Leben mit Corona
Einkaufen mit Corona
Es ist noch der Anfang von Corona. Ich trete aus dem Haus. Freundliches Frühlingswetter empfängt mich. Aus dem Park gegenüber schallt fröhliches Gejohle von spielenden Kindern herüber. Die Straße ist leer, keine Menschenseele zu sehen. Auch keine Autos. aber es sind überraschend viele Parkplätze frei. Die arbeitende Bevölkerung ist wohl unterwegs.
Ich schlendere die Straße entlang, zum Supermarkt. Will zwei Pakete Klopapier kaufen. Eins für mich und eins für meine Nachbarin. Die traut sich nicht mehr auf die Straße.
Eine Frau kommt mir entgegen. Wir strahlen uns freundlich an. Zwei Menschen auf einer leeren Straße, da stellt sich spontan Verbrüderung ein. Wir machen etwas freundliche Konversation. Nach dem Motto, wir lassen uns doch nicht drinnen einsperren. Und gehen wieder unseres Weges.
Ich biege um die Ecke am Taxistand. Das gibt’s doch nicht! Da stehe ganze neun Taxen. Normal kann man mit viel Glück eine erwischen. Na ja, für mich diesmal nicht, es sind nur noch 200 Meter bis zum Supermarkt.
Auf dieser Straße wie immer viele Menschen. Sie sind gelassen, aber wohl doch darüber informiert, dass das Virus lauert. Es passiert kaum, dass man sich vom Bürgersteig schubst. Alle halten seriös Abstand. Bemühen sich, nicht zu husten.
Am Supermarkt – oh Schreck! – die Einkaufswagen sind aus. Hamsterkäufe, kommt mir spontan in den Sinn. Wo soll das enden? Da naht meine Rettung, ein Mann bringt seinen Wagen zurück. Ich biete ihm freundlich meinen Euro an.
„Nee, geht nicht, ich habe einen Chip da drin.“ Also schiebt er den Wagen in die Gitterbox, seinen Chip raus und meinen Euro rein und alles ist bestens.
Oh Gott, nein!
„Achte auf Corona!“, schallt es vom Himmel herunter. Ich vibriere nervös. Schaue dem Mann tief in die Augen. Er ist freundlich und sieht gesund aus. Also alles klar. Ich fasse den Wagen an und trabe los. Was will ich, was brauche ich? Am Anfang steht Obst und Gemüse. Eine strahlend gelbe Zitrone lacht mich an. Ich erinnere mich, was hatte Mutter gesagt? Vitamin C hilft gegen Erkältung. Soll ich eine nehmen? Da gibt es einen Beutel mit vier Zitronen. Also nehme ich den Beutel, besser ist das.
Dann Brot. Ein Baguette und ein Frischbrot, noch ofenwarm. Und dann, Hamsterkauf hin und her, ich nehme noch ein Brot zum Einfrieren.
Wein geht mit und jetzt noch Wasser. Wasser natur ist da. Aber … kein Tonic Water. In mir kommt Panik auf. Muss ich jetzt den Gin trocken runterwürgen? Nee, das tu ich mir nicht an. Ich werde in der Sache doch noch ein paar Häuser weiterziehen. An der Kasse ergattere ich einen hervorragenden zehnten Platz. Alle Kassen sind besetzt, mehr geht nicht.
In der Nachbarschlange blinzelt mich aus einem Einkaufwagen ein Paket Klopapier an. Verdammt, hab’ ich vergessen. Nun kommt der Augenblick, die Entscheidung genauestens abzuwägen. Kann ich es wagen, diesen begehrten Platz an der Kasse aufzugeben? Nur zehn Wagen vor mir. Mir fällt ein, dass ich ja noch zwei Blatt zu Hause habe. Doch was ist mit der Nachbarin? Sie hat mich so dringlich gebeten, ihr in dieser Sache zu helfen. Ich ringe verzweifelt mit mir. Also, ich gebe den Platz auf. Die Schlange hinter mir bricht in Freudenstürme aus. Ich tröste mich derweil mit dem faulen Spruch: Wenn ich zurückkomme, schaffe ich einen fünften Platz.
Das Klopapier ist ganz hinten. Was sehe ich? Das hinreichend große Regal ist leer. Ich habe das Gefühl, es stöhnt mich, wie aus einem riesigen Mund, mitleidvoll an. Ich frage die Frauen in der Nähe: „Ist das das Regal für Klopapier?“
„Ja, das ist es, wenn was da ist.“ So freundlich, wie man hier miteinander umgeht, bekomme ich sofort den Rat, wo es noch welches gibt. Nur drei Häuser weiter.
Zurück an der Kasse klappt’s dann doch. Am Einpacktisch fülle ich meine Leinenbeutel. Eine Frau kommt: „Kann ich Ihren Wagen haben?“
„Ja, natürlich. Es würde mich auch freuen, wenn Sie mir einen Euro dafür geben.“
Die Frau ist durch die Einkaufswagenkrise offenbar völlig verdattert. Begreift aber dann doch und sucht verzweifelt nach der Münze. Erleichtert reicht sie mir ihren Sucherfolg.
In dem Laden drei Häuser weiter finde ich zwei Pakete Klopapier. An der Kasse werde ich ermahnt: „Hier gibt es nur ein Paket pro Person.“
Panik kommt in mir auf. In meiner Not ergreife ich einen kleinen Jungen, der eben vorbeikommt. „Hier, das ist mein Sohn, wir sind zwei Personen.“ Seine Mutter kramt gerade mit dem Rücken zu mir in einem Regal und bemerkt nichts. Doch der Kassierer fällt nicht auf den Trick herein.
Der Junge keift: „Lass mich los, du Blödmann!“
Betrübt schlendere ich nach Hause. Das eine Paket Klopapier werde ich meiner Nachbarin geben. Eigentlich nicht schlimm. Ich habe ja noch zwei Blatt … einlagig. Die Lagen zwei und drei habe ich schon abgelöst.
Autor:Karl-Heinz Kukuck aus Essen-West |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.