"Im Streb waren es 40 Grad!"

Erinnert sich noch gut an die „alten“ Zeiten: Der ehemalige Steiger Artur Fabritz.
  • Erinnert sich noch gut an die „alten“ Zeiten: Der ehemalige Steiger Artur Fabritz.
  • hochgeladen von Silvia Decker

Ehemaliger Steiger Artur Fabritz über den Bergbau früher und heute.
Wer heute der ehemaligen Zeche Hagenbeck einen Besuch abstattet, der findet sich auf dem Gelände der Firma Klauenberg wieder. Zusätzliches I-Tüpfelchen war aber zur Zeit der SchachtZeichen der gelbe Ballon auf dem Hinterhof der Firma. Er ist Teil des Kunstprojekts SchachtZeichen und erinnert an die Wurzeln des Ruhrgebiets. Den ehemaligen Kohleabbau.
Einzig und allein ein kleiner Schachtdeckel zeugt von dem früheren Eingang unter die Erde. Gerät alles in Vergessenheit? „Nein“, ist sich Heidrun Kuhlmann vom Projektmanagement SchachtZeichen sicher. „Das ist ja gerade der Sinn der ganzen Aktion. Wir möchten den Menschen bewusst machen, dass wir nun mal kulturelle Wurzeln haben und auch daran erinnern, dass der eigentliche Reichtum unserer Region vom Kohleabbau herrührt.“
Davon kann auch der ehemalige Steiger Artur Fabritz ein Lied singen. „Das ist mein ehemaliger Einsatzort“, verkündet Fabritz stolz. Über 40 Jahre ist er als Steiger in der Zeche Hagenbeck in den Streb gefahren.
„Dabei hatten wir sogar noch verschärfte Bedingungen“ erzählt Fabritz, „denn mit den typischen Abbaumaschinen kam man in der Hagenbeck nicht weit.“ Schremmmaschienen konnten wegen der halbsteilen Lagerung der Kohle nicht benutzt werden.
Das heißt im Klartext: „Wir mussten alles per Hand abbauen. Spitzhacke und Bergmannskluft -mehr gab es nicht.“ Wo Maschinen am Tag gute 13 Meter schaffen, lag man per Hand bei ungefähr 2,50 bis 4 Metern. Schwerste Knochenarbeit.
Fabritz muss schmunzeln. „Jetzt stellen Sie sich nicht vor, dass es nur Muskelprotze unter Tage gab. Viele waren hager und eher dünn. So wie unser Spitzenmann damals. Dem hat man gar nicht angesehen, dass er eigentlich unter Tage gearbeitet hat und der Kohlenkönig war.“
Und wer jetzt denkt, das ist ein Spaziergang, der irrt. „Unter Tage sind es 40 Grad und mehr. Es ist dunkel, teilweise nass und mit der Luft ist das auch so eine Sache.“
Klar gab es auch in der Hagenbeck einen Bewetterungsschacht. Der war auch bitter nötig und diente dazu, das Bergwerk mit frischer Luft zu versorgen. „Es gab einen Schacht zur Zuführung frischer Luft (Frischwetter genannt), einen Abwetterschacht, durch den verbrauchte Luft und schädliche Gase nach außen befördert wurden“, erklärt Fabritz. Wie das funktioniert? Je größer der Temperaturunterschied, desto größer auch die Luftströmung, die dadurch entsteht. Man mache sich aber nichts vor: So gut wie über Tage kann die Luft unter Tage einfach nicht sein. „Oft war sie viel schlechter,das führte zu Atemproblemen oder Atemwegsreizungen und noch heute spüren wir die Folgeerkrankungen“, gibt der ehemalige Steiger zu bedenken! Außerdem ließ auch die Ausrüstung im Gegensatz zu heute zu wünschen übrig. „Masken? Bei uns gab es zumindest am Anfang keine Masken. Um dem beim Abbau entstehendem Staub zu entgehen, haben wir uns wollene Tücher um Mund und Nase gebunden.“ Das hielt aber bei weitem nicht alle Partikel ab. Das ist auch der Grund warum so viele ehemalige Bergleute mit Asthma oder Lungenproblemen zu kämpfen hatten und haben.
In der Hagenbeck war die Spitzentiefe bei 900 Metern. „Man kann es sich nicht vorstellen, wenn man noch nicht unter Tage war“, versucht Fabritz zu erklären. Es ist ja die ganze Zeit dunkel und dazu kommt noch die brütende Hitze. Das kann schnell aufs Gemüt schlagen.“ Zumindest im Winter. Der sieben Stunden Tag begann für den Steiger schon um halb sechs bis dass dann um sechs Uhr in die Grube hinabgefahren wurde. Je nach Schichtdienst hat man also kaum Tageslicht gesehen. „Wenn man aus der Grube kam war es wieder dunkel.“
Überhaupt hat ein Bergmann schwerste Arbeitsbedingungen. Noch übertroffen von den Pferden, die auf Sohle fünf zum Einsatz kamen. „Man kann sich das nicht vorstellen. Es gab furchtbar viele Ratten unter Tage. Uns blieb nichts anders übrig: Unser Wurstbrot mussten wir an Seile oder Haken aufhängen, sonst hätten sich die Ratten darüber hergemacht“, berichtet der ehemalige Steiger.
Das Projekt SchachtZeichen empfindet er als gute Sache. „Man sollte an die schwere Arbeit der Kumpel erinnern“, betont Fabritz.

Autor:

Silvia Decker aus Emmerich am Rhein

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