Straßentaube
Wertewandel: Vom 'heiligen' Vogel zur Ratte der Lüfte
Vorbei die Zeiten, wo die Taube fast als heiliger Vogel galt und als Symbol des Friedens, des Sanftmuts und der Gnade verehrt wurde. Diese einst innige Beziehung des Menschen zur Taube ist unwiderruflich zerbrochen.
Im Alten Testament steht die Taube noch als Sinnbild des Heiligen Geistes. Sie war es, die Noah auf seiner Arche mit einem frischen Olivenzweig das Ende seiner Rettungsmission ankündigte. Schon im alten Jerusalem zeugten auf der Königsburg viele Taubenttürme von der Verehrung dieser Vögel.
Thomas von Aquin (1229-1274) wird stets mit Taube dargestellt. Er schrieb über sie, sie sei erstens ein einfaches argloses Geschöpf nach dem Herrenwort:´Seid einfach wie die Tauben´(Math.10), dann mild und freundlich, fehle ihr doch die Galle. Das Symbol der Friedenstaube findet jedoch keine biologische Entsprechung. Jährlich ist eine Taube laut wikipedia in ca. 2000 Kämpfe verwickelt.
Im Ruhrgebiet standen Taubensport und -zucht lange hoch im Kurs. Die Taube galt als Rennpferd des Bergmannes. Lange wurde sie dank ihrer Navigationsfähigkeit als Nachrichtenüberbringer eingesetzt, quasi als Vorläufer der WhatsApp.
Doch kaum entzogen sich die ersten Tauben der Zucht und Obhut des Menschen und verwilderten, kippte die Stimmung. In den Großstädten stehen sie heute für Verschmutzung und Krankheitsherde (Ratten der Lüfte). Ihre Reproduktions- und Anpassungsfähigkeit macht dem modernen Menschen Angst, weil er der Ausbreitung der Tiere nicht mehr Herr wird, zumal auch die natürlichen Feinde- vor allem Greifvögel- bei der Dezimierung fehlen.
Dabei ist die Taubenplage nur die logische Folge unserer eigenen Lebensweise. Falsch verstandene Tierliebe (Tauben füttern) und achtlose Entsorgung von Lebensmitteln tragen wesentlich zur Ausbreitung der anspruchslosen Vögel bei. Außerdem sind sie wegen ihrer Kropfmilch bei der Auzucht der Brut nicht auf proteinhaltige Insektennahrung angewiesen. Unter dem durch Menschen verursachten Rückgang der Insekten leiden sie also weniger als andere Vögel. Als Nachkommen von Felsenbrütern kommen sie selbst in baumlosen Straßenschluchten klar. Die Verschmutzung und Beschädigung von Gebäuden durch den ätzenden Taubenkot ist zu einem echten Problem geworden. Außerdem haben Tauben die Angewohnheit, mit ihrer Nahrung auch Sand und Mörtel aufzunehmen, was zur Lockerung von Gebäudesteinen führen kann. Sie sind die wahren Opportunisten, also Lebewesen, die zweckmäßig handeln, sich fast jeder Lage anpassen können und ihren Vorteil daraus ziehen. Ihr Neugier- und Lernverhalten erinnert an die Rabenvögel. Auf der anderen Seite wirken die Tauben aber zugleich unheimlich, weil sie uns den Spiegel vorhalten.
Jürgen und Thomas Roth sehen in ihrem lesenswerten Buch "Kritik der Vögel" die Tauben deshalb als "Wappentier der aktuellen Geiz- und Giergesellschaft".
Für mich sind sie eine Mahnung, unser Verhältnis zu Natur und Umwelt zu überdenken.
Autor:Bernd Dröse aus Essen-West |
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