Leben und leben lassen
2024 ist ein ideales Schneckenjahr
"Mensch, ich habe gerade 72 Schnecken abgesammelt."
"Meine gesamten Erdbeeren haben in der Nacht die Schnecken gefressen!"
"So schlimm wie dieses Jahr war es noch nie."
Am Nachbarschaftszaun musste ich mir in den letzten Wochen die zahlreichen Klagen der Gärtner*innen anhören und konnte dazu beitragen, dass sie mir all die sorgsam vorgezogenen Salate aus dem Hochbeet weggefressen hatten. Zu einem zweiten Ansatz hatte ich keine Lust. Warum sollte ich die Schnecken auch noch füttern?
Schon im zeitigen Frühjahr war, nach dem für Schnecken guten, weil feuchten Sommer 2023 und dem milden Winter abzusehen, dass 2024 ein ideales Jahr für die Schnecken wird. Zahlreiche Jungschnecken fielen über unseren Bärlauch her. Diese Schnecken sind nun ausgewachsen und jede von ihnen kann im laufenden Jahr bis zu dreimal mindestens 300 Eier legen. Als Zwitter haben sie keine Schwierigkeiten, sich geschlechtlich zu vermehren. Und auch der bisherige Sommer war so feucht und warm, dass er vielerorts eine Schneckenplage durch ideale Bedingungen förderte.
Als ich vor einigen Wochen morgens um 7.00 bei Nieselregen durch den Grugapark schlenderte, konnte ich das Wort Schneckenplage auch mit Bildern verbinden. Es dämmerte noch und es war feucht. Da waren noch Unmengen der unbeliebten schleimigen Gesellen unterwegs oder suchten sich für den Tag einen Unterschlupf. Sie kletterten selbst in einen Bienenstock, um sich dort tagsüber zu verstecken.
Schnecken sind nachtaktiv. Grelles Licht, Trockenheit und Hitze sind für sie lebensbedrohlich.
Wer also Schnecken absammeln möchte, der legt vor den Beeten Holzbretter aus, unter denen sie sich tagsüber ansammeln.
Am besten bringt man die abgesammelten Tiere dann in einem Eimer an den Waldrand, wo sich ihre Fressfeinde (Vögel, Igel etc.) über die Fütterung freuen. Manche Gärtner wollen auf Nummer sicher gehen und schneiden die Nacktschnecken mit der Gartenschere in der Mitte durch. Geschmacksache!
Über Bierfallen lockt man sogar eher noch die Schnecken aus den Nachbargärten an.
Die Schnecken mit Salz zu bestreuen, ist fast ebenso grausam wie sie zu ertränken oder zu zerteilen. Man schädigt über die Bodenversalzung zusätzlich die Pflanzen. Schneckenkorn verbietet sich fast von selbst, da es nicht nur die Schnecken tötet, sondern auch deren Fressfeinde.
Schon Goethe hat nämlich gewusst, wie man "Schädlinge" am effektivsten bekämpft:
Sprich, wie werd ich die Sperlinge los? So sagte der Gärtner:
Und die Raupen dazu, ferner das Käfergeschlecht,
Maulwurf, Erdflo,Wespe,die Würmer, das Teufelsgezüchte? -
Lass sie nur alle, so frisst einer den anderen auf.
(J.W.v.Goethe, aus: Weissagungen des Bakis)
In der Tat gibt es eine Menge Tiere, die uns bei der Schneckenbekämpfung helfen könn(t)en:
Igel, Laufkäfer , Hundertfüßer, Maulwürfe, Kröten und Vögel wie Amseln, Drosseln, Stare, Krähen und Elstern gehören zu ihren natürlichen Schneckenfeinden.
Gehäuseschnecken fressen die Eier der Nacktschnecken und richten selbst wenig Schaden. Auch die Tigerschnecke (Tigerschnegel) frisst andere Schnecken und wird daher eigens zur Schneckenbekämpfung gezüchtet. Das non plus ultra sind natürlich Indische Laufenten, die einen Garten schneckenfrei halten. Doch was fressen sie, wenn sie alle Schnecken vernichtet haben?
Schließlich sollte man bei all den vermeintlichen Schäden durch Schnecken nicht vergessen, dass diese fürs ökologische Gleichgewicht im Garten unverzichtbar sind. Schnecken zersetzen tierische und pflanzliche Abfälle und Aas, düngen mit ihrem Kot den Garten und dienen als Nahrung für viele Tiere.
Sie zeigen an, wenn sie in Massen auftreten, dass etwas im Garten nicht stimmt. Früher oder später , z.B. nach einigen knackig kalten Wintertagen, wird sich wieder ein Gleichgewicht einstellen. Deshalb ist meine Devise: Leben und leben lassen.
Anders werden das selbstverständlich diejenigen sehen, die von den Erträgen ihrer Beete und Felder leben müssen.
Autor:Bernd Dröse aus Essen-West |
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