Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorengemeinschaften fordert Konsequenzen
Besuchsbeschränkungen in Pflegeheimen in weiten Teilen verfassungswidrig
"Die Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen in Pflegeheimen im Rahmen der Corona-Pandemie verstoßen in weiten Teilen gegen das Grundgesetz," so Bernd Schlieper (EBB-FW) der sich auf das Ergebnis eines Rechtsgutachtens bezieht, das der Mainzer Verfassungsrechtler Prof. Dr. Friedhelm Hufen im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen erstellt hat.
Schlieper, der die Fraktion des ESSENER BÜRGER BÜNDNIS im Seniorenbeirat der Stadt Essen vertritt, schließt sich der Meinung der BAGSO an, die von der Politik, Behörden sowie die Verantwortlichen in der stationären Pflege nachdrücklich fordert, die Grundrechte der Betroffenen zu wahren. Sie tuen dies mit besonderer Dringlichkeit, weil vielerorts Pflegeeinrichtungen Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen angesichts gestiegner Infektionszahlen wieder verschärfen.
Der Gutachter hat begründete Zweifel daran, dass das Infektionsschutzgesetz in seiner jetzigen Fassung eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die gravierenden Eingriffe in die Grundrechte von Menschen in Pflegeeinrichtungen darstellt. Auch die Rechtsverordnungen der Länder, die sogenannten "Corona-Verordnungen", müssten konkretere Vorgaben machen. Sofern die Verordnungen tägliche Besuchsmöglichkeiten vorsehen, ist dies für die Heimleitungen verbindlich. Die zuständigen Behörden haben eine Schutzpflicht, die sich nicht nur das Vermeiden einer Ansteckung mit COVID-19, sondern auch auf die Wahrung der Grund- und Freiheitsrechte der Bewohnerinnen und Bewohner und ihrer Angehörigen bezieht.
"Dem Gutachten zufolge", so Schlieper, "müssen die negativen Auswirkungen der Bewohner bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung viel stärker in den Blick genommen werden. Das Leiden von Demenzkranken unter einer für sie nicht begreifbaren Isolation ist dabei besonders zu berücksichtigen. Eine niemals zu rechtfertigende Verletzung der Menschenwürde liegt in jedem Fall vor, wo Menschen von Besuchsverboten einsam sterben müssen".
Die Bundesarbeitsgemeinschaft appeliert an die Politik in Bund und Länder, die Ermessens- und Beurteilungsspielräume für Behörden, Heimträger und Heimleitungen deutlich stärker zu beschränken, als dies bislang der Fall ist. Dabei müssen die Unverletzlichkeit der Menschenwürde und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sichergestellt werden. Das bedeutet, dass ein Zugang zu sterbenden Menschen immer möglich sein muss. Andere Heimbewohner müssen regelmäßig und in angemessener Form Besuch erhalten können - in jedem Fall über kurze Begegnungen hinter Plexglasscheiben hinaus. Insbesondere auf demenziell erkrankte Menschen wirkt solches Ambiente verstörend.
Die BGSO ruft Gesundheitsministerien, Heimaufsichten, Gesundheits- und Ordnungsämter auf, die betroffenen Menschen auch vor unverhältnismäßigen oder sonst unzulässigen Eingriffen in ihre Grundrechte zu schützen. Von Heimträgern und Heimleitungen verlangt die Bundesarbeitsgemeinschaft, dass sie nur solche Einschränkungen anordnen, für die es eine eindeutige Rechtsgrundlage gibt. Außerdem müssen sie die Spielräume, die die jeweils aktuelle Verordnung zulässt, im Sinne der Betroffenen ausschöpfen. Bei der konkreten Ausgestaltung müssen sie die Heimwohnvertretungen einbeziehen.
Politik und Verwaltung müssen die Verantwortlichen in den Heimen unterstützen, damit Hygienepläne so ausgerichtet sind, um Sicherheit zu ermöglichen, nicht sie zu verhindern. Die zwischenzeitlich verfügbaren Antigen-Schnelltests müssen wie versprochen prioritär in Pflegeheime eingestzt werden.
Autor:Bernd Schlieper aus Essen-West |
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