Hausrotschwanz und Turmfalke
Lebensraum zwischen alten Bahnschwellen, Gleisen und Abfall

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Die Bahnbrache gegenüber dem Bahnhof Essen-West erinnert mich an die verwilderten Abenteuerspielplätze  der Kindheit. Man könnte sie aber auch für eine  Mülldeponie halten. Herausgerissene alte Baumaterialien von der Bahnstrecke warten dort auf ihre endgültige Entsorgung;  neues Material wird dort für den Umbau der Hauptstrecke zwischengelagert. Gewissenlose Mitbürger/innen haben dazwischen illegal ihren Haus - und Sperrmüll entsorgt. Doch das staubige und z.T. unaufgeräumt wirkende Gelände ist schon seit Jahren der offenbar passende Lebensraum für zwei interessante Vogelarten.

Mit etwas Glück und Geduld entdeckt man dort die fast spatzengroßen Hausrotschwänze und auf den Bahnmasten lauert regelmäßig  der Turmfalke auf Beute.
Als ehemaliger Felsenbrüter aus dem Gebirge, der er noch vor 250 Jahren war, findet der Hausrotschwanz dort genug Ansitzflächen auf den künstlichen Bergen aus  Eisenbahnschwellen ,alten Schienen  und Betonbrocken . Er schätzt die Freiflächen,  auf denen er  mit vibrierenden rostroten Schwanzfedern  vom  Ansitz aus nach  Insekten Ausschau hält. 
Und zwischen all dn Bauabfällen   weben  Spinnen ihre Netze. Auch sie gehören zum Beutespektrum der Hausrotschwänze.
Hinreichend Verstecke finden dort auch Nager, denen wiederum der Turmfalke nachstellt, den man regelmäßig auf den Bahnmasten beobachten kann. Einige Falken sollen sich in der Großstadt auch auf die Kleinvogeljagd umgestellt haben.  Bei  den scheuen  und ortskundigen Hausrotschwänzen werden sie in  der Regel aber kein Jagdglück  haben.  Diese  verschwinden bei Gefahr schnell in oder hinter einem Hügel  der  Bauabfälle  und Paletten.  Als letzte Zuflucht bleibt ihnen  immer  der  Flug über die Schallschutzmauer in die neue  Siedlung an der Koppestraße, wo man sie z.Bsp. auf  den Garagendächern  beobachten kann. Jetzt im Herbst ernähren die Hausrotschwänze  sich auch von den Beeren des wilden Weins, der  an der langen Schallschutzmauer zwischen Bahnbrache und Siedliung emporrankt.
Weder Turmfalke noch Hausrotschwanz scheint es zu stören, wenn ein paar Meter neben ihnen der Thalys sich auf den sechsstündigen Weg nach Paris macht oder  mit hoher Geschwindigkeit ein ICE an ihnen vorbeidonnert.
Mindestens drei Jahre hintereinander sind die ortstreuen Hausrotschwänze jetzt schon nach ihrem Winteraufenthalt am Mittelmeer an diesen etwas unwirklichen Ort, der so gar nicht in unser Bild von einem Vogelrevier zu passen scheint,  zurückgekehrt, obwohl er sich durch die Umbaumaßnahmen der Bahn stark verändert hat. Und auch die Turmfalken haben dieses Jahr dort  wieder erfolgreich (?) gebrütet.
Was aus unserer Sicht wie ein etwas vernachlässigter Abenteuerspielplatz oder eine Deponie aussehen mag, ist für die beiden Vogelarten ein Lebensraum, der ihnen (noch) die nötige Existenzgrundlage bietet.

Autor:

Bernd Dröse aus Essen-West

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