Kohlmeise
"Moderne" Großstadtvögel
Die Blau- und Kohlmeisen haben bei uns die Futterstation voll im Griff. Wie bei den Menschen kann man schon bei der Nahrungsaufnahme die unterschiedlichsten Charaktere erkennen.
Es gibt den fast food-Typ: Nahrung grabschen und schnell weg , um unterwegs zu futtern. Und den slow food-Typ, den nichts aus der Ruhe bringen kann. Im Futterhaus wird der Sonnenblumenkern erst einmal in Ruhe aufgemeißelt und dann genüßlich an Ort und Stelle verzehrt, egal ob noch ein anderer Vogel oder gar ein Eichhörnchen neben ihm speist.
Die Parallelen zum Menschen gehen in der Großstadt aber noch weiter. Meisen hatten in Großbritanien entdeckt, dass der Rahm auf der Milch,die früher vom Milchmann in Flaschen vor der Haustür abgestellt wurde, auch für sie bekömmlich und nahrhaft ist. Wissenschaflter stellten sich die Frage, wie die Technik des Milchflaschenöffnens (Alu- bzw. Pappdeckel) sich so rasant im ganzen Land ausbreiten konnte. Längst war ihnen klar, dass die intelligenten Kohlmeisen die Technik des Öffnens mehrmals an verschiedenen Orten unabhängig voneinander entdeckt hatten. Sie trainierten einzelne Meisen an sogenannten Problemkästen. Im Nu konnten alle Meisen im entsprechenden Bezirk diese Probleme lösen. Anhand der Beringung stellten die Forscher fest, dass Kohlmeisen das neu Gelernte über regelrechte soziale Netzwerke weitergegeben hatten. Im Gegensatz zu Landmeisen verfügen sie über eine ausgeprägte Neophilie, das heißt eine Lust, unbekannte Objekte näher zu untersuchen. Auch ihr Wagemut, der sie von Landmeisen unterscheidet, scheint zu einem genetisch fixierten Verhaltensmerkmal von Stadtmeisen geworden zu sein.
Außerdem ist das schwarze Brustband bei Stadtmeisen schmaler als bei Landmeisen und sie zwitschern in höheren Tonlagen sowie lauter als ihre Verwandten auf dem Land, um sich gegen den Verkehrslärm der Großstadt durchzusetzen. Meisen sind die am besten untersuchten Großstadtvögel. An ihnen wies man auch nach, dass sie unterschiedliche Rufe kombinieren können und ihren Artgenossen so differenzierte Informationen über ihre Umwelt mitteilen können. Sie kommunizieren also über eine festgelegte einfache Grammatik.
Mehr Lust, etwas über diese unterschätzten Vögel zu erfahren? Dann empfehle ich:
1)Menno Schilthuizen: Darwin in der Stadt (Die rasante Evolution der Tiere im Großstadtdschungel, München 2018
oder
2) Andreas Tjenshaugen: Das verborgene Leben der Meisen, Berlin2017
Autor:Bernd Dröse aus Essen-West |
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