Der Sarotti-Mohr
Held der Kindheit und /oder kolonialrassistisches Symbol
Am 1. Oktober 2021 wird die "Mohrenstraße" in Berlin in "Anton-Wilhelm-Amo-Straße" umbenannt. In dieser "Mohrenstraße" liegen auch die Ursprünge des allseits bekannten und 103 Jahre alten "Sarotti-Mohrs", den es als Werbefigur der Schokoladenfabrik Sarotti schon seit 2004 nicht mehr gibt.
Die Begründung für die Umbenennung der Straße ist nachvollziehbar, zeugt der Begriff Mohr doch von "einer in unserer Gegenwart weiter wirkenden gewaltvollen und europäischen Kolonialgeschichte". Mit Anton Wilhelm Amo (1703- 1784?) wird dagegen ein Rechtsgelehrter, Philosoph und eine hervorragende Persönlichkeit afrikanischer Herkunft in dem neuen Straßennamen geehrt.
Und was ist aus dem Sarotti-Mohren geworden? Er ist von der Schokoladenfirma durch einen auf einer Mondsichel balancierenden Magier mit goldener Haut, der nach den Sternen greift, ersetzt worden. Er wird jetzt als "Magier der Sinne" bezeichnet.
Vor 60 Jahren kannten 98% der Deutschen durch die Schokoladentafeln und die Fernsehspots noch den Knirps mit dem Turban,der Pluderhose und den Schnabelschuhen aus 1000 und einer Nacht. Sein rundes schwarzes Gesicht, seine roten Lippen, die Kulleraugen, der große Kopf und die kurzen Gliedmaßen sprachen lange das Kindchenschema im Konsumenten an und machten ihn neben dem HB-Männchen sicher zur populärsten Werbefigur.
Der Begriff Mohr wurde ursprünglich übrigens nicht kulturell oder diskriminierend gebraucht. Er leitet sich vom lateinischen "maurus" ab, womit die Bewohner Mauretaniens gemeint waren. Doch seit dem 19. Jahrhundert wandelte sich diese neutrale Bedeutung und bekam einen zunehmend abfälligen Beigeschmack. So hat sich seit den 60ern auch der Blick auf den Sarotti-Mohren geändert. Dass er in der Werbefigur auch noch als Diener auftritt, wurde zu Recht als rassistische Stereotypie interpretiert.
Die Entschuldigung, dass man nur wenig über die kurze und gewalttätige deutsche Kolonialzeit gewusst hat, mag für das frühe 20. Jahrhundert noch für viele gegolten haben. Heute kann man sich damit nicht mehr herausreden.
Im letzten Monat reiste Bundespräsident Steinmeier ins heutige Namibia und bat um Vergebung für die Tötung von 75000 Menschen, die dort durch die deutschen Kolonialtruppen umgebracht wurden.
Bleibt die Frage, wie man mit den "Zeitzeugen" jenes dunklen Kapitels der deutschen Geschichte, zu dem viele den Sarotti-Mohren zählen, heute umzugehen hat. Etwa frei nach Friedrich Schiller:" Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen." ??
Im Mannheimer Kulturzentrum "Capitol" hängen im Foyer zwei Sarotti -Embleme. An ihnen entzündete sich eine erregte und nicht immer sachliche Diskussion. Sollen sie umhüllt, weiter als Irritation und Anreger für Diskussionen präsentiert oder endgültig entsorgt werden?
Gibt man mit dem Entfernen die eigene Identität auf und vermeintlichen Weltverbesserern und Moralaposteln, die unsere Traditionen und unsere Sprache zensieren und zerstören wollen, nach?
An dieser Stelle muss ich zugeben, dass der Sarotti- Mohr neben Teddy und Mecki zu den Helden meiner frühen Kindheit gehörte. Als ich mich noch naiv über jede geschenkte Tafel Schokolade meiner Tanten freute, wusste ich nichts von Diskriminierung oder gar Rassismus und Kolonialismus.
Doch mit den Jahren ging diese Unschuld verloren und ich musste zunehmend lernen, auch mit Widersprüchen zu leben oder die Sicht auf die Dinge der Kindheit zu korrigieren.
Wenn oben von "einer in unserer Gegenwart weiter wirkenden gewaltvollen und europäischen Kolonialgeschichte" die Rede ist, so muss sich zum Beispiel jeder Handybesitzer und stolze E-Auto -Fahrer auch fragen, wie er dabei zu der Kinderarbeit beim Kobaltabbau im Kongo steht, dem wir zu einem Teil die Akkus unseres vermeintlichen Fortschritts verdanken. Das Ganze läuft heute unter der Flagge der Globalisierung, der wir zahlreiche weitere Beispiele in unseren inkonsequenten Ernährungsgewohnheiten und dem Mobilitätsverhalten zuschreiben müssen. Auch ohne den Sarotti-Mohren hat das Geschäft mit dem Kakao und der Schokolade heute noch einen bitteren Beigeschmack.
Leider gibt es zu viele selbstgerechte Menschen, die eloquent ihr eigenes in sich widersprüchliches Verhalten rechtfertigen, anstatt sich zu bemühen, diese Widersprüche zu benennen und in ihrem/unserem Alltag aufzulösen.
Vielleicht kann der Sarotti-Mohr dabei ein wenig helfen, indem er modellhaft das eigene inkonsequente Verhalten bewusst macht und Abhilfe einfordert.
Autor:Bernd Dröse aus Essen-West |
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