Der Lebensraum Streuobstwiese
Konkurrenz für `Pink Lady´, `Royal Gala´ und Co.??

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Nein. Konkurrenzfähig sind sie weder mit ihren altertümlichen Namen noch mit ihrer Optik.
In den Auslagen der Discounter würden der  `Freiherr von Berlepsch´, der `Finkenwerder Herbstprinz´, die `Hedelfinger Riesenkirsche´oder der `Danziger Kantapfel´neben der `Pink Lady´, `Royal Gala´, `Golden Delicious´und `Fuji´wohl zu Ladenhütern verkommen. Den alten regionalen  Sorten fehlen nicht nur die modern klingenden Fantasienamen, auch unsere optischen Erwartungen sprechen sie nur  bedingt an.
In den letzten Jahrzehnten ist deshalb die Sortenvielfalt im Handel beträchtlich geschrumpft und dabei  ganz nebenbei unser Geschmack uniformiert worden. Mit bedenklichen Folgen.

Von den 3000 Apfelsorten Mitteleuropas erscheinen nur noch 60 im Handel. Das beträchtliche Genreservoir vieler regionaler Sorten  droht verloren zu gehen. Und mit den veränderten Auslagen der Händler haben sich auch die Anbaumethoden drastisch verändert.Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts  prägten Obstwiesen am Ortsrand mit alten Hochstammsorten noch vielerorts das Landschaftsbild. Inzwischen dominieren niedrigstämmige Monokulturen den Obstanbau. Statt 60 bis 120 Bäumen pro Hektar, stehen auf den modernen Obstplantagen bis zu 3000 (!) Bäume pro Hektar.  Diese Äpfel werden  im Schnitt 28 mal pro Jahr mit Pestiziden besprüht, damit am Ende optisch makellose Früchte in den Handel kommen.
Um den alten extensiven Obstanbau  gegen diesen intensiven Anbau abzugrenzen, wurde 1975 für die herkömmliche Art der Obstwiesenbewirtschaftung der Begriff "Streuobstwiese" geprägt.
Solche Streuobstwiesen werden bei uns jedoch immer seltener und sind  seit 2022  gesetzlich geschützte Biotope. Sie gehören nämlich zu den wertvollsten ökologischen Lebensräumen. 5000 Tierarten wurden auf Streuobstwiesen nachgewiesen. Die Ursachen für diese enorme Artenvielfalt findet man in den vielfältigen Strukturen des  mehrstufigen Aufbaus der alten Obstwiesen. Zahllose Insekten finden an den Stämmen, den Knospen, Blüten und Früchten der Bäume und den Wildblumen der Wiese eine Lebens- und Nahrungsgrundlage. So  profitieren zum Beispiel viele Wildbienenarten von den Fraßgängen, die Käfer in den Stämmen der alten Bäume hinterlassen und legen dort ihre Eier ab. Da die unterschiedlich alten Bäume auch Vögeln wie den Spechten, Meisen oder Steinkäuzen Bruthöhlen  bieten, findet man dort auch fünfmal so viele brütende Vögel wie auf den `modernen´Obstplantagen. Neben den zahlreichen Vogelarten besiedeln  Kleinsäuger wie Haselmaus, Siebenschläfer, Igel oder Fledermäuse die Obstwiesen und finden dort ihr Auskommen.
Die Wiese, die sich zwischen den mit großzügigen Abständen gepflanzten Bäumen entwickelt, ist, wenn sie nach ökologischen Gesichtspunkten bewirtschaftet wird,  ebenfalls ein Lebensraum für viele  Pflanzen und Tiere, so dass wärme- und schattenliebende Lebewesen hier nebeneinander existieren können.

Die Äpfel der Streuobstwiese sind ökologisch also mehr als konkurrenzfähig und geschmacklich sind die völlig pestizidfreien Früchte, trotz optischer Mängel, ein Erlebnis.

Anmerkung: Alle hier gezeigten Aufnahmen wurden am `Tag der Obstwiese`, den  die NAJU, die Kinder - und Jugendorganisation des NABU, jedes Jahr um diese Zeit in Essen-Schuir ausrichtet, gemacht. Ein attraktives Fest, an dem nicht nur gerüttelt, gepflückt  und geerntet, sondern auch gebastelt und vor Ort erkundet werden darf. Für das leibliche Wohl wird mit Produkten rund um den Apfel (Saft, Kuchen) u.a. gesorgt. Führungen durch die Streuobstwiese runden das Programm für Groß und Klein ab.

Autor:

Bernd Dröse aus Essen-West

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