Traumlandschaften in Altendorf
Kann ein Fliegenpilz fliegen? Was machen Kinder mit Regenschirmen auf einem Baum? Können Fallschirmspringer auf Boote treffen? Phantasie wohin das Auge reicht. Verrückt? Im Gegenteil! Viele verrückte Ideen kompensiert in einem Bild.
Vor wenigen Tagen fand im Café des Mehrgenerationenhauses in Altendorf die Vorlesung zur Finissage der von Britta Vogel ausgestellten Bilder statt. In gemütlicher und freundlicher Atmosphäre wurden einige von Britta Vogel und ihrer Mutter Anna Sieveneck selbst ausgedachte Geschichten vorgelesen. Zu jedem Bild zwei – eine von der Tochter, eine von der Mutter geschrieben. Ein Tochter-Mutter-Projekt also.
Die Idee dazu entstand aus den Bildern. Denn diese wurden nicht – wie viele vermuten mögen – nach den Geschichten gemalt, sondern die Geschichten nach den Bildern geschrieben.
In ihrem Bachelor Studium zur Buchillustration belegte Britta Vogel einen Malereikurs für die ganz bestimmte Form Eitempera. Diese Art der Malerei wurde früher in Kirchen benutzt und setzt sich aus vielen deckenden Schichten und Lasuren zusammen. Vogel fing also an, schwarz-weiß Collagen anzufertigen. Hinzu kamen alte Landschaftsaufnahmen aus Mexiko - und den Bildern der „Traumlandschaften“ stand nichts mehr im Wege. Zunächst war der Plan, „Postkartenbilder“, so Vogel, also Bilder im Postkartenformat, daraus entstehen zu lassen. Was genau darauf zu sehen sein sollte, war jedoch nicht verfestigt. „Der Inhalt des Bildes wächst erst beim Malen“, sagt Vogel. Die ersten Exemplare waren im Jahr 2006 fertig, die Folgenden 2010. Allerdings dann doch nicht in Postkartenform. Nun sind sie alle vereint in einem Buch.
Die Idee, ein Buch daraus zu machen stammt von Anna Sieveneck. So wie viele andere ist auch sie der Meinung, die Bilder erzählten eine nicht ganz eindeutige Geschichte und seien inspirierend. „Man steht vor vielen Fragen, weil die Bilder nicht ganz logisch sind“, stellt Sieveneck dar. Ein Beispiel dafür ist ein Bild, auf dem unter anderem eine liegende Kuh zu sehen ist, die eine Blumenkette um den Hals trägt. „Es stellt sich hier die Frage, warum die Kuh eine Kette um den Hals trägt. Das regt zum Nachdenken an“, fährt die stolze Mutter fort.
Die dreizehn Bilder, aus denen die Ausstellung der „Traumlandschaften“ besteht, sollten zuerst zu einem Kalender werden. Dazu kam Sievenecks Idee, dazu passende „Kalendergeschichten“ zu verfassen. Allerdings kam so ein Kalender nie zustande. Stattdessen verfestigte sich die Idee des Tochter-Mutter-Projekts, ein Buch zu gestalten.
„Jeder hat verschiedene Assoziationen, wenn er sich die Bilder anschaut“, so Vogel. Daher habe jeder seine eigene Geschichte zu jedem Bild im Kopf. So entstand eine weitere Idee: Jeweils zwei Titel und zwei Geschichten zu jedem Bild. Beide Geschichten führen jedoch zu keinem Ende. Im Gegenteil – sie regen an, die Geschichte, wie Vogel sich ausdrückt, „weiterzuspinnen“.
Denn Vogels Geschichten enden jeweils mit einer offenen Frage, Sievenecks Geschichten mit einer Frage, die in einem darauffolgenden Dialog beantwortet wird, der aber ebenfalls keinen wirklichen Schluss darstellt.
Genau das ist es auch, worauf es Mutter und Tochter ankommt. Der Betrachter oder Leser soll sich Fragen stellen. Macht das Sinn? Was ist eigentlich tatsächlich auf diesem Bild zu sehen?
Viele gingen bereits an einem Bild vorbei, auf dem ein Turm zu sehen ist. Erst beim zweiten oder dritten Hingucken entdeckte man eine kleine Maus ganz unten am Eingang des Turms. Was tut diese Maus dort? – diese und andere Fragen soll man sich stellen und darüber phantasieren. Man soll zweimal hinschauen, bei jedem Hinschauen neue Dinge entdecken und sich verzaubern lassen. Man soll „in die Bilder eintauchen und herumspinnen“, strahlt Vogel. Die Bilder sollen anregen zum Träumen und zum Verrücktsein.
Und nicht nur die Erwachsenen können zu den Malereien und Geschichten phantasieren – „auch die Kinder spinnen die Ideen zu den Bildern weiter“, sagt Vogel.
All das, was sie erreichen und in anderen Menschen bewegen wollten, haben Mutter und Tochter durch Malerei und Geschichten auch geschafft.
Alis Youhahzadeh, eine Zuhörerin, ist vollends begeistert von dem Projekt und den Wirkungen der Bilder. „Ich finde es toll, was die beiden auf die Beine gestellt haben.“ Sie sieht auch die hinter dem Projekt steckende Arbeit als Spaß an, der Mutter und Tochter zusammenschweiße. „Ich bin sehr fasziniert von den Bildern. Sie strahlen eine ungeheure Wärme auf mich aus, auch wegen der Farben. Außerdem muss man sich auf keine Deutung festlegen – man kann noch träumen. Das ist am schönsten.“
Wer ebenfalls mal wieder träumen will, kann sich die Bilder nach Hause holen, denn sie sind verkäuflich. Zwei Exemplare befinden sich bereits in neuen Händen und auf zwei weitere gibt es Optionen.
Ansonsten kann man sich die Bilder auch noch einmal in Britta Vogels Atelier in Frohnhausen anschauen. Zur Kunstspur in der letzten Septemberwoche gibt es dort noch eine weitere Ausstellung, nachdem die Bilder bereits zuvor in der Stadtbibliothek und nun im Mehrgenerationenhaus ausgestellt waren.
Aber auch auf Vogels Homepage (www.brittavogel.de) sind die Werke der „Traumlandschaften“ sowie alte Kunstarbeiten zu bewundern.
Vorlesungen gab es zuvor jedoch nur im Freundes- und Bekanntenkreis. Die 65-jährige Mutter äußerte nun aber auch die Bereitschaft zu Lesungen in Schulen.
Mutter und Tochter sind jedenfalls sichtlich begeistert von dem Ergebnis ihrer Arbeit. Es habe Spaß gemacht und der Spaß sei das Wichtigste, so die 35-jährige Malerin.
Zu der Ausstellung im Mehrgenerationenhaus kam es durch Kontakte, die Vogel zur Kirche durch ihre Malereikurse im Kindergarten und Jugendhaus hat. Das Mehrgenerationenhaus schien ein guter Platz für die Werke zu sein, denn Jung und Alt hatten gleichermaßen die Chance dazu die Bilder anzusehen und darüber zu phantasieren. Denn das MHG ist ein Zusammenschluss aus Kindertagesstätte, Kirchengemeinde und Alten- und Pflegeheim St. Annas und besteht bereits seit 5 Jahren in der Sälzerstraße.
Wer jetzt Interesse an dem Buch der „Traumlandschaften“ bekommen hat, kann es nicht nur auf Vogels Homepage, sondern nun auch im Café des Mehrgenerationenhauses zu einem Preis von 15 Euro käuflich erwerben. Jeder ist zum Träumen eingeladen.
Autor:Lisa Scheidat aus Essen-Nord |
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