Experte Michael Falkenstein über unsere wichtigste Überlebens-Software
Coronavirus: Die Angst geht um

Michael Falkenstein, KKH-Experte für Psychologie. | Foto: KKH
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Das Coronavirus hält die Welt seit Wochen in Atem. Drastische Maßnahmen werden in China, aber zum Beispiel auch in Deutschland ergriffen, um die Ausbreitung der neuen Lungenkrankheit zu verhindern. Auch wenn das Kern-Infektionsgebiet Wuhan rund 8.300 Kilometer Luftlinie von Deutschland entfernt liegt: Bei vielen Menschen weckt das Ängste. So sind in hiesigen Apotheken beispielsweise vereinzelt Mund- und Atemschutzmasken ausverkauft. Michael Falkenstein, Experte für Psychologie von der KKH Kaufmännische Krankenkasse, erklärt, woher solche Ängste kommen und wie man sie in den Griff bekommt.

Herr Falkenstein, die Gefahr für die eigene Gesundheit ist nach wie vor gering, denn die deutschen Gesundheitsbehörden schützen die Bevölkerung systematisch vor Infektionsketten. Kein Grund zur Panik also. Dennoch sind viele Menschen beunruhigt, das neue Virus könne sich auch bei uns ausbreiten. Warum?

Das Coronavirus ist neu, und Neues ist oft angstbehaftet. Wir sind verunsichert, weil wir noch wenig über die Lungenkrankheit und deren Verlauf wissen. Eine schützende Impfung oder spezielle Therapie zur Behandlung gibt es noch nicht. Mögliche Risiken sind daher schwer einzuschätzen. Gegenbeispiel ist die Grippe. Daran erkranken laut Robert Koch-Institut (RKI) während einer saisonalen Grippewelle allein in Deutschland zwischen zwei und 14 Millionen Menschen, und sehr viele sterben daran. Solche Fakten über die Grippe sind uns bekannt. Und doch hat kaum jemand Angst vor einer Erkrankung, obwohl das Risiko hierfür laut Experten sehr hoch ist.

Ängste können Menschen krank machen. Sind sie grundsätzlich negativ?

Nein, ganz im Gegenteil. Ängste sind vom Ursprung her positiv und fest in unseren Genen verankert. Ein Beispiel: Wir sind auf einer extrem gefährlichen, engen, kurvenreichen Straße mit dem Auto unterwegs und haben Angst, die Kontrolle über unser Fahrzeug zu verlieren. Was geschieht? Wir werden vorsichtig, drosseln das Tempo und sind hochaufmerksam, um einen Unfall zu vermeiden. Genauso verhält es sich mit dem Coronavirus. Viele Menschen haben Angst, sich anzustecken. In der Folge meiden sie Personen, Gegenden oder Situationen, die ein Ansteckungsrisiko in sich bergen könnten. Angst ist ein Schutzmechanismus und die wichtigste Software, die uns Menschen in der Evolution gegeben wurde, um zu überleben.

Angst kann unmenschliche Formen annehmen. So gab es in einigen Städten bereits Situationen, in denen Menschen asiatischer Herkunft diskriminierend begegnet wurde, weil sie infiziert sein könnten. Darf Angst so weit gehen?

Sie sollte nicht so weit gehen. Dahinter steckt ein psychologisches Phänomen: Menschen nutzen Menschen als Projektionsfläche für die eigene Angst. Davor schützt sich und andere, wer sich über die richtigen Quellen gut informiert. Dann wird zum Beispiel klar, dass aktuell kein Grund zur Sorge besteht. Zwei Tatsachen sollten in Sachen Coronavirus besonders beruhigen: Außerhalb Chinas kam es bislang kaum zu einer Weiterverbreitung des neuen Virus. Und: Nach Einschätzung von Experten verläuft die neue Lungenkrankheit in den meisten Fällen mild.

Seit die ersten Infektionsfälle mit dem Coronavirus in China bekannt wurden, berichten die Medien ständig darüber. Das schürt Ängste. Radio ausschalten und keine Zeitung mehr lesen, ist aber auch keine Lösung. Was raten Sie?

In der Tat können Medien Ängste forcieren. Zur Flut an Meldungen kommen bewusste Falschinformationen in den sozialen Netzwerken. Das trägt zu Verunsicherungen bis hin zu Panik bei. Jeder von uns kann selbst entscheiden, was er liest, hört und anschaut. Informiert zu sein ist gut und wichtig. Aber ich rate, die Informationen aus der tagesaktuellen Presse anzureichern mit Sachinformationen von Experten. Exemplarisch weise ich auf die Seiten des Bundesgesundheitsministeriums sowie des Robert Koch-Instituts hin, die gut verständlich über den Krankheitserreger, dessen Verbreitungsgebiet und Infektionsschutzmaßnahmen bei Verdachtsfällen Auskunft geben. Was Ängste vor einer Ansteckung noch im Zaum halten kann, sind präventive Maßnahmen, die laut RKI auch während der Grippezeit gelten. Dazu zählen strikte Händehygiene, Husten- und Nies-Etikette sowie Abstandhalten zu Erkrankten.

Autor:

Frank Blum aus Essen-Süd

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