell verläuft. Das macht ihn irgendwie leichter irritierbar. Zu hastiges Kauen und Schlucken, zu heiße oder zu kalte Speisen oder auch zuviel Alkohol oder Nikotin mag er nicht. Dann schickt er einen Notruf zum Gehirn, das prompt das Zwerchfell in rhythmisches Prostestzucken versetzt und gleichzeitig reflexartig die Stimmritze verschließt. Die Luft prallt unversehens gegen die geschlossenen Stimmbänder. Was sich gerade noch durchquetschen kann, macht den allseits bekannten Hickser. Gott sei Dank- verschwindet er auch meistens so schnell wie er gekommen ist.
Luftanhalten oder Zitronensaft?
Ist er hartnäckiger, soll aktives Luftanhalten oder ein Glas kaltes Leitungswasser helfen, ebenso ein mit Zitronensaft getränktes Stück Zucker oder ein Happen Erdnussbutter. Aber wer hat das alles griffbereit beim Opernbesuch? Alternativ Zunge herausstrecken und kräftig dran ziehen oder mit dosiertem Fingerdruck die Augäpfel massieren, aber geht das alles in der Öffentlichkeit im Foyer z.B.? Und ob es dann hilft, ist keineswegs garantiert. Der wichtigste Punkt ist bei allen Maßnahmen: die Ablenkung! Am besten durch Erschrecken, ein Schreck lässt das Zwerchfell das nächste Zucken vergessen!
Auch das gibt es, der Dauerhickser, der über Stunden, manchmal sogar auch tagelange den armen Zwerchfellbesitzer nervt. Und wenn das auch in der nacht nicht aufhört, dann wird es wirklich kriminell. Die sich nun unweigerlich breitmachende Müdigkeit macht zusätzlich depressiv. Soweit sollte es nicht kommen lassen, eine Kombinationen aus beruhigenden oder nervenstimulierenden Mitteln sollte versucht und eine längerfristige Atem- und Verhaltenstherapien angeschlossen werden.
Nerv durchtrennen?
Wenn das alles auch nichts bringt, kann eine Blockade oder Unterbrechung des Zwerchfellnerven erwogen werden entweder durch Lokalanästhetika oder sogar durch eine chirurgische Durchtrennung. Als ultima ratio bleibt der Versuch einer Zwerchfell-Schrittmacher-Implantation. Vergleichsweise kompliziert und ziemlich aufwendig in Anbetracht des eigentlich harmlosen Hicksers.
Manchmal steckt auch etwas ganz Verrücktes dahinter, nämlich eine Schilddrüsen-überfunktion oder eine Magen-Darm- und Leberentzündungen, und leider auch bösartige Tumore, die alle den Zwerchfellnerven irritieren können, insbesondere, wenn zusätzliche Symptome wie Müdigkeit, Gewichtsverlust oder Schwellungen im Halsbereich mit dabei sind.
die verschluckte Gabel
Und auch nicht zu vergessen, wenn der akute Schluckauf von Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Lähmungserscheinungen, Sprachstörungen und/oder Sehstörungen begleitet wird, könnte das ein Alarmsignal für einen Schlaganfall sein. Dann sofort den Notarzt rufen!
Das war dann auch der letzte Ausweg für einen schluckaufgeplagten Mann, nachdem er sich durch Einführen einer Gabel in den Rachen von seinem Leiden hatte befreien wollen. Endergebnis, die verschluckte Gabel musste mit einem Notfalleingriff entfernt werden.
Akupunktur hilft immer?
Es ist also von Außenseitermethoden abzuraten. Ob die vielversprechenden und hochgelobten naturheilkundlichen Behandlungsempfehlungen einschließlich der Akupunktur wirklich etwas bringen, bleibt einem Versuch überlassen. Auch hierbei gibt es enttäuschte Erwartungen. Hauptsache, nicht verzweifeln, irgendein Hausmittelchen gegen Schluckauf hilft meistens, manchmal braucht es etwas Geduld. Aber auf keinen Fall eine risikoreiche Selbstbehandlung, sonst landet man s.o. wirklich notfallmäßig auf dem Op Tisch!
Autor:Dr. Helmut Förster aus Essen-West |
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