"Ampel-Wahlrecht ist verfassungswidrig"
Heftige Attacke auf Wählerwillen

"Das Wahlrecht ist ein hohes Gut in einer Demokratie
Es sollte nur mit breiter Mehrheit geändert werden. Was bisher Konsens unter Demokraten war, haben SPD, Grüne und FDP heute über Bord geworfen." | Foto: Laurence Chaperon
  • "Das Wahlrecht ist ein hohes Gut in einer Demokratie
    Es sollte nur mit breiter Mehrheit geändert werden. Was bisher Konsens unter Demokraten war, haben SPD, Grüne und FDP heute über Bord geworfen."
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Der Deutsche Bundestag beschloss am 17. März 2023 mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP die Wahlrechtsreform - gegen die Stimmen von CDU/CSU und LINKE. Dazu erklärt der Essener Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer MdB: "Es ist ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik, dass sich eine Regierungskoalition ein Wahlrecht so konstruiert, dass es sich einseitig gegen Oppositionsparteien richtet. Ich halte dieses Ampel-Wahlrecht für verfassungswidrig und habe deshalb dagegen gestimmt.

Die Ampelfraktionen haben auf den letzten Metern weitreichende Änderungen vorgelegt, die aus meiner Sicht eindeutig gegen die Verfassung verstoßen. Die geplante "Hauptstimmendeckung" im Ampelvorschlag besagt, dass Wahlkreissiegern nur dann ein Mandat zugeteilt wird, wenn die von ihrer Partei im jeweiligen Land errungenen Zweitstimmen, die künftig Hauptstimmen heißen sollen, dies zulassen. Werden mehr Direktmandate gewonnen als das Hauptstimmenergebnis ermöglicht, gehen die Wahlkreissieger mit dem in Relation schlechtesten Erststimmenergebnis leer aus. Dies wird voraussichtlich dazu führen, dass einige Wahlkreise nicht mehr durch einen Abgeordneten vertreten werden. Die Erststimmen der Wählerinnen und Wähler in diesen Wahlkreisen haben dann keinerlei Wert. Das bewährte Direktmandat - mit örtlicher Bindung des Abgeordneten und Verantwortung im Wahlkreis - will die Ampel entwerten. Künftig sollen vor allem Landeslisten entscheiden, wer ins Parlament einzieht und wer nicht. Damit zielt die Ampel darauf ab, zwei Oppositionsparteien (CSU und Linke) komplett aus dem Bundestag zu drängen und die Wahlkreisstimme zu entwerten. Das ist eine heftige Attacke auf den Wählerwillen!

Der Bundestag muss kleiner werden
Gleichzeitig muss das Wahlrecht verständlich und verfassungsgemäß sein. Aus meiner Sicht würde das am besten durch ein "Echtes Zweistimmen-Wahlrecht" ermöglicht. Die Wählerinnen und Wähler könnten mit ihrer Erststimme entscheiden, wer für den Wahlkreis vor Ort in den Bundestag einzieht. Neben diesen 299 Direktmandaten könnten sie mit ihrer Zweitstimme (unabhängig von den Direktmandaten) über 299 Listenmandate bestimmen. Dieses einfach zu verstehende Modell würde verlässlich eine Verkleinerung auf 598 Mandate garantieren und wurde von der Union frühzeitig vorgeschlagen. Es hätte also verlässlich weitere 32 Mandate weniger zur Folge als das Ampel-Wahlrecht. Die anderen Parteien haben sich geweigert, dies überhaupt nur zu diskutieren. Um den anderen Parteien weiter entgegenzukommen, hat die Union - alternativ zu dem "Echten Zweistimmen-Wahlrecht" - zudem vorgeschlagen, durch mehrere konkreten Veränderungen im aktuellen Wahlsystem eine Verkleinerung zu erreichen. Auch diesen Vorschlag hat die Ampel ignoriert.

Es war über Jahrzehnte Konsens unter Demokraten, dass das Wahlrecht nur in breiter Übereinstimmung der politischen Kräfte geändert wird, obwohl es durch eine einfache Mehrheit im Bundestag geändert werden kann. Diesen Konsens kündigt die Ampel nun auf und legt sogar einen Vorschlag vor, der sich gezielt gegen die Opposition richtet. Denn "Einsparungen" will die Ampel vor allem auf Kosten der Opposition vornehmen: Der Beschluss entwertet die Wahlkreisstimmen, benachteiligt die Städte und verhindert in manchen Regionen auf absehbare Zeit eine Vertretung im Bundestag. Besonders krass ist der Angriff auf die Unionsfraktion: Hätte die CSU bei der Bundestagswahl 0,3 Prozentpunkte weniger erzielt, wäre sie aus dem Bundestag rausgefallen, sodass Bayern mit einer Ausnahme ohne direkt gewählte Abgeordnete auskommen müsste. In 45 von 46 Wahlkreisen hätte die Erststimme der Wählerinnen und Wähler dann gar keinen Wert gehabt. Auch die drei direkt gewählten Linken-Abgeordneten hätten nach dem neuen Ampel-Wahlrecht nicht in den Bundestag einziehen dürfen.

Eigene Stellen maßlos aufgebläht
Während die Ampel diesen Angriff auf die Opposition als Reduzierung der auf vier Jahre zu wählenden Bundestagsmandate verkauft, bläht sie ihre eigenen Stellen maßlos auf. Hunderte zusätzliche hochbesoldete Beamten-Stellen auf Lebenszeit (!) wurden geschaffen, eine Höchstzahl teurer Staatssekretäre und Beauftragter ist für die Regierung tätig sowie insgesamt eine noch nie dagewesene Stellenanzahl im Regierungsapparat. Gespart werden soll lediglich öffentlichkeitswirksam beim Parlament (und dort v.a. bei CSU und Linke), während sich die Ampel klamm-heimlich neue Regierungsstellen am laufenden Band schafft.

Das Wahlrecht ist ein hohes Gut in einer Demokratie

Es sollte nur mit breiter Mehrheit geändert werden. Was bisher Konsens unter Demokraten war, haben SPD, Grüne und FDP heute über Bord geworfen. Zum Ende der Debatte hat Friedrich Merz für die Unionsfraktion dann nochmal das Wort ergriffen und der Ampel die Hand ausgestreckt, um ein verfassungsgemäßes Wahlrecht mit breiter parlamentarischer Mehrheit zu finden. Leider war die Ampel dazu nicht bereit. Wir müssen nun erwägen, den Weg vor das Verfassungsgericht anzutreten - mit der Abschaffung der Grundmandatsklausel dürften die Chancen für die Normenkontrolle sehr gut sein."

Autor:

Ingrid Schattberg aus Essen-West

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