Früher war mehr Weihnachten!! :-))
Adventskalender- ein Relikt der heilen Kinderwelt?

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Erinnert ihr euch noch an eure Adventskalender der Kindheit? Die 24 Törchen meines ersten Adventskalenders waren noch nicht einmal mit Schokolade hinterlegt. Dafür erinnere ich mich an den Glitzer auf den Bildchen. "Noch fünf Törchen bis Weihnachten!"  Das Warten aufs Christkind wurde so erträglicher.
Später trübte mein jüngerer Bruder diese Vorfreude merklich. Er hatte einen Trick, die Schokolade von hinten aus den Fächern zu drücken, so dass sie nach vorne durch den Kalender rutschte und an einem bereits geöffneten Törchen unterhalb entnommen werden konnte. Da wir uns die süßen Inhalte geschwisterlich zu dritt teilen sollten, war ich oft enttäuscht, dass sich hinter dem Törchen keine Schokolade mehr befand, obwohl es nach außen unversehrt war.
Vielleicht ist es das Trauma :-)) dieser frühen Kindheitserlebnisse, dass ich mir später keinen Kalender mehr mit anderen teilte.
Aber Adventskalender gehören  für meine Frau und mich immer noch in die Vorweihnachtszeit, auch wenn wir die Tage bis zum Fest inzwischen selbstständig überblicken können.  Sie erinnern an ein schönes Stück Kindheit und mit ihnen versetzt man sich gerne in eine  Zeit zurück, in der die Eltern einem noch die meisten Sorgen abgenommen haben, weil man ihnen blind vertraute.
Der Charakter der Kalender hat sich allerdings mit den Jahrzehnten grundlegend verändert. Ich habe in diesem Jahr einen Saatgutkalender mit historischen Gemüse- und Kräutersorten. Und auch wenn ich von der Kalenderbeschriftung schon weiß, welche Sorten mich erwarten, freue ich mich jeden Morgen und lächle, weil jede Saattüte bei mir das Kopfkino auslöst und ich mich freue, wenn ich mir die Pflanzen im nächsten Frühjahr zunächst im Gewächshaus und dann später im Beet vorstelle.
Im letzten Jahr versteckten sich 12 Honigproben hinter den Törchen und zwölf Samentütchen mit Bienenpflanzen. Ein wirklich nachhaltiger Kalender, der einen noch nach ein gutes halbes Jahr später erfreute.
Meine Frau hat einen Kalender mit Kosmetikprodukten. "Ach schau mal, was für eine schöne Lippenstiftfarbe." -Sie hat  nämlich sonst keine Lippenstifte. :-)) 
Und wenn der erwachsene Sohn zu Besuch kommt, führt sein erster Weg zum Hund und der zweite zu den Rubbellosen im Adventskalender. Und selbst wenn es nur 1 Euro ist, der gerade mal den Kaufpreis des Loses deckt, freut er sich über den "Gewinn".
Adventskalender gibt es heute in allen denkbaren Variationen, z.B. mit Spielzeug, Tee, Müsli und alkoholischen Getränken. Vielleicht demnächst auch mit Cannabisprodukten?
Hat das Ganze noch etwas  mit Weihnachten zu tun?
Der Theologe und Sozialpädagoge Johannes Heinrich Wichern stellte in seinem Hamburger Kinderheim (Rauhes Haus) 1839 ein Wagenrad mit 23 Kerzen auf , darunter vier große für die Adventssonntage, um die Wartezeit und Vorfreude auf das Fest zu veranschaulichen. Thomas Mann beschreibt in den "Buddenbrooks"   für das Jahr 1869 einen Abreißkalender. Und um 1930 wurden die ersten süßen Gebäckteile auf einen Kalender geklebt. Die ursprünglich religiösen Motive wurden in dieser  Zeit durch süßliche weltliche Bilder verdrängt. In der Nazizeit wurden die Kalender sogar  als Propagandawerkzeuge  missbraucht.
Wegdenken ließen sie sich die Kalender nach dem Krieg  aber trotzdem nicht mehr. Und die üppigen Auslagen mit unterschiedlich befüllten Adventskalendern in den Kaufhäusern und Drogeriemärkten zeigen heutzutage, dass offensichtlich sehr viele, auch ältere,  Menschen in diesen unruhigen und Besorgnis erregenden Zeiten noch eine Sehnsucht nach diesem Stück "heiler Welt" haben, auch wenn ich in Anlehnung an Loriots Opa Hoppenstedt zugeben  muss: Früher war mehr Weihnachten.
Trotzdem gehören diese Vorfreude im Dezember  und Weihnachten eng zusammen.

Autor:

Bernd Dröse aus Essen-West

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