JZE: Mauern werden abgeknabbert

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Es ist soweit: Innerhalb von zwei Monaten sind auch die letzten Mauern Vergangenheit

Schon von weitem hört man es: Das Poltern von Steinen, das Wasserplätschern. Zwischendurch: beängstigende Stille. Wer in diesen Tagen am ehemaligen Jugendzentrum (JZE), Papestraße, vorbeigeht, der sieht es sofort: Ein großer Bagger hat begonnen, Stücke aus der vorderen Fassade zu brechen. Tag für Tag verschwindet nun immer mehr vom Gemäuer des ehemaligen JZE.

Als wir auf der Baustelle ankommen, auf der wir uns erneut mit Markus Kunze, Leiter Projektentwicklung & Kommunikation von der Grundstücksverwaltung Stadt Essen GmbH (GVE) verabredet haben, herrscht allerdings noch gespenstige Stille. Sofort am Eingang, nahe des Bauzaunes sieht der Betrachter den inzwischen verwelkten Kranz, den die Gruppe JZE Treffen jetzt erst Recht, vor ein paar Wochen zum Abschied dort niedergelegt hat. Auch die vielen Friedhofslichter, die um den Kranz gestellt wurden, sind inzwischen ausgegangen.
Überhaupt hat sich einiges am Bild beim JZE gravierend geändert. Große blaue Container versperren die Sicht auf das Gebäude, doch eines ist klar zu erkennen. Auf vorderster Front thront der Abrissbagger über allem und hat schon ein gutes Stück aus der Mitte des Gebäudes gebrochen.
„Abrissbirnen werden inzwischen beim Gebäudeabriss nicht mehr verwendet“ erklärt der Chef der Tiefbaufirma Arnolds, die für den Abriss und die Entkernung des 12.000 Quadratmeter großen Areals zuständig ist. „Auch eine Sprengung kommt nicht in Frage, das macht man nur bei hohen Gebäuden.“ Zudem mussten die einzelnen Gebäudekomplexe vorab mühsam per Hand grundentkernt werden.
„Damals, als das JZE gebaut wurde, gab es noch andere Bestimmungen. Heute verbaut man kein PCB und Asbest mehr“, berichtet Kunze. Was allerdings an PCB und Asbest vorhanden war, musste in mühsamer Kleinstarbeit von den Arbeitern in Schutzanzügen „aussortiert“ werden.
„man muss wissen, die Asbestfasern sind in der Dämmwolle, die im gesamten Komplex verbaut wurde. Das dauert schon seine Zeit, das fachmännisch herauszuholen und zu entsorgen“, so Kunze.
Das Gebäude ist nun größtenteils entkernt, davon künden noch einige wenige Säcke mit der Aufschrift: „Vorsicht Asbest- Diese Fasern können Krebs erregend sein-“
Eine letzte Möglichkeit gibt es nun noch, sich die leeren Räumlichkeiten –zumindest auf der Seite anzusehen, an der noch nicht abgerissen wird-, was wir natürlich auch tun. Fotograf und Schreiber sind überrascht, wie groß und verwinkelt das Gebäude nun wirkt. An glorreiche Zeiten erinnern nur noch die unzähligen Graffiti. Immer wieder geht man an Bergen mit Bauschutt vorbei. Da gibt es gestapeltes Metall, alte Kabel, Glas und Holz, welches feinsäuberlich getrennt wurde.
„Das ist eben die Auflage, die von der Tiefbaufirma erfüllt werden muss“, weiß Kunze. Einige Teile wie Metall kann die Firma wieder in den Verkauf bringen. Dennoch zeigt sich bei der vermutlich letzten Begehung von innen das ganze Ausmaß der Arbeiten. Die größtenteils zerbrochenen Fenster müssen noch entfernt werden, ebenso alte Keramik, die auch schon auf Haufen verteilt in den Gebäudekomplexen auf den Abtransport wartet. Die Decken bieten nun ein anderes Bild: Man sieht es ganz deutlich: Die Dämmwolle ist schon weg, dazu kommt in vielen Teilen Styropor, der auch schon entfernt wurde. „Und das ist eben das, was die Arbeiten hier so lange dauern lässt“, betont Kunze. Denn unter den Deckenplatten, dem Styropor und der Dämmwolle kommt eine Holzkonstruktion zum Vorschein. In vielen Teilen der Gebäudedecken sind sogar Metalllamellen verbaut worden, die die Arbeiter mühsam einzeln heraushelben müssen. „Man darf sich hier nichts vormachen, das ist ein Knochenjob für die Bauarbeiter“, weiß auch Markus Kunze. Erstmalig können wir in diesem Gebäudeteil auch die oberen Stockwerke begutachten: Hier zeigt sich dasselbe Bild wie unten: Leere Räume. Wo nur noch die Holzkonstruktion an der Decke ist, haben sich große Wasserlachen gebildet. Der Blick durch die zerbrochenen Fenster in den Innenhof zeigt: Auch die Buchstaben auf dem Dach des Gebäudes sind nicht mehr vollzählig, nun steht dort anstatt Jugendzentrum nur noch: „G N ZENTRUM“. Weil die Abbrucharbeiten am vorderen Gebäudeteil sicher bald weitergehen und wir uns ein Bild vom Werk des Baggers machen wollen, geht es zurück auf die Vorderseite des Gebäudekomplexes.
Auf dem Gebäudedach über dem ersten Loch, welches in die Mauern gerissen wurde, sammeln Arbeiter derweil die letzten Stücke Styropor und Metall ein. Und dann sieht man es. Die Betondecke durchzieht ein feinmaschiges Netz aus Stahlkabeln! „Da dies Stahlbeton ist, wird die Arbeit hier natürlich noch einmal erschwert“, erklärt Kunze. Dieser Stahlbeton wird geschreddert und wird später zum Auffüllen der Löcher und des Kellers verwendet, um eine gerade Fläche zu bekommen.
Jetzt geht es aber wieder los mit dem Abriss. Der Bagger ist an und die Schaufel bewegt sich wie ein gefräßiger Dinosaurier in Richtung Fraßkante. Das dieser Vergleich keinesfalls hinkt, beweisen unsere Aufnahmen und die Arbeit des Baggers. Denn er knabbert im wahrsten Sinne des Wortes Stücke vom Gemäuer ab und wirkt mit ein wenig Fantasie wie ein gefräßiger Riese, den nichts aus der Ruhe zu bringen scheint. Bei jedem Bissen fallen viel Geröll und Steine zu Boden und damit das ganze Viertel nicht in einer einzigen Staubwolke versinkt, läuft aus dem Greiferarm ein stetiger Wasserstrahl, der den größten Dunst und Staub direkt bindet. Dass man mit so einem Ungetüm an Maschine auch feingliedrige Arbeiten erledigen kann, beweist der Baggerführer eindrucksvoll. Denn schwupps hat er sich ein Stück Metall geschnappt und legt es fein säuberlich mit dem Greifer auf den dafür vorgesehenen Berg. Eine ganze Glastür und ein Fenster folgen diesem Beispiel.
Jetzt ist uns aber vollends bewusst, weswegen der Abriss der eigentlichen Mauern zwei Monate dauert. Denn Riesenstücke schafft man bei aller Mühe nicht. Immer wieder müssen die Arbeiten unterbrochen werden, um Teile entweder von Hand oder mit dem Bagger auszusortieren...
Ein weiteres Mal nehmen wir Abschied vom JZE, werden aber den weiteren Verlauf der Abbrucharbeiten natürlich weiter verfolgen und berichten.
Fotos: Markus Decker

Autor:

Silvia Decker aus Emmerich am Rhein

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