Ringeltaube
Korpulente ältere Damen an der Kuchentheke oder Multitalente ?
Johanna Romberg, die Autorin des Bestsellerbuches "Federnlesen", erinnern die Ringeltauben an die "korpulenteren älteren Damen in hochgeschlossenen, sorgsam gebügelten Blusen, die mit ruckenden Hälsen der Kuchentheke des Cafes zustreben". Das klingt wenig charmant und J. Romberg sieht sie auch eher als "Multitalente".
Etwas unbeholfen und unfreiwillig komisch sieht der Gang der Ringeltauben aber schon aus. Das liegt daran, dass diese evolutionsbiologisch viel älter als unsere Singvögel sind und ihr Bewegungsapparat deshalb ganz anders konstruiert ist als bei letzteren.
Ringeltauben aber deshalb als plump und dümmlich abzustempeln, wird ihnen nicht gerecht. Schließlich zeigt ihre Häufigkeit im Alltagsbild der Städte, dass sie den meisten anderen Vögeln im täglichen Überlebenskampf etwas voraus haben müssen. Und das, obwohl sie erst seit den 60er Jahren verstärkt in den Ballungsgebieten auftauchten und dabei das Ruhrgebiet von Anfang an besonders mochten. Seitdem ist ihre Verstädterung weiter vorangeschritten.
Ursprünglich waren die Ringeltauben Waldvögel, die auch bei uns noch gerne in den Bäumen ruhen und nisten. Ihre Scheu vor dem Menschen haben sie weitgehend verloren, nisten inzwischen auch auf Gebäuden und ein Antennenbaum (Foto) reicht ihnen als Ruheplatz auch.
Das Geheimnis ihres Erfolges ist sicherlich das breit gestreute Nahrungsspektrum, das von Beeren über Sämereien bis zu Pommes reicht. Und sie besitzen noch ein großes Plus gegenüber den Singvögeln: die "Kropfmilch". Ringeltauben sind bei der Jungenaufzucht nicht auf die Proteine aus Insektennahrung angewiesen, die immer seltener werden, sondern produzieren einen käseartigen Brei. Während des Brütens verdickt sich die Schleimhaut ihres Kropfes unter dem Einfluss des Prolaktins gewaltig. Prolaktin ist das Hormon, das auch bei Säugetieren die Milchproduktion anregt. Der Zellschichtenbrei , der dabei in den Hohlraum der beiden Kropftaschen abgesondert wird , ähnelt in Zusammensetzung und Nährstoffgehalt der Säugermilch.
Und zum Schluss noch etwas zur Ehrenrettung bezüglich der Intelligenz von Tauben. Sie können zwar nicht abstrahieren wie die von mir so bewunderten Rabenvögel, erkennen aber vertraute Menschengesichter, können ebenso gut zählen wie die Primaten, können hunderte Objekte über einen längeren Zeitraum im Gedächtnis behalten und ihr Navigations- und Orientierungsverhalten ist legendär.
Wie bekomme ich jetzt nur wieder das Bild von den älteren Damen an der Kuchentheke aus dem Kopf?
Autor:Bernd Dröse aus Essen-West |
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