Überlebensstrategien der Gartenbaumläufer
Gruppenkuscheln gegen die Kälte
Ein kleiner Vogel wie der Gartenbaumläufer hat es bei uns im Winter besonders schwer. Mit nur 11 Gramm Körpergewicht kühlt er in kalten Winternächten leicht aus und kann dann in einer einzigen Nacht bis zu 10% seines Körpergewichts verlieren, da er eine Menge Energie benötigt, um seine Körpertemperatur von 40 Grad Celsius aufrecht zu erhalten. Dennoch fliegt er nicht, wie andere Insektenfresser, die hier keine Nahrung mehr finden, in den wärmeren Süden.
Überraschenderweise bleiben die Bestände der Gartenbaumläufer in Deutschland mit ca. 500000 Brutpaaren (davon ein Viertel in NRW) auf hohem Niveau konstant.
Wie schaffen die fliegenden Winzlinge das?
Gartenbaumläufer müssen im Winter den gesamten Tag unermüdlich unterwegs sein. Ihre kleinen Energiehappen in Form von Spinnen,Insekten, deren Larven, Puppen und Eiern finden sie, indem sie die zerfurchte Rinde alter Bäume, bevozugt Eichen, Eschen, Ulmen, Kastanien und Fichten auf der Suche nach ihrer sich versteckenden bzw. überwinternden Beute ablaufen. Mit Hilfe ihres spechtähnlichern Stützschwanzes hüpfen sie dabei die Stämme senkrecht oder in Spiralen nach oben, stürzen sich dann nach unten und das Spiel beginnt am gleichen bzw. an einem Nschbarbaum erneut. Ihr englischer Name Short-toed Treeceeper" wird dieser Jagdweise voll gerecht. An einem Wintertag erklimmen sie so 200-300 Bäume und legen dabei unglaubliche 12000 bis 13000 Höhenmeter zurück. Natürlich ist auch diese Beitesuche sehr energiezehrend, muss sich aber unter dem Strich rechnen. Allerdings konnte ich beobachten, dass sie mit ihrem feinen, gebogenen Pinzettenschnabel auch winzige Fettbröckchen aus einem Meisenknödel aufpickten. (vgl. Foto)
Die für sie lebensgefährlichen kalten Winternächte überstehen sie, indem sie sich in Baumhöhlen oder geschützen Gebäudenischen zu einem Schlafknäuel zusammenfinden. In solch einer Schlaftraube kuscheln bis zu 20 Vögel und spenden sich gegenseitig Wärme, auch indem sie dabei solidarisch ihre Position nach einiger Zeit wechseln.(vgl. letztes Foto/Zeichnung) Ähnlich übernachten übrigens auch Zaunkönige und Schwanzmeisen in Gruppen.
Anders als ihre Schwesternart, die Waldbaumläufer, findet man die Gartenbaumläufer häufig auch in Siedlungsbereichen, die eine höhere Durchschnittstemperatur aufweisen als das Umland. Parks, Gärten, Straßen und Alleen mit altem Baumbestand werden als Lebensraum gerne angenommen. Zunehmend entdecken sie auch Gebäude nicht nur für den Nestbau. Hinter Verschalungsbrettern, Mauerfugen und unter Dächern finden sie neben den Brutmöglichkeiten auch Schutz vor Kälte und Feinden. Seit Jahren beobachte ich Baumläufer, die ihre Brut ab März in einer Mauernische hinter einem Fallrohr groß ziehen. Der Gartenbaumläufer ist im Begriff zu einem "Hausbaumläufer" zu werden, der in den Großstädten prima klar kommt.
Sollte es in den immer selteneren Extremwintern doch einmal zu einem Bestandseinbruch kommen, sind die Baumläufer mit ihren 2 Bruten mit je 5-6 Jungen pro Jahr in der Lage, dies in kurzer Zeit zu kompensieren. Voraussetzung ist, dass wir ihnen in den Städten auch den alten Baumbestand belassen. Zur Zeit sind die auf der Borke wegen ihres Tarngefieders fast unsichtbaren Baumläufer übrigens besser zu beobachten, weil sie nicht durchs Laub zusätzlich verdeckt werden.
Autor:Bernd Dröse aus Essen-West |
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