Hausrotschwanz und Turmfalke
Lebensraum zwischen alten Bahnschwellen, Gleisen und Abfall
![](https://media04.lokalkompass.de/article/2021/10/01/8/11981758_L.jpg?1633097349)
- hochgeladen von Bernd Dröse
Die Bahnbrache gegenüber dem Bahnhof Essen-West erinnert mich an die verwilderten Abenteuerspielplätze der Kindheit. Man könnte sie aber auch für eine Mülldeponie halten. Herausgerissene alte Baumaterialien von der Bahnstrecke warten dort auf ihre endgültige Entsorgung; neues Material wird dort für den Umbau der Hauptstrecke zwischengelagert. Gewissenlose Mitbürger/innen haben dazwischen illegal ihren Haus - und Sperrmüll entsorgt. Doch das staubige und z.T. unaufgeräumt wirkende Gelände ist schon seit Jahren der offenbar passende Lebensraum für zwei interessante Vogelarten.
Mit etwas Glück und Geduld entdeckt man dort die fast spatzengroßen Hausrotschwänze und auf den Bahnmasten lauert regelmäßig der Turmfalke auf Beute.
Als ehemaliger Felsenbrüter aus dem Gebirge, der er noch vor 250 Jahren war, findet der Hausrotschwanz dort genug Ansitzflächen auf den künstlichen Bergen aus Eisenbahnschwellen ,alten Schienen und Betonbrocken . Er schätzt die Freiflächen, auf denen er mit vibrierenden rostroten Schwanzfedern vom Ansitz aus nach Insekten Ausschau hält.
Und zwischen all dn Bauabfällen weben Spinnen ihre Netze. Auch sie gehören zum Beutespektrum der Hausrotschwänze.
Hinreichend Verstecke finden dort auch Nager, denen wiederum der Turmfalke nachstellt, den man regelmäßig auf den Bahnmasten beobachten kann. Einige Falken sollen sich in der Großstadt auch auf die Kleinvogeljagd umgestellt haben. Bei den scheuen und ortskundigen Hausrotschwänzen werden sie in der Regel aber kein Jagdglück haben. Diese verschwinden bei Gefahr schnell in oder hinter einem Hügel der Bauabfälle und Paletten. Als letzte Zuflucht bleibt ihnen immer der Flug über die Schallschutzmauer in die neue Siedlung an der Koppestraße, wo man sie z.Bsp. auf den Garagendächern beobachten kann. Jetzt im Herbst ernähren die Hausrotschwänze sich auch von den Beeren des wilden Weins, der an der langen Schallschutzmauer zwischen Bahnbrache und Siedliung emporrankt.
Weder Turmfalke noch Hausrotschwanz scheint es zu stören, wenn ein paar Meter neben ihnen der Thalys sich auf den sechsstündigen Weg nach Paris macht oder mit hoher Geschwindigkeit ein ICE an ihnen vorbeidonnert.
Mindestens drei Jahre hintereinander sind die ortstreuen Hausrotschwänze jetzt schon nach ihrem Winteraufenthalt am Mittelmeer an diesen etwas unwirklichen Ort, der so gar nicht in unser Bild von einem Vogelrevier zu passen scheint, zurückgekehrt, obwohl er sich durch die Umbaumaßnahmen der Bahn stark verändert hat. Und auch die Turmfalken haben dieses Jahr dort wieder erfolgreich (?) gebrütet.
Was aus unserer Sicht wie ein etwas vernachlässigter Abenteuerspielplatz oder eine Deponie aussehen mag, ist für die beiden Vogelarten ein Lebensraum, der ihnen (noch) die nötige Existenzgrundlage bietet.
Autor:Bernd Dröse aus Essen-West |
10 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.